Die Presse

„Keine Koalition mit Blümel-ÖVP“

Wien-Wahl. Die Neos starteten mit der Kür von Christoph Wiederkehr zum Spitzenkan­didaten in den Wahlkampf. Aus dem Rennen um eine Regierungs­beteiligun­g nahm er sich aber schon heraus.

- VON JULIA WENZEL

Wien. 88,1 Prozent der Mitglieder waren es am Ende, die Christoph Wiederkehr am Samstag zum Neos-Spitzenkan­didaten für die Wien-Wahl am 11. Oktober kürten. Im Studio 44 am Rennweg hatten sich zum insgesamt dritten und letzten Durchgang der pinken Vorwahl 100 Mitglieder eingefunde­n, um der Präsentati­on des (bereits zu erwartende­n) Landeslist­envorschla­gs beizuwohne­n. Wiederkehr setzte sich wie erwartet durch.

Und der Spitzenkan­didat überrascht­e dann auch gleich mit einer betont deftigen Rhetorik gegenüber den politische­n Mitbewerbe­rn. Insbesonde­re der rote „gönnerhaft­e Gutscheinb­asar“würde ihn „anwidern“, sagte er. Einem von Beginn an „amtsmüden“roten Bürgermeis­ter Michael Ludwig warf er vor, wie eine Schildkröt­e zu agieren, die „richtig viel gegessen hat und sich zum Mittagssch­laf niederlege­n will“.

„Gernot Blümel lügt“

An der türkisen „Blümel-ÖVP“ließ Wiederkehr ebenfalls kein gutes Haar: „Gernot Blümel lügt und kann nicht rechnen.“In gewisser Weise nahm er seine Partei damit auch gleich aus dem Regierungs­rennen – weil er eine Zusammenar­beit mit der ÖVP (so wie auch mit der FPÖ und dem Team HC Strache) in Form einer „Dirndlkoal­ition“(Türkis, Grün, Pink) kategorisc­h ausschloss. Der Frage eines Journalist­en, ob eine Koalition mit der SPÖ denkbar sei, wich er aus.

Die taktische Absage an eine Zusammenar­beit mit Türkis ist aber keine Einzelmein­ung des Spitzenkan­didaten, auch Bundespart­eivorsitze­nde Beate Meinl-Reisinger hält eine pinke Zusammenar­beit mit der Wiener ÖVP für unvorstell­bar. Dass Ludwig in der „Presse“bereits vor einer grünen Bürgermeis­terin Birgit Hebein in einer Koalition mit ÖVP und Neos warnte, nahm sie am Samstag gelassen zur Kenntnis: „Es ist keine neue Mechanik, dass die SPÖ irgendetwa­s erzählt, um ihre Wähler zu mobilisier­en“, sagte Meinl-Reisinger zur „Presse“. Weder würde sich eine solche Koalition rechnerisc­h ausgehen (2015 erreichten die Pinken 6,2 Prozent, acht Prozent gelten diesmal als möglich), noch hätte man ein Interesse daran: „Diese Türkisen haben in Wien nichts mehr zu bieten, die haben nicht einmal ein Programm. Wir hieven Gernot Blümel sicher nicht in den Bürgermeis­tersessel, damit er dort schön seine Machtpolit­ik ausbauen kann.“

Damit waren die parteipoli­tischen Pflöcke weitgehend eingeschla­gen. Doch womit wollen die Neos inhaltlich punkten? Im Gespräch mit der „Presse“freute sich Wiederkehr über eine „große Vielfalt“in der Liste, die Frauenante­il und Migrations­hintergrun­d ergeben. Und in seiner Rede widmete er sich dann traditione­ll pinken Themen: Transparen­z, Unternehme­rtum und ganz besonders Bildung, der er einen Gutteil seiner Redezeit widmete. Mehr Geld statt weniger brauche es für Kindergärt­en und Schulen, um den „Bildungsno­tstand“zu beheben, den die regierende SPÖ in der Stadt seit Jahren zu verantwort­en habe.

Mehr Chancengle­ichheit, vor allem im Hinblick auf die CoronaPand­emie, sei nur durch „offene Schulen und Kindergärt­en“möglich, wie Wiederkehr betonte, bevor er in blumiger Metaphorik, die man sonst von Matthias Strolz kennt, die Schule zur „Startrampe für ein geglücktes Leben“erklärte.

Auf Krispers Spuren?

In den Spuren des Parteigrün­ders? Nun, Meinl-Reisinger bemühte sich eher darum, Wiederkehr als eine Art Aufdecker zu inszeniere­n – so wie Stephanie Krisper, die sich im Ibiza-U-Ausschuss zuletzt genau in dieser Rolle profiliert­e. Ihr gegenüber zeigte sich MeinlReisi­nger in ihrer Rede dankbar, dass sie „Kraftausdr­ücke salonfähig“gemacht hatte – eine Anspielung an Krispers „Oasch“-Sager im U-Ausschuss. Und legte gleich nach, dass sich im Kampf gegen Postenscha­cher und Korruption auch Wiederkehr schon „einen Namen gemacht“habe, etwa im Zuge der U-Kommission zum Krankenhau­s Nord.

Allein, bei den potenziell­en Wählern dürfte sich der so gemachte Name noch nicht allzu stark herumgespr­ochen haben. Denn Wiederkehr liegt bei Umfragen zur Direktwahl des Bürgermeis­ters derzeit irgendwo zwischen ein und drei Prozent. Auch deshalb bemühte sich die Parteichef­in, die 2015 noch selbst bei der Wien-Wahl angetreten war, dem neuen Spitzenkan­didaten Mut zuzusprech­en: „Mach dir keine Sorgen, Christoph, über mich haben sie 2015 auch gesagt, die kennt ja niemand.“Und mit einem Lächeln dazu: „Die Wiener werden dich noch kennenlern­en.“

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[ APA/Hochmuth ] In der Bevölkerun­g ist Christoph Wiederkehr noch nicht allzu bekannt, doch der Spitzenkan­didat der Neos für die Wien-Wahl will das unter anderem mit deftiger Rhetorik ändern.

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