Wer Studienbeiträge zurückverlangen kann
Gastbeitrag. Im Zuge des Shutdowns wegen der Covid-19-Pandemie wurden Forderungen nach einem Erlass von Studienbeiträgen laut. Die rechtlichen Möglichkeiten einer Rückforderung stellen sich an Universitäten und Fachhochschulen unterschiedlich dar.
Wien. Die Coronapandemie und der dadurch ausgelöste Shutdown haben auch die Hochschulen mit voller Wucht getroffen: Zwar können Lehrveranstaltungen zum großen Teil als Distanzlehre über das Internet abgehalten werden, und sogar viele Prüfungen finden im Distanzformat statt. Um ein normales Sommersemester handelt es sich dennoch keineswegs.
Um die Folgen der Einschränkungen für Hochschulen und deren Studierende abzufedern, wurde Anfang April das Covid-19-Hochschulgesetz (C-HG) erlassen. Dadurch wurde der Bildungsminister ermächtigt, per Verordnung Ausnahmeregelungen für Hochschulen vorzusehen, unter anderem auch einen Erlass oder eine Rückerstattung von Studienbeiträgen an Universitäten.
In den kurze Zeit später erlassenen Verordnungen wurden für Universitäten und Fachhochschulen unter anderem Fristen gelockert und Prüfungsvorschriften an die aktuelle Situation angepasst. Viele Forderungen der Hochschülerschaft (ÖH) wurden damit erfüllt, auf eine wesentliche wurde aber nicht eingegangen, nämlich den Erlass von Studienbeiträgen für das „Coronasommersemester 2020“. Laut Bildungsminister Heinz Faßmann wäre das „nicht einsichtig“, weil an den Universitäten durch Fernlehre weiterhin Leistungen erbracht werden. Das wirft die Frage auf, wie Studienbeiträge rechtlich zu qualifizieren sind und unter welchen Voraussetzungen diese grundsätzlich zurückgefordert werden können.
Um diese Frage zu beantworten, muss zunächst geklärt werden, wie das Studienrechtsverhältnis an den jeweiligen Hochschulen rechtlich ausgestaltet ist. Für öffentliche Universitäten liefert das Universitätsgesetz 2002 eine klare Antwort: Studienvorschriften werden hoheitlich vollzogen, Studierende stehen somit in einem hoheitlichen Verwaltungsverhältnis zu ihrer Universität. Studienbeiträge, die von Drittstaatsangehörigen stets und von EU-Bürgern bei Überschreiten der Mindeststudiendauer um mehr als zwei Semester gezahlt werden müssen, sind also verwaltungsrechtlicher Art. Ein coronabedingter Erlass kommt nur dann infrage, wenn die jeweilige Universität das (in ihrer Satzung) vorsieht oder der Bildungsminister von der Verordnungsermächtigung des C-HG Gebrauch macht.
Hoheitliche Form nicht besser
Grundsätzlich anders stellt sich die Situation an Fachhochschulen dar: Im Gegensatz zum Universitätsgesetz sieht das Fachhochschulstudiengesetz (FHStG) einen privatrechtlichen Vollzug der Studienvorschriften vor. Dies haben zwischen 2010 und 2014 alle drei Höchstgerichte klargestellt. Der Verfassungsgerichtshof betont in seinem Beschluss (B 572/2013-11), dass es auch kein verfassungsrechtliches Gebot für eine hoheitliche Ausgestaltung gibt, weil FHStudierenden Rechtsschutz durch die ordentlichen Gerichte gewährt wird. Allen voran die ÖH forderte aber eine Überführung des Studienrechts an FHs in den hoheitlichen Bereich, weil das Prozesskostenrisiko des Zivilrechts FH-Studierende benachteilige. Dabei wird jedoch übersehen – und das zeigt sich im Coronasemester in besonderer Weise –, dass eine privatrechtliche Ausgestaltung für FH-Studierende nicht unbedeutende Vorteile mit sich bringt.
Die an Fachhochschulen zu zahlenden Studienbeiträge, die für EU-Bürger höchstens 363,36 Euro und für Drittstaatsangehörige höchstens in kostendeckender
Höhe pro Semester verlangt werden dürfen, sind als privatrechtliches Entgelt zu qualifizieren. Daran ändert auch nichts, dass 363,36 Euro nur einen Bruchteil der Kosten darstellen, den ein Studienplatz pro Semester tatsächlich kostet. Der Ausbildungsvertrag an Fachhochschulen ist somit entgeltlich, was die Anwendbarkeit des zivilrechtlichen Leistungsstörungsrechts ermöglicht, also auch der Gewährleistung und der Nichterfüllung.
Vertragspflichten erfüllt?
Ob FH-Studierende Studienbeiträge zurückfordern können, hängt davon ab, inwiefern Fachhochschulerhalter im Sommersemester 2020 ihre Vertragspflichten durch Distance Learning und Distanzprüfungen erfüllt, schlecht erfüllt oder nicht erfüllt haben. Zwar kann dies nicht pauschal geklärt werden – zu unterschiedlich sind die einzelnen Studiengänge und die dementsprechenden Pflichten der Fachhochschule sowie die konkrete Handhabe während des Shutdowns –, einige Leitlinien lassen sich aber auch abstrakt formulieren: In Anbetracht der Tatsache, dass Präsenzlehre an Fachhochschulen ein Wesensmerkmal ist, wird auch das beste DistanceLearning-Angebot immer nur die zweitbeste Wahl sein. Insbesondere in technischen Studienrichtungen muss ein Teil der Lehre zwingend präsent abgehalten werden (Übungen in Labors oder Werkstätten), sodass in diesen Fällen eine mangelhafte Erfüllung der Vertragspflicht „Unterricht“vorliegen kann. Anderes kann allerdings für Studienrichtungen gelten, die kaum oder keine praktischen Elemente haben: Hier könnte durch Onlinetools, die oft sogar Mitarbeit und Gruppenarbeiten ermöglichen, äquivalent unterrichtet werden.
Fachhochschulen verpflichten sich vertraglich auch dazu, die Nutzung von Infrastruktur zu ermöglichen (Bibliotheken, Computerräume, Labors). Studierende konnten während des Shutdowns diese Infrastruktur nicht nutzen, was als teilweise Nichterfüllung zu werten ist. Als Rechtsfolge ist sowohl für eine Schlechterfüllung als auch für eine teilweise Nichterfüllung (verschuldensunabhängig!) eine Rückerstattung von einem Teil der bereits gezahlten Studienbeiträge vorgesehen.
Während also Studierende von öffentlichen Universitäten für einen Erlass oder eine Rückerstattung von Studienbeiträgen auf eine dahingehende Entscheidung ihrer Universität oder eine Verordnung des Bildungsministers angewiesen sind, können FH-Studierende ihre Studienbeiträge – bereits aufgrund der derzeitigen Rechtslage situationsabhängig mit dem Leistungsstörungsrecht des Zivilrechts – teilweise zurückfordern.
Mag. Jakob Zarari ist Universitätsassistent am Institut für Zivil- und Zivilverfahrensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien.