Fonds: Not macht erfinderisch
Industrie. Herkömmliche Investmentfonds stehen aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Kosten seit Langem in der Kritik. Nun versuchen sie, der Konkurrenz die Kunden abzujagen.
Wien. Fonds ohne Fondsmanager (ETFs), die gibt es schon lang. Doch so richtig populär wurden sie erst in den vergangenen Jahren. Wenn die Zinsen niedrig sind, müssen Anleger eben stärker auf die Rendite achten – und hohe Kosten, wie es sie bei klassischen Fondsprodukten gibt, erscheinen da äußerst hinderlich.
Das Problem bestünde freilich nicht, würden konventionelle Fonds einen ansehnlichen Ertrag abliefern. Doch es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass das großteils nicht der Fall ist, bzw. dass es die Fondsmanager langfristig nicht schaffen, ihre Benchmark, also ihren Vergleichsindex, zu schlagen.
Um jedoch überlebensfähig zu bleiben, muss die Branche mit dem Markt mithalten. Deshalb bietet die Fondsindustrie zunehmend auch aktive Indexfonds an. Mit diesen, so lautet das Versprechen, kann man eine Mehrrendite gegenüber dem Markt erzielen. Denn im Hintergrund agiert ein Portfoliomanager, der auf Marktereignisse reagieren kann. Und all das auf Basis kostengünstiger Indexfonds (ETFs). Gegenüber herkömmlichen ETFs gibt es jedoch auch Nachteile, wie etwa höhere Kosten und das Risiko einer Minderrendite.
Die ETF-Industrie ist über die Jahre stetig gewachsen und inzwischen über sechs Billionen Dollar schwer. Vor Kurzem wurde sie gewissermaßen geadelt, weil auch die amerikanische Notenbank Fed seit der Coronakrise solche Produkte kauft.
Fonds für Krisen
In Krisenzeiten jedoch müssten ETFs im Vergleich zu klassischen
Fonds im Nachteil sein. Warum? Weil sie immer voll im Index investiert sind, ja sein müssen. Wenn also der breite US-Aktienindex S&P 500 rund 20 Prozent seines Werts verliert, wird diesem Gemetzel auch der dazugehörige ETF nicht entkommen. Der Indexfonds schichtet nämlich nicht in sichere Staatsanleihen um oder verkauft einen Teil des Portfolios, um es in Cash zu parken – Dinge, die man in Krisenzeiten eben so macht.
Und genau da kann der klassische Fondsmanager punkten. In fallenden Märkten ist es für ihn einfacher, den Markt zu übertreffen, weil er flexibel auf die Ereignisse an der Börse reagieren kann. Im aufstrebenden Markt wird der Cash-Anteil dafür zum Klotz am Bein, weil er quasi am Boden bleibt. Doch die Jahre, die die Börsen mit Verlusten abgeschlossen haben, halten sich in Grenzen, die Chance aufzutrumpfen deshalb auch.
Der Weltaktienindex war, sofern man das gesamte Kalenderjahr betrachtet, zuletzt 2018 negativ, davor 2011 und 2008. Dass Anleger drei aufeinanderfolgende Jahre im Minus abschlossen, ist überhaupt schon 20 Jahre (2000, 2001, 2002) her. „Diese Tatsache hat den Boom der ETFs unterstützt“, sagt Monika Rosen, Chefanalystin der Bank Austria Unicredit.
Wie sich das heurige Jahr entwickeln wird, steht freilich noch in den Sternen und wird auch davon abhängen, ob es zu einer zweiten Coronawelle kommt. Doch bislang sieht es so aus, als ob die Börsen – zumindest in den USA – die Pandemie halbwegs verdaut hätten. Der S&P 500 ist seit Jahresbeginn nur noch geringfügig im Minus, in Europa schwächeln die Märkte wieder einmal deutlich stärker. diepresse.com/wirtschaft/boerse
Die Börsen holten schnell auf
„Dass wir das Tief nicht getestet haben, ist einmalig“, sagt Rosen. Was sie damit meint: Dass es an der Börse seit dem 23. März dieses Jahres kein weiteres Mal auch nur annähernd wieder so weit nach unten ging. Zwar gab es den einen oder anderen schwachen Tag, „aber dieses Tief war nur ein einziger Punkt“, so Rosen.
So schnell konnten die Anleger gar nicht schauen, hatte sich ein Boden gebildet. Auch die Fondsindustrie traute ihren Augen wohl nicht. Allerdings musste auch die ETF-Branche jüngst einen Dämpfer hinnehmen. Die gesamten Nettozuflüsse in börsengehandelte Indexfonds (ETFs) und andere börsengehandelte Produkte (ETPs) lagen im Mai weltweit bei „nur“45,8 Mrd. Dollar, nachdem im April noch fast 69 Mrd. Dollar in solche Produkte flossen, wie Daten von Blackrock zeigen. Anleihenprodukte verbuchten mit 35,2 Mrd. Dollar dafür höhere Zuflüsse als im Vormonat – und die zweithöchsten seit Beginn der Aufzeichnungen. Das Neugeschäft mit Aktienprodukten pendelte dagegen um die Nulllinie, wobei sich Technologie und Gesundheit als populär erwiesen.