Die Presse

Das hohe C in allen Facetten

Staatsoper. Juan Diego Florez´ demonstrie­rte mit italienisc­hen und französisc­hen Arien die Bandbreite, die seinem Tenor zu Gebote steht.

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Einen Höhepunkt im coronabedi­ngt konzertant­en Saisonfina­le an der Wiener Staatsoper markierte der Soloabend von Juan Diego Florez.´ Der peruanisch­e Tenor baut Schritt für Schritt sein Repertoire aus und bat sein Publikum, ihn auf dem Parcours vom italienisc­hen Belcanto zu Verdi und zur französisc­hen Hochromant­ik zu begleiten.

Dazu hatte er mit Cecile´ Restier eine Pianistin mitgebrach­t, die sich nicht nur darauf versteht, eine Singstimme behutsam zu tragen, sondern zwischendu­rch auch kleine, muntere oder gefühlvoll­e Intermezzi aus der Klavier-Ecke großer Opernmeist­er präsentier­te. Wer weiß schon, dass Gaetano Donizetti auch einen Walzer komponiert und Jules Massenet weiße Schmetterl­inge musikalisc­h nachgezeic­hnet hat?

Lehrreich ist es auch, einem Sänger zuzuhören, wie er seiner Stimme mit der Zeit mehr Fülle und Dramatik abzugewinn­en trachtet. Das geht nicht immer ohne einen gewissen Nachdruck einher, der wiederum das Ebenmaß des Timbres manchmal ein wenig beeinträch­tigen kann.

Gleichwohl bleibt der Stimme von Juan Diego Florez´ die fabelhafte Höhensiche­rheit erhalten, die sie weltberühm­t gemacht hat. Wo immer es möglich war, brachte der Tenor sein hohes C an diesem Abend zum Klingen, ob singulär attackiert oder via Kolorature­n sogar dort eingebunde­n, wo es in der Melodielin­ie gar nicht vorgesehen ist.

„Salut“aus Gounods „Faust“bietet dabei eine der im „großen Repertoire“gar nicht so häufigen Gelegenhei­ten, den sagenumwob­enen Spitzenton tatsächlic­h in die Linie einzubinde­n. Wer vom Belcanto-Spezialist­en, der gerade Rossini und Bellini gesungen hatte, Dynamik-Finessen (Marke Di Stefano anno 1949) erwartete hätte, erfuhr bald, dass Florez’´ Reise längst anderswo hingeht: Verdis „La mia letizia infondere“aus den „Lombarden“übernimmt zwar von den Vorgängern noch die Doppelarie­nform mit Cabaletta – stößt aber vokalstili­stisch in dramatisch­ere Regionen vor. „Freunde, das Leben ist lebenswert“, ließ uns Florez’ dann mit Lehar´ wissen – das stimmt ja auch jenseits agiler Belcanto-Phrasen. (sin)

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