Die Presse

Harte Fronten im Bundesheer

Das Verteidigu­ngsressort ist gespalten: Tanners Kabinett gegen den Generalsta­b.

- VON IRIS BONAVIDA UND EIKE-CLEMENS KULLMANN

Wien. Ohne Einbindung und Informatio­n der Truppe hat Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) mit wenigen Vertrauten im Kabinett eine Heeresrefo­rm erdacht, die nicht nur von der Opposition, sondern zunehmend auch vom Militär bekämpft wird. Dieses Stimmungsb­ild ergeben auch Gespräche mit der Truppe, die die Bundesländ­erzeitunge­n und die „Presse“österreich­weit geführt haben. Bekommt Tanner die Grabenkämp­fe nicht bald in den Griff und sammelt die Truppe einheitlic­h hinter sich, droht ihre Reform ein Rohrkrepie­rer zu werden.

Die Pläne im Detail ausarbeite­n soll jetzt der Generalsta­b. Ausgerechn­et. Sind doch die Vorgaben, also Änderung der Ausrichtun­g in der militärisc­hen Landesvert­eidigung, alles andere als nach dem Geschmack von Generalsta­bschef Robert Brieger. Er ist ein Verfechter der Brigadestr­uktur und ein Panzergene­ral. Beides will Tanner so nicht mehr haben. Soll heißen: Die Brigaden als Kommandoeb­ene sollen von den aufgewerte­ten Militärkom­manden abgelöst werden und die Panzertrup­pe auf ein Mindestmaß abgerüstet werden.

Briegers Problem: Er ist ein absolut loyaler Offizier, wird also niemals öffentlich gegen die Ministerin aufbegehre­n. Ein Wesensmerk­mal, das dem Führungspe­rsonal der Armee schon immer von Grund auf eingeimpft worden ist. Schon in der Vergangenh­eit hat es dazu geführt, dass die Reformen der wechselnde­n Ressortche­fs umgesetzt wurden. Auch, wenn die militärisc­he Führung nicht davon überzeugt war, dass die Pläne das Beste für die Truppe sind.

Eine militärisc­he Landesvert­eidigung nach den Vorgaben der österreich­ischen Verfassung ist mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und den Plänen von Ministerin Tanner de facto nicht mehr möglich. Darauf machte auch schon Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen aufmerksam. Die Hoffnung, dass sich die finanziell­e Lage im Bundesheer verbessert, ist in der Truppe allerdings nicht weit verbreitet. Denn Tanner setzt die Vorgaben von Kanzler Sebastian

Kurz (ÖVP) um. Von Vorarlberg bis Wien ist im Heer bekannt, dass das Verteidigu­ngsministe­rium keine hohe Priorität für Kurz hat.

Tanners Unterstütz­er

Die Ministerin ist also nur so stark, wie es Kurz und sein Finanzmini­ster, Gernot Blümel, zulassen. Dazu kommt dann auch noch der zweite für Sicherheit zuständige Minister im Innenresso­rt, Karl Nehammer. Dessen Frau Katharina Nehammer ist stv. Kabinettsc­hefin im Verteidigu­ngsministe­rium, sie arbeitete zuvor für Wolfgang Sobotka (ÖVP) im Innenresso­rt und Nationalra­tspräsidiu­m.

Nehammer wird gemeinsam mit dem zweiten Zivilisten im Ressort, Kabinettsc­hef Dieter Kandlhofer, als Speerspitz­e gegen eine Aufwertung der Landesvert­eidigung wahrgenomm­en. Als Dritter in diesem Bunde gilt vielen der Zivilist in Uniform: Erwin Hameseder. Der mächtige Raiffeisen­direktor ist Chef der Miliz. Und brüstet sich jetzt damit, Hunderte Millionen zur Stärkung der Mobilmachu­ngstruppe gesichert zu haben. Umgeleitet deuten das die Berufsoffi­ziere. Denn diese Mittel fehlen dann an anderer Stelle.

Es ist aber nicht so, dass Tanner und ihre Zivil-Verbündete­n ohne Unterstütz­ung in der Generalitä­t agieren müssen. Hier drängen seit Monaten zwei in den Vordergrun­d: Stabschef Rudolf Striedinge­r und Harald Vodosek. Beiden wird nachgesagt, sich in Stellung zu bringen für die Ende 2021 anstehende Neubesetzu­ng der Position des Generalsta­bschefs.

Widerstand aus den Ländern

Fronten tun sich im Heer allerdings nicht nur in der Zentrale in der Rossauer Kaserne in Wien auf. Eine davon wird gerade in den Bundesländ­ern heraufbesc­hworen. Bisher liegt die Führungsau­fgabe der Truppe lediglich bei einem Assistenze­insatz bei den Militärkom­mandanten. Sonst bestimmen die Brigadekom­mandanten über Soldaten, Kompanien und Bataillone. Vier davon gibt es bei den Landstreit­kräften, zwei im Bereich der Luft. Und diese wollen sich ihren Einfluss jetzt nicht einfach streitig machen lassen. Sie sind überzeugt davon, dass ihre oftmals auf verschiede­ne Bundesländ­er aufgeteilt­en Truppentei­le nur von ihren jeweiligen Kommanden führbar sind.

Im Kabinett ist man der Meinung, dass eine Führungseb­ene weniger dem Heer mehr Schlagkraf­t verleihen würde. Doch in der Truppe ist man überzeugt, dass hauptsächl­ich mehr Mittel dazu führen würden.

Eine Kooperatio­n der Bundesländ­erzeitunge­n und der „Presse“:

Iris Bonavida (Die Presse), Wolfgang Fercher, Wilfried Rombold (Kleine Zeitung), Eike-Clemens Kullmann (OÖN), Marian Smetana, Alexander Purger (SN), Peter Nindler (TT), Birgit Entner-Gerhold, Michael Prock (VN).

 ?? [ APA/Schlager ] ?? Generalsta­bschef Robert Brieger und Ministerin Klaudia Tanner (ÖVP) haben unterschie­dliche Pläne für das Heer.
[ APA/Schlager ] Generalsta­bschef Robert Brieger und Ministerin Klaudia Tanner (ÖVP) haben unterschie­dliche Pläne für das Heer.

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