Wie ein Kalter Krieg entschärft wird
Ein eindrucksvoller Sammelband beleuchtet die Entspannungspolitik der 1970er-Jahre.
Gerade rast die Welt ungebremst hinein in einen neuen Kalten Krieg, dieses Mal zwischen den USA und der Volksrepublik China. Schon ziehen Experten Vergleiche zwischen diesem neuen und dem alten Kalten Krieg zwischen 1947 und 1989/91 mit den USA und der Sowjetunion als unerbittliche Kontrahenten. Dieser eindrucksvolle 800-seitige Band beleuchtet die wichtige Phase der 1960er- und 1970er-Jahre, als erste Entspannungssignale zwischen Ost und West das Ende der jahrzehntelangen Konfrontation an der Schwelle zum Atomkrieg einläuteten.
Die teilweise Öffnung von russischen Archiven ermöglicht neue Einblicke in das damalige Geschehen. So zeigt sich, dass es vor allem der damalige sowjetische Staats- und Parteichef Leonid
Breschnjew war, der den Entspannungskurs ermöglichte. Die sowjetische Wirtschaft dümpelte dahin und benötigte dringend Impulse durch westliches Know-how sowie Devisen aus den Rohstoffexporten. Gleichzeitig brauchte Moskau „Ruhe an der Westfront“, um resolut gegenüber Maos China auftreten zu können.
Willy Brandt, so eine weitere Erkenntnis, war mit seiner „Ostpolitik“nicht Initiator der Entspannung, vielmehr habe er an bereits in der Ära Adenauer angelegten Leitlinien festgehalten. Ergebnis war dann der 1970 in Moskau unterzeichnete deutsch-sowjetische Gewaltverzichtsvertrag.
Dieser Moskauer Vertrag setzte in weiterer Folge einen Prozess in Gang, der in die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) 1975 in Helsinki mündete. 33 Aufsätze von Fachhistorikern beleuchten diese Hochphase der Ost-West-Entspannung aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln, wobei vor allem die Beiträge der Forscher aus den früheren Warschauer-Pakt-Mitgliedsstaaten in Mittelosteuropa besonders interessant sind. Ein rundum gelungener Sammelband also, den vielleicht auch Leute in Washington und Peking studieren sollten, wenn sie künftig einmal ihre Spannungen wieder abbauen wollen. (b.b.)