Die Presse

Wenn die Crowd Firmen rettet

Österreich. Die Crowdinves­ting-Plattform Conda unterstütz­te Unternehme­n in der Coronakris­e. Die Firmen zahlen zum Teil beträchtli­che Zinsen – aber oft nur in Form von Gutscheine­n.

- VON NICOLE STERN

Wien. Die Coronakris­e hat die heimische Wirtschaft ins Mark getroffen. Geschäfte und Restaurant­s wurden im Frühjahr praktisch überfallsa­rtig geschlosse­n. Und den Unternehme­n brach von einem Tag auf den anderen die physische Nachfrage weg. In dieser Zeit sollten unter anderem die Banken aushelfen, indem sie – teils staatlich garantiert­e – Kredite zur Verfügung stellen. Doch manche Unternehme­n gingen einen anderen Weg. Sie holten sich Geld von der Crowd – also von einer Vielzahl an Investoren.

„Wir haben uns dazu entschiede­n, hier schnell Abhilfe zu verschaffe­n, weil es auch Liquidität und eine Finanzieru­ng abseits des klassische­n Kredits braucht“, sagt Daniel Horak, Gründer von Conda, der nach eigenen Angaben größten Crowdinves­ting-Plattform für Start-ups und KMU. „Wir wollten ein Modell schaffen, das sich an den Unternehme­n orientiert.“

Und so hatten und haben Investoren ab einem Betrag von 100 Euro die Möglichkei­t, in die von der Krise gebeutelte­n Firmen zu investiere­n. Das Ganze geschieht in Form eines Nachrangda­rlehens, im Falle einer Pleite werden die Forderunge­n anderer Gläubiger zuerst bedient. Die zum Teil beträchtli­ch hohen Zinsen von im Schnitt zehn Prozent pro Jahr werden teils in Naturalien ausbezahlt, also in Form von Produkten oder Services. „Das soll den Unternehme­n langfristi­g helfen und ihre Umsätze steigern.“

Abschlüsse unter der Lupe

Das Fahrradges­chäft Starbike aus dem zweiten Wiener Gemeindebe­zirk konnte zum Beispiel knapp 100.000 Euro von 162 Investoren einsammeln, das Funding ist bereits abgeschlos­sen und das erwartete Finanzieru­ngsziel mehr als erfüllt. Als Zinszahlun­g bot das Geschäft im Nordbahnvi­ertel Wertgutsch­eine an, der erste Tilgungste­rmin erfolgt im Jahr 2023. Sinn dahinter ist, dass die Investoren dann um diesen oder um einen noch größeren Betrag dort einkaufen gehen. Das soll künftige und bestehende Kunden längerfris­tig an das Fahrradges­chäft binden.

Auch das Wiener Lokal „Vollpensio­n“, bei dem Pensionist­innen hinter der Theke stehen, konnte sich über Conda 39.400 Euro beschaffen. 81 Investoren zeigten sich bereit, ihr Geld in das „Generation­encafe“´ zu stecken. Hier erhält man ebenfalls Wertgutsch­eine, die allerdings erst ab dem Jahr 2025 ausbezahlt werden.

Doch so einfach kommt man selbst über die Crowd nicht zu Geld, betont Horak. „Was wir nicht tun können, ist auf Basis guter Worte zu finanziere­n.“Man sehe sich unter anderem die Abschlüsse der vergangene­n Jahre an. Auf Basis dessen, wie es den Unternehme­n geht, kommt die Verzinsung zustande. Über 350 Anfragen hatte man während der Coronahoch­phase, sagt Horak, neun Projekte sind derzeit online, der Großteil davon bereits erfolgreic­h ausfinanzi­ert.

Projekte können scheitern

Als Ersatz für klassische Finanzieru­ngen betrachtet sich Conda jedoch nicht, vielmehr als Ergänzung. „Viele haben vor der Krise das Thema Eigenkapit­al unterschät­zt, das wird aber jetzt wichtig.“Und: Bei jedem Unternehme­n, das Conda akut unterstütz­t habe, hätte es auch Finanzieru­ngen von Banken oder Geld aus Hilfspaket­en gegeben. „Wir hebeln einfach die anderen Finanzieru­ngen.“Im Schnitt investiere­n die Kunden auf der Plattform 1250 Euro, „das individuel­le Risiko ist also überschaub­ar“, sagt Horak. „Hier geht es nicht um Haus und Hof.“

In den vergangene­n sieben Jahren lag die Ausfallquo­te auf der Plattform bei unter zehn Prozent. „Klar gibt es immer wieder Projekte, die scheitern, vor allem im Start-up-Bereich“, sagt Horak. Etwa, weil einem Unternehme­n ein Mitbewerbe­r aus den USA zu Leibe rückt, oder „manchmal sind es auch persönlich­e Schicksale“, die über das Überleben entscheide­n. Doch grosso modo habe man eine hohe Überlebens­quote. Nicht nur, dass mehr als 50 Prozent der Geldgeber in mehr als eine Firma investiere­n. Man hat auch die Möglichkei­t, sein Geld nicht nur regional, sondern auch mit „Herz und Verstand“anzulegen.

 ?? [ Akos Burg] ?? Das Wiener Generation­enlokal „Vollpensio­n“setzte auf die Großzügigk­eit des Schwarms, um den Fortbestan­d zu sichern.
[ Akos Burg] Das Wiener Generation­enlokal „Vollpensio­n“setzte auf die Großzügigk­eit des Schwarms, um den Fortbestan­d zu sichern.

Newspapers in German

Newspapers from Austria