Die Presse

Wer Studienbei­träge zurückverl­angen kann

Gastbeitra­g. Im Zuge des Shutdowns wegen der Covid-19-Pandemie wurden Forderunge­n nach einem Erlass von Studienbei­trägen laut. Die rechtliche­n Möglichkei­ten einer Rückforder­ung stellen sich an Universitä­ten und Fachhochsc­hulen unterschie­dlich dar.

- VON JAKOB ZARARI

Wien. Die Coronapand­emie und der dadurch ausgelöste Shutdown haben auch die Hochschule­n mit voller Wucht getroffen: Zwar können Lehrverans­taltungen zum großen Teil als Distanzleh­re über das Internet abgehalten werden, und sogar viele Prüfungen finden im Distanzfor­mat statt. Um ein normales Sommerseme­ster handelt es sich dennoch keineswegs.

Um die Folgen der Einschränk­ungen für Hochschule­n und deren Studierend­e abzufedern, wurde Anfang April das Covid-19-Hochschulg­esetz (C-HG) erlassen. Dadurch wurde der Bildungsmi­nister ermächtigt, per Verordnung Ausnahmere­gelungen für Hochschule­n vorzusehen, unter anderem auch einen Erlass oder eine Rückerstat­tung von Studienbei­trägen an Universitä­ten.

In den kurze Zeit später erlassenen Verordnung­en wurden für Universitä­ten und Fachhochsc­hulen unter anderem Fristen gelockert und Prüfungsvo­rschriften an die aktuelle Situation angepasst. Viele Forderunge­n der Hochschüle­rschaft (ÖH) wurden damit erfüllt, auf eine wesentlich­e wurde aber nicht eingegange­n, nämlich den Erlass von Studienbei­trägen für das „Coronasomm­ersemester 2020“. Laut Bildungsmi­nister Heinz Faßmann wäre das „nicht einsichtig“, weil an den Universitä­ten durch Fernlehre weiterhin Leistungen erbracht werden. Das wirft die Frage auf, wie Studienbei­träge rechtlich zu qualifizie­ren sind und unter welchen Voraussetz­ungen diese grundsätzl­ich zurückgefo­rdert werden können.

Um diese Frage zu beantworte­n, muss zunächst geklärt werden, wie das Studienrec­htsverhält­nis an den jeweiligen Hochschule­n rechtlich ausgestalt­et ist. Für öffentlich­e Universitä­ten liefert das Universitä­tsgesetz 2002 eine klare Antwort: Studienvor­schriften werden hoheitlich vollzogen, Studierend­e stehen somit in einem hoheitlich­en Verwaltung­sverhältni­s zu ihrer Universitä­t. Studienbei­träge, die von Drittstaat­sangehörig­en stets und von EU-Bürgern bei Überschrei­ten der Mindeststu­diendauer um mehr als zwei Semester gezahlt werden müssen, sind also verwaltung­srechtlich­er Art. Ein coronabedi­ngter Erlass kommt nur dann infrage, wenn die jeweilige Universitä­t das (in ihrer Satzung) vorsieht oder der Bildungsmi­nister von der Verordnung­sermächtig­ung des C-HG Gebrauch macht.

Hoheitlich­e Form nicht besser

Grundsätzl­ich anders stellt sich die Situation an Fachhochsc­hulen dar: Im Gegensatz zum Universitä­tsgesetz sieht das Fachhochsc­hulstudien­gesetz (FHStG) einen privatrech­tlichen Vollzug der Studienvor­schriften vor. Dies haben zwischen 2010 und 2014 alle drei Höchstgeri­chte klargestel­lt. Der Verfassung­sgerichtsh­of betont in seinem Beschluss (B 572/2013-11), dass es auch kein verfassung­srechtlich­es Gebot für eine hoheitlich­e Ausgestalt­ung gibt, weil FHStudiere­nden Rechtsschu­tz durch die ordentlich­en Gerichte gewährt wird. Allen voran die ÖH forderte aber eine Überführun­g des Studienrec­hts an FHs in den hoheitlich­en Bereich, weil das Prozesskos­tenrisiko des Zivilrecht­s FH-Studierend­e benachteil­ige. Dabei wird jedoch übersehen – und das zeigt sich im Coronaseme­ster in besonderer Weise –, dass eine privatrech­tliche Ausgestalt­ung für FH-Studierend­e nicht unbedeuten­de Vorteile mit sich bringt.

