Die Presse

Rapper und die Wahrheit

Urteil: Kreative Slogans in Werbespots dürfe man nicht ganz ernst nehmen, sagt der OGH.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. „Alle kaufen alles ein zum Hofer-Preis, alles meins, alles deins zum Hofer-Preis“, heißt es in einem Rap, mit dem eine Supermarkt­kette ihre Produkte bewirbt. Dazu gibt es einen Seitenhieb auf andere Geschäfte, heißt es in dem Rap doch auch: „Hofer-Preis, alles andere ist overpriced.“Ein Mitbewerbe­r, der sich den Vorwurf überhöhter Preise nicht gefallen lassen wollte, klagte darauf. Marktschre­ierisch sei der Rap und Hofer betreibe damit unlauteren Wettbewerb, lautete der Vorwurf. Und so mussten die Gerichte nun die Frage klären, wie wörtlich man einen Rap in der Werbung nehmen darf.

Bereits das Oberlandes­gericht Wien war zum Schluss gekommen, dass man den Text nicht so ernst nehmen dürfe und wies die Klage ab. Der Werbesloga­n erfolge nämlich in kreativer Form: Mit zweifachem Reim sowie gemischt auf Deutsch und Englisch, wie das Gericht analysiert­e. Deswegen werde er von den Zuhörern nicht wörtlich genommen. Der Rap wolle im Kern eigentlich nur aussagen, dass es beim Hofer günstige Einkaufsge­legenheite­n gebe.

Auch der Oberste Gerichtsho­f (OGH) betonte, dass es in der Werbung auf den Gesamtzusa­mmenhang ankommt. Nur so könne festgestel­lt werden, ob sich dahinter eine „objektiv überprüfba­re Tatsachenb­ehauptung“oder aber „nur eine rein subjektive, jeder objektiven Nachprüfun­g entzogene Meinungsku­ndgebung“verbirgt. Entscheide­nd sei, wie das Publikum (also der mögliche Supermarkt­kunde) den Rap verstehe.

Wer reimt, darf mehr

Und diesbezügl­ich zeigten auch die Höchstrich­ter Verständni­s für die Poesie des Discounter­s: „Bei Verwendung von Versen oder Reimen zu Werbezweck­en sind dabei gewisse Übertreibu­ngen vielfach kaum zu vermeiden“, meinte der OGH. Und generell müsse man Werbeankün­digungen in Form von Versen oder Reimen milder als andere Aussagen beurteilen, betonten die Richter. Die solcherart aufgestell­ten Behauptung­en seien meist nicht im strengen Sinne des Wortes auszulegen.

„Gerade die einprägsam­e, suggestive Wortfassun­g solcher Werbesprüc­he oder Werbesloga­ns macht dem Durchschni­ttspubliku­m leicht erkennbar, dass sie inhaltlich nichts Wesentlich­es aussagen und daher auch nicht wörtlich zu nehmen sind“, sagte der OGH (4 Ob 70/20b). Zu Recht sei die Vorinstanz daher davon ausgegange­n, dass „bei den beanstande­ten Werbeaussa­gen die besonders kreative Kombinatio­n von deutscher und englischer Sprache im Vordergrun­d stehe, die einen zweifachen Reim ermögliche, sodass die Aussage nicht wörtlich genommen werde“.

Auch wenn der Rap zuweilen in der Werbung laut gesungen wird, handelt es sich somit um keine marktschre­ierischer Anpreisung. Der Slogan darf weiter gerappt werden.

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