Jede Bewegung hat eine Geschichte
Tanz. Trotz Coronakrise ist die in Wien lebende Tanzkünstlerin Cat Jimenez gut gebucht. Beim Public-Moves-Festival von ImPulsTanz gibt sie diesen Sommer Hip-Hop-Klassen.
Von Coronablues keine Spur. Cat Jimenez bereitet gleich zwei Performances für 2021 vor, probt u. a. mit Editta Braun in Salzburg. Das ImPulsTanz-Festival hat sie für mehrere Workshops in der Public-Moves-Reihe gebucht. „HipHop & Social Dance“steht bei ihr auf dem Plan. Jimenez ist froh, dass für heute kein Regen angekündigt ist. Das Wetter hat schon den einen oder anderen Workshop platzen lassen. „Ich habe nur einmal für Elio Gervasi im Regen getanzt. Da war ich barfuß und habe House getanzt – das war super. Aber für Hip-Hop braucht man Grip. Richtigen Grip.“
Den Social Dance sie in den Titel dazugenommen, weil viele Hip-Hop-Basics ohnehin aus Social Dances entstanden und etwa vom Jazz Dance oder Steptanz inspiriert sind.
Wie alle Workshops ist auch der von Jimenez für jeden offen. Was darf man erwarten? „Bei Hip-Hop hat man ein konservatives MTV-Musikvideo-Bild: dass das eine Formation ist, eine Choreografie, die für Publikum getanzt wird. Aber der Ursprung von Hip-Hop hat einen sozialen Aspekt.“Man stellt sich im Kreis (Cypher) auf, und eine Person tanzt in der Mitte. Daraus kann eine Art Wetttanzen (Battle) entstehen, oder man tanzt miteinander. „Das ist kein Showtanz. Es ist auch nicht schwierig. Es sind groovige Basic-Steps, und die tanzt man zusammen.“
Wettkämpfe im K.-o.-System
Wenn sie etwas veranschaulichen will, springt Jimenez auf und demonstriert mitten im Kaffeehaus, was sie meint. Den Bounce zum Beispiel, für den sie mit weichen Knien im Rhythmus wippt. „Jeder Basic-Step hat seinen Groove. Und das werden wir gemeinsam üben.“Dazu muss man das Hip-HopVokabular nicht kennen. Auch Altersbeschränkung gibt es keine. „Durch die Musikindustrie hat man das Gefühl, dass es sich um eine Jugendbewegung handelt, dass es nur ums Coolsein und um Mackertum geht“, sagt sie. Dass Hip-Hop patriarchisch und teilweise homophob sei, gelte vor allem für den Musikbereich, der eine andere Entwicklung genommen hat als der Tanz. Nur die Battle-Szene, wo Tänzer bei Wettkämpfen im K.-o.-System gegeneinander antreten, sei ein eigenes, machistisches Kapitel.
Jimenez kann sich aber auch als Frau durchsetzen. Früher hat sie selbst oft bei Battles mitgemacht. Kam ihr da ein Konkurrent mit einer Pose, die auf einen großen Penis hindeuten sollte, zeigte sie z. B. mit einer imaginierten Lupe: So groß ist er dann auch wieder nicht. Über den Machismus in der Szene zu diskutieren sei schwer. „Solche Posen gehören zur Tradition. Die wird von denen hochgehalten, die oldschool sind und diesen Tanz seit zwanzig, dreißig Jahren tanzen.“Hip-Hop sei fast so kodiert wie Ballett: Jede Bewegung hat eine Geschichte, einen Namen, eine Bedeutung. „Diese Codierung rechtfertigt homophobe Gesten, weil sie Teil der Geschichte sind.“In den Battles gewinnt oft die männliche Energie, sagt sie. Das Aggressive, politisch Unkorrekte bleibt dann aber weitgehend dort. Denn nach dem Battle wird miteinander getanzt (Jam), man respektiert einander – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Alter. „Dieses Gefühl will ich im Workshop vermitteln.“
„Dachte, ich werde Comiczeichnerin“
Sie selbst nahm sich früher die Freiheit, als Tomboy zu gehen. In Männerkleidung, die langen Haare zum Dutt gezwirbelt, gefiel sich die gebürtige Philippina darin, Teil der männerdominierten Szene zu sein. „Bis heute nennen mich meine Freunde teilweise Bro.“Es gebe aber auch einige starke Frauen im Hip-Hop. Zwei weibliche Identifikationsfiguren inspirierten Jimenez in ihren Anfängen: „Nina Kripas hat für mich alles verkörpert, was mir im Hip-Hop-Tanz damals in Wien gefehlt hat. Und Dani Cell ist eine charmante, energiegeladene Breakdancerin.“Die Begegnung mit den beiden war für Jimenez wegweisend. Dass sie Künstlerin werden wollte, wusste sie zwar schon in der Volksschule. „Da habe ich aber noch gedacht, ich werde Comiczeichnerin.“Animes waren für sie eine wichtige Verbindung zur asiatischen Kultur ihrer früheren Heimat, die sie nur aus vagen Erinnerungen und von Reisen kannte. Erst mit 20 begann sie zu tanzen, besuchte Workshops, betrieb Research in Japan und New York und kam gern wieder nach Wien zurück. Hier kann man sich bei ihren Workshops auf der Donauinsel (27. 7. und 25. 8.), im Arkadenhof des Rathauses (30. 7.) und in der Seestadt Aspern (29. 8.) von ihrer Begeisterung für den HipHop anstecken lassen.