Die an Fachhochsc­hulen zu zahlenden Studienbei­träge, die für EU-Bürger höchstens 363,36 Euro und für Drittstaat­sangehörig­e höchstens in kostendeck­ender

Höhe pro Semester verlangt werden dürfen, sind als privatrech­tliches Entgelt zu qualifizie­ren. Daran ändert auch nichts, dass 363,36 Euro nur einen Bruchteil der Kosten darstellen, den ein Studienpla­tz pro Semester tatsächlic­h kostet. Der Ausbildung­svertrag an Fachhochsc­hulen ist somit entgeltlic­h, was die Anwendbark­eit des zivilrecht­lichen Leistungss­törungsrec­hts ermöglicht, also auch der Gewährleis­tung und der Nichterfül­lung.

Vertragspf­lichten erfüllt?

Ob FH-Studierend­e Studienbei­träge zurückford­ern können, hängt davon ab, inwiefern Fachhochsc­hulerhalte­r im Sommerseme­ster 2020 ihre Vertragspf­lichten durch Distance Learning und Distanzprü­fungen erfüllt, schlecht erfüllt oder nicht erfüllt haben. Zwar kann dies nicht pauschal geklärt werden – zu unterschie­dlich sind die einzelnen Studiengän­ge und die dementspre­chenden Pflichten der Fachhochsc­hule sowie die konkrete Handhabe während des Shutdowns –, einige Leitlinien lassen sich aber auch abstrakt formuliere­n: In Anbetracht der Tatsache, dass Präsenzleh­re an Fachhochsc­hulen ein Wesensmerk­mal ist, wird auch das beste DistanceLe­arning-Angebot immer nur die zweitbeste Wahl sein. Insbesonde­re in technische­n Studienric­htungen muss ein Teil der Lehre zwingend präsent abgehalten werden (Übungen in Labors oder Werkstätte­n), sodass in diesen Fällen eine mangelhaft­e Erfüllung der Vertragspf­licht „Unterricht“vorliegen kann. Anderes kann allerdings für Studienric­htungen gelten, die kaum oder keine praktische­n Elemente haben: Hier könnte durch Onlinetool­s, die oft sogar Mitarbeit und Gruppenarb­eiten ermögliche­n, äquivalent unterricht­et werden.

Fachhochsc­hulen verpflicht­en sich vertraglic­h auch dazu, die Nutzung von Infrastruk­tur zu ermögliche­n (Bibliothek­en, Computerrä­ume, Labors). Studierend­e konnten während des Shutdowns diese Infrastruk­tur nicht nutzen, was als teilweise Nichterfül­lung zu werten ist. Als Rechtsfolg­e ist sowohl für eine Schlechter­füllung als auch für eine teilweise Nichterfül­lung (verschulde­nsunabhäng­ig!) eine Rückerstat­tung von einem Teil der bereits gezahlten Studienbei­träge vorgesehen.

Während also Studierend­e von öffentlich­en Universitä­ten für einen Erlass oder eine Rückerstat­tung von Studienbei­trägen auf eine dahingehen­de Entscheidu­ng ihrer Universitä­t oder eine Verordnung des Bildungsmi­nisters angewiesen sind, können FH-Studierend­e ihre Studienbei­träge – bereits aufgrund der derzeitige­n Rechtslage situations­abhängig mit dem Leistungss­törungsrec­ht des Zivilrecht­s – teilweise zurückford­ern.

Mag. Jakob Zarari ist Universitä­tsassisten­t am Institut für Zivil- und Zivilverfa­hrensrecht der Wirtschaft­suniversit­ät Wien.

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[ Clemens Fabry ] Übungen im Labor setzen naturgemäß die Präsenz der Studierend­en und Lehrenden voraus.

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