Österreichs stiller Corona- Cluster
Salzkammergut. In St. Wolfgang wurden bis Sonntag 48 positive CoronaFälle gezählt. Im Ort und in der Regierung ist man um Ruhe bemüht. Vergleiche mit Orten wie Ischgl werden erbost zurückgewiesen.
Wien. Urlaub in Österreich hat plötzlich einen unerwünschten Beigeschmack bekommen. Während die Bundesregierung im Gleichklang mit der Tourismuswirtschaft den Urlaub im Land seit Wochen propagiert, ist im beschaulichen St. Wolfgang im oberösterreichischen Salzkammergut ein Corona-Cluster ausgebrochen. Dort ist man bemüht, den Ball flach zu halten und Ruhe zu bewahren. Im Ort selbst herrscht Gelassenheit. Die wichtigsten Fragen.
1 Wie ist die aktuelle Lage in St. Wolfgang? Wie viele Menschen wurden positiv getestet?
Derzeit werden laufend Testergebnisse ausgewertet. Mit Stand Sonntag 15 Uhr gab es in St. Wolfgang 48 positive Fälle. Diese Zahl schließt 230 neue Testergebnisse vom Samstag mit ein. Ein Großteil davon betrifft junge Praktikantinnen und Praktikanten, die in der Hotellerie tätig sind und aus unterschiedlichen Bundesländern stammen. Am Sonntag wurden 419 neue Tests gemacht, die noch ausgewertet werden müssen.
„Alle Fälle, die in St. Wolfgang waren, sind nicht mehr in St. Wolfgang“, sagt Sprecher Arno Perfaller, der betroffene Hoteliers bei Medienanfragen unterstützt. Die positiv getesteten Praktikanten sind also wieder zu Hause und in Quarantäne.
2 Wie reagiert man auf diesen Cluster? Wie ist die Stimmung im Ort?
In der Region selbst ist man um Gelassenheit bemüht. Man warte auf die aktuellen Zahlen und werde bei Bedarf etwaigeg Maß
nahmen anpassen, heißt es. Ähnliches hört man aus dem Gesundheitsministerium. Ob Verschärfungen geplant sind oder gar der ganze Ort unter Quarantäne gestellt werden soll, das könne man derzeit nicht beantworten, so Ministeriumssprecher Adrian Hinterreither. Man arbeite gut mit dem Land und der Ages zusammen. Die vielen Testungen seien eine gute Vorgangsweise.
„Ein erster großer Schritt war, die Sperrstunde auf 23 Uhr festzulegen“, sagt Karin Mühlenberger, Sprecherin von Landesrätin Christine Haberlander. Die Verordnung gilt in der Gemeinde vorerst bis 2. August. Auch die Verschärfung der Maskenpflicht sei hilfreich gewesen, sagt