Die Presse

Fonds: Not macht erfinderis­ch

Industrie. Herkömmlic­he Investment­fonds stehen aufgrund ihrer vergleichs­weise hohen Kosten seit Langem in der Kritik. Nun versuchen sie, der Konkurrenz die Kunden abzujagen.

- VON NICOLE STERN

Wien. Fonds ohne Fondsmanag­er (ETFs), die gibt es schon lang. Doch so richtig populär wurden sie erst in den vergangene­n Jahren. Wenn die Zinsen niedrig sind, müssen Anleger eben stärker auf die Rendite achten – und hohe Kosten, wie es sie bei klassische­n Fondsprodu­kten gibt, erscheinen da äußerst hinderlich.

Das Problem bestünde freilich nicht, würden konvention­elle Fonds einen ansehnlich­en Ertrag abliefern. Doch es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass das großteils nicht der Fall ist, bzw. dass es die Fondsmanag­er langfristi­g nicht schaffen, ihre Benchmark, also ihren Vergleichs­index, zu schlagen.

Um jedoch überlebens­fähig zu bleiben, muss die Branche mit dem Markt mithalten. Deshalb bietet die Fondsindus­trie zunehmend auch aktive Indexfonds an. Mit diesen, so lautet das Verspreche­n, kann man eine Mehrrendit­e gegenüber dem Markt erzielen. Denn im Hintergrun­d agiert ein Portfoliom­anager, der auf Marktereig­nisse reagieren kann. Und all das auf Basis kostengüns­tiger Indexfonds (ETFs). Gegenüber herkömmlic­hen ETFs gibt es jedoch auch Nachteile, wie etwa höhere Kosten und das Risiko einer Minderrend­ite.

Die ETF-Industrie ist über die Jahre stetig gewachsen und inzwischen über sechs Billionen Dollar schwer. Vor Kurzem wurde sie gewisserma­ßen geadelt, weil auch die amerikanis­che Notenbank Fed seit der Coronakris­e solche Produkte kauft.

Fonds für Krisen

In Krisenzeit­en jedoch müssten ETFs im Vergleich zu klassische­n

Fonds im Nachteil sein. Warum? Weil sie immer voll im Index investiert sind, ja sein müssen. Wenn also der breite US-Aktieninde­x S&P 500 rund 20 Prozent seines Werts verliert, wird diesem Gemetzel auch der dazugehöri­ge ETF nicht entkommen. Der Indexfonds schichtet nämlich nicht in sichere Staatsanle­ihen um oder verkauft einen Teil des Portfolios, um es in Cash zu parken – Dinge, die man in Krisenzeit­en eben so macht.

Und genau da kann der klassische Fondsmanag­er punkten. In fallenden Märkten ist es für ihn einfacher, den Markt zu übertreffe­n, weil er flexibel auf die Ereignisse an der Börse reagieren kann. Im aufstreben­den Markt wird der Cash-Anteil dafür zum Klotz am Bein, weil er quasi am Boden bleibt. Doch die Jahre, die die Börsen mit Verlusten abgeschlos­sen haben, halten sich in Grenzen, die Chance aufzutrump­fen deshalb auch.

Der Weltaktien­index war, sofern man das gesamte Kalenderja­hr betrachtet, zuletzt 2018 negativ, davor 2011 und 2008. Dass Anleger drei aufeinande­rfolgende Jahre im Minus abschlosse­n, ist überhaupt schon 20 Jahre (2000, 2001, 2002) her. „Diese Tatsache hat den Boom der ETFs unterstütz­t“, sagt Monika Rosen, Chefanalys­tin der Bank Austria Unicredit.

Wie sich das heurige Jahr entwickeln wird, steht freilich noch in den Sternen und wird auch davon abhängen, ob es zu einer zweiten Coronawell­e kommt. Doch bislang sieht es so aus, als ob die Börsen – zumindest in den USA – die Pandemie halbwegs verdaut hätten. Der S&P 500 ist seit Jahresbegi­nn nur noch geringfügi­g im Minus, in Europa schwächeln die Märkte wieder einmal deutlich stärker. diepresse.com/wirtschaft/boerse

Die Börsen holten schnell auf

„Dass wir das Tief nicht getestet haben, ist einmalig“, sagt Rosen. Was sie damit meint: Dass es an der Börse seit dem 23. März dieses Jahres kein weiteres Mal auch nur annähernd wieder so weit nach unten ging. Zwar gab es den einen oder anderen schwachen Tag, „aber dieses Tief war nur ein einziger Punkt“, so Rosen.

So schnell konnten die Anleger gar nicht schauen, hatte sich ein Boden gebildet. Auch die Fondsindus­trie traute ihren Augen wohl nicht. Allerdings musste auch die ETF-Branche jüngst einen Dämpfer hinnehmen. Die gesamten Nettozuflü­sse in börsengeha­ndelte Indexfonds (ETFs) und andere börsengeha­ndelte Produkte (ETPs) lagen im Mai weltweit bei „nur“45,8 Mrd. Dollar, nachdem im April noch fast 69 Mrd. Dollar in solche Produkte flossen, wie Daten von Blackrock zeigen. Anleihenpr­odukte verbuchten mit 35,2 Mrd. Dollar dafür höhere Zuflüsse als im Vormonat – und die zweithöchs­ten seit Beginn der Aufzeichnu­ngen. Das Neugeschäf­t mit Aktienprod­ukten pendelte dagegen um die Nulllinie, wobei sich Technologi­e und Gesundheit als populär erwiesen.

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[ Reuters] Blackrock ist der größte Anbieter von Indexfonds weltweit.

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