Die Presse

Jede Bewegung hat eine Geschichte

Tanz. Trotz Coronakris­e ist die in Wien lebende Tanzkünstl­erin Cat Jimenez gut gebucht. Beim Public-Moves-Festival von ImPulsTanz gibt sie diesen Sommer Hip-Hop-Klassen.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Von Coronablue­s keine Spur. Cat Jimenez bereitet gleich zwei Performanc­es für 2021 vor, probt u. a. mit Editta Braun in Salzburg. Das ImPulsTanz-Festival hat sie für mehrere Workshops in der Public-Moves-Reihe gebucht. „HipHop & Social Dance“steht bei ihr auf dem Plan. Jimenez ist froh, dass für heute kein Regen angekündig­t ist. Das Wetter hat schon den einen oder anderen Workshop platzen lassen. „Ich habe nur einmal für Elio Gervasi im Regen getanzt. Da war ich barfuß und habe House getanzt – das war super. Aber für Hip-Hop braucht man Grip. Richtigen Grip.“

Den Social Dance sie in den Titel dazugenomm­en, weil viele Hip-Hop-Basics ohnehin aus Social Dances entstanden und etwa vom Jazz Dance oder Steptanz inspiriert sind.

Wie alle Workshops ist auch der von Jimenez für jeden offen. Was darf man erwarten? „Bei Hip-Hop hat man ein konservati­ves MTV-Musikvideo-Bild: dass das eine Formation ist, eine Choreograf­ie, die für Publikum getanzt wird. Aber der Ursprung von Hip-Hop hat einen sozialen Aspekt.“Man stellt sich im Kreis (Cypher) auf, und eine Person tanzt in der Mitte. Daraus kann eine Art Wetttanzen (Battle) entstehen, oder man tanzt miteinande­r. „Das ist kein Showtanz. Es ist auch nicht schwierig. Es sind groovige Basic-Steps, und die tanzt man zusammen.“

Wettkämpfe im K.-o.-System

Wenn sie etwas veranschau­lichen will, springt Jimenez auf und demonstrie­rt mitten im Kaffeehaus, was sie meint. Den Bounce zum Beispiel, für den sie mit weichen Knien im Rhythmus wippt. „Jeder Basic-Step hat seinen Groove. Und das werden wir gemeinsam üben.“Dazu muss man das Hip-HopVokabul­ar nicht kennen. Auch Altersbesc­hränkung gibt es keine. „Durch die Musikindus­trie hat man das Gefühl, dass es sich um eine Jugendbewe­gung handelt, dass es nur ums Coolsein und um Mackertum geht“, sagt sie. Dass Hip-Hop patriarchi­sch und teilweise homophob sei, gelte vor allem für den Musikberei­ch, der eine andere Entwicklun­g genommen hat als der Tanz. Nur die Battle-Szene, wo Tänzer bei Wettkämpfe­n im K.-o.-System gegeneinan­der antreten, sei ein eigenes, machistisc­hes Kapitel.

Jimenez kann sich aber auch als Frau durchsetze­n. Früher hat sie selbst oft bei Battles mitgemacht. Kam ihr da ein Konkurrent mit einer Pose, die auf einen großen Penis hindeuten sollte, zeigte sie z. B. mit einer imaginiert­en Lupe: So groß ist er dann auch wieder nicht. Über den Machismus in der Szene zu diskutiere­n sei schwer. „Solche Posen gehören zur Tradition. Die wird von denen hochgehalt­en, die oldschool sind und diesen Tanz seit zwanzig, dreißig Jahren tanzen.“Hip-Hop sei fast so kodiert wie Ballett: Jede Bewegung hat eine Geschichte, einen Namen, eine Bedeutung. „Diese Codierung rechtferti­gt homophobe Gesten, weil sie Teil der Geschichte sind.“In den Battles gewinnt oft die männliche Energie, sagt sie. Das Aggressive, politisch Unkorrekte bleibt dann aber weitgehend dort. Denn nach dem Battle wird miteinande­r getanzt (Jam), man respektier­t einander – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Alter. „Dieses Gefühl will ich im Workshop vermitteln.“

„Dachte, ich werde Comiczeich­nerin“

Sie selbst nahm sich früher die Freiheit, als Tomboy zu gehen. In Männerklei­dung, die langen Haare zum Dutt gezwirbelt, gefiel sich die gebürtige Philippina darin, Teil der männerdomi­nierten Szene zu sein. „Bis heute nennen mich meine Freunde teilweise Bro.“Es gebe aber auch einige starke Frauen im Hip-Hop. Zwei weibliche Identifika­tionsfigur­en inspiriert­en Jimenez in ihren Anfängen: „Nina Kripas hat für mich alles verkörpert, was mir im Hip-Hop-Tanz damals in Wien gefehlt hat. Und Dani Cell ist eine charmante, energiegel­adene Breakdance­rin.“Die Begegnung mit den beiden war für Jimenez wegweisend. Dass sie Künstlerin werden wollte, wusste sie zwar schon in der Volksschul­e. „Da habe ich aber noch gedacht, ich werde Comiczeich­nerin.“Animes waren für sie eine wichtige Verbindung zur asiatische­n Kultur ihrer früheren Heimat, die sie nur aus vagen Erinnerung­en und von Reisen kannte. Erst mit 20 begann sie zu tanzen, besuchte Workshops, betrieb Research in Japan und New York und kam gern wieder nach Wien zurück. Hier kann man sich bei ihren Workshops auf der Donauinsel (27. 7. und 25. 8.), im Arkadenhof des Rathauses (30. 7.) und in der Seestadt Aspern (29. 8.) von ihrer Begeisteru­ng für den HipHop anstecken lassen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria