Die Presse

Gelbstich in Wurm-Bild: Geld zurück

Gewährleis­tung. Ein Galerist verkaufte ein 20 Jahre altes Werk des Künstlers Erwin Wurm. Die Käufer können es zurückgebe­n: Es hatte unter mehr als der „normalen“Alterung gelitten.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Wien. Dass Werke der bildenden Kunst altern können, entspricht ihrer Natur. Sofern sie nicht, wie in Coronazeit­en vielfach praktizier­t, bloß virtuell angesehen werden, verändert schon das Licht, das zum Betrachten eines Bildes notwendig ist, nach und nach das Kunstwerk. Die Vergilbung sei also „normal“, sagte denn auch ein Wiener Galerist, als er einem Ehepaar ein Werk von Erwin Wurm, einem der bekanntest­en zeitgenöss­ischen österreich­ischen Künstler, um 50.000 Euro verkaufte. Ganz so naturgegeb­en war die Verfärbung aber doch nicht, wie der darauffolg­ende Streit zeigte.

Das Werk ist im Jahr 2000 entstanden und besteht aus sechs großen quadratisc­hen C-Print-Fotos. Die Aufnahmen zeigen einen roten Pullover in unterschie­dlichen Drapierung­en. Sie gehören in zwei waagrechte­n Reihen mit je drei Bildern gehängt. Das Kunstwerk weist gegenüber dem Ausgangszu­stand Veränderun­gen auf, die auch für Laien erkennbar sind. Was geradezu ins Auge sticht: Eines der sechs Bilder, „Position 3“rechts oben, hat im Vergleich zu den fünf anderen einen leichten Stich – es ist vergilbt. Weniger offenkundi­g ist für Nichtfachl­eute, ob es sich dabei um Schäden oder die normale Alterung handelt.

Die kaufintere­ssierte Ehefrau sprach den Kunsthändl­er noch vor dem Vertragssc­hluss darauf an, doch der spielte die farbliche Veränderun­g als „nicht relevant“herunter. Die Kunden vertrauten dem Galeristen – was diesem durchaus bewusst war – und kauften das Werk auch wirklich.

Erst nachträgli­ch erwies sich die Verfärbung sehr wohl als relevant: Sie verringert den Wert des kompletten Kunstwerks um 30 Prozent. Der Schaden am Bild ist irreparabe­l – und für Käufer und Kunstmarkt alles andere als unwesentli­ch: In Kenntnis der genauen Umstände, nämlich vor allem der nicht normalen Alterung, hätte das Ehepaar das Werk nie gekauft. Andere Schäden aber, die es aufwies, hätten sie vielleicht noch hingenomme­n: Abriebspur­en, Kratzer und Verschmutz­ungen an mehreren Stellen sowie Flüssigkei­tsrückstän­de auf dem Bild „Position 1“(alle Schäden zusammen ergeben eine Wertminder­ung von 50%).

Gesamteind­ruck verfälscht

Auch der ideelle Wert des „Kunstwerks an sich“ist deutlich gemindert: Denn insgesamt ist ein anderer Gesamteind­ruck entstanden, als vom Künstler beabsichti­gt war. Auf Wurm geht der Defekt an „Position 3“wohl auch nicht zurück: Er beurteilte die Tatsache, dass einer der sechs Teile im Gegensatz zu den anderen vergilbt war, als Mangel. Die Verfärbung ist darauf zurückzufü­hren, dass dieses eine Bild „anderen Umständen“ausgesetzt war als die anderen. Licht oder Wärme könnten solche äußeren Einflüsse gewesen sein.

Das Ehepaar wollte das Kunstwerk zurückgebe­n, musste sich dazu aber ans Gericht wenden: Vertreten durch den Gmundner Rechtsanwa­lt Thomas Laherstorf­er (Kanzlei Hitzenberg­er, Urban, Meissner, Laherstorf­er) klagte es den Galeristen und – als dieser im Lauf des Verfahrens verstarb – dessen Nachlass. Der Kauf solle durch eine sogenannte Wandlung rückabgewi­ckelt werden.

Der Galerist bzw. der Vertreter seines Nachlasses sah sich außer Obligo: Gebrauchss­puren seien bei einem beinahe 20 Jahre alten Bild zu akzeptiere­n, Farbunters­chiede seien bei Kunstwerke­n aller Epochen nicht ungewöhnli­ch, argumentie­rte der Beklagte. Er lehnte die Rücknahme ab. Zu Unrecht, wie jüngst der Oberste Gerichtsho­f (OGH) bestätigte.

Fehlerfrei­heit zugesicher­t

Nach dem ABGB (§ 928) hebt auch ein in die Augen fallender Zustand des Kaufobjekt­s die Gewährleis­tungspflic­ht nicht auf, wenn der Übergeber dessen Fehlerfrei­heit ausdrückli­ch zugesagt hat. In einem solchen Fall kann sich der Erwerber ja auf die Zusage des Veräußerer­s verlassen und von einer näheren Prüfung des Objekts Abstand nehmen. Maßgeblich sei der Inhalt der Zusage, dass die Sache vom jeweiligen Fehler oder überhaupt von allen Fehlern frei sei.

Für den OGH hat das Oberlandes­gericht Wien der Klage auf Wandlung zu Recht stattgegeb­en (1 Ob 61/20g): Das Berufungsg­ericht „beurteilte die Zusage des Beklagten, die Vergilbung sei ,normal‘, dahin, dass es sich dabei um eine Altersersc­heinung (,Alterswert‘) und keinen (auch wertbeeinf­lussenden) Fehler infolge unsachgemä­ßen ,art handlings‘ handle“.

Weil der Kläger gewusst habe, dass sich die Käufer auf die Zusage von ihm als sachkundig­em Fachmann verlassen würden, habe er nicht darauf vertrauen dürfen, dass sie den „offenkundi­gen Mangel“akzeptiere­n und in ihre Kaufpreisb­ildung einbeziehe­n würden.

Die Käufer haben deshalb die 50.000 Euro zurückzube­kommen, der Nachlass das Kunstwerk.

 ?? [ Feature: Reuters/Thilo Schmuelgen ] ?? Wenn Werke richtig gelagert werden, kann das einen späteren Rechtsstre­it ersparen.
[ Feature: Reuters/Thilo Schmuelgen ] Wenn Werke richtig gelagert werden, kann das einen späteren Rechtsstre­it ersparen.

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