Die Presse

Vom enormen Nutzen der globalen Zusammenar­beit

Zu einer Zeit, zu der Kooperatio­n zur Bewältigun­g aktueller Herausford­erungen wichtiger denn je wäre, ist sie rückläufig.

- VON BØRGE BRENDE

Ende Juni warnte UN-Generalsek­retär Antonio´ Guterres in Bezug auf die zersplitte­rte Reaktion auf die Covid-19-Krise: „Es besteht ein völliger Mangel an Koordinati­on zwischen den Ländern.“Einige gingen noch weiter, zogen Beispiele aus der Geschichte heran und verglichen die weltweite Suche nach einem Impfstoff gegen das Coronaviru­s mit dem Wettlauf zwischen den Vereinigte­n Staaten und der Sowjetunio­n in den Weltraum, bei dem jede Seite auf Kosten des anderen die Nase vorn haben wollte.

Obwohl es bedauerlic­h ist, sollte doch nicht überrasche­n, dass es im Kampf gegen Covid-19 einen Mangel an weltweiter Zusammenar­beit gibt und sogar eine neue Front im globalen Wettbewerb erstanden ist. Schließlic­h traf die Pandemie eine ohnehin schon unruhige Welt – eine Welt, in der tiefgreife­nde Machtversc­hiebungen im Gang sind und in der die Instinkte des Wettstreit­s die kooperativ­en Denkweisen überlagern.

Das Coronaviru­s könnte aber auch dazu beitragen, die Instinkte der Kooperatio­n neu zu beleben, indem es globale Akteure daran erinnert, dass Zusammenar­beit der Schlüssel ist, um gemeinsam Prioritäte­n zu setzen und um eigene Interessen voranzubri­ngen. Das Wirtschaft­ssystem ist dabei vielleicht das beste Beispiel dafür, wie die Reibungen schon vor Ausbruch der Coronapand­emie zugenommen haben.

Zunehmende Spannungen

Zwischen 1990 und 2015 ging die extreme Armut von fast 36 Prozent der Weltbevölk­erung auf zehn Prozent zurück. Während des gleichen Zeitraums stiegen die Einkommen der untersten 40 Prozent der Weltbevölk­erung um fast 50 Prozent.

Dieses Ergebnis war vor allem aufgrund einer stärker integriert­en Weltwirtsc­haft und globaler Wertschöpf­ungsketten möglich. Die Abschaffun­g dieses Systems wäre mit hohen Kosten verbunden, würde zu geringerem Wachstum und weniger Arbeitsplä­tzen führen. Wir sollten nicht vergessen, dass fast 50 Prozent des Welthandel­s die globalen Wertschöpf­ungsketten betreffen.

Doch dieses System zur Förderung des gemeinsame­n Wohlstands – wenn es auch ein unvollkomm­enes System ist – wurde in den vergangene­n Jahren als Mechanismu­s zur Bestrafung von Rivalen eingesetzt. Beim Handel geht es heute weniger um die Schaffung von Win-win-Vereinbaru­ngen als vielmehr darum, sich auf Kosten eines Konkurrent­en Vorteile zu verschaffe­n.

Ende 2019 warnte der Internatio­nale Währungsfo­nds davor, dass die steigenden Spannungen im Welthandel das globale Wirtschaft­swachstum im Jahr 2020 um etwa 700 Milliarden Dollar bremsen würden.

Die zunehmende­n Spannungen zeigten sich auch im Bereich der Technologi­e. Nach

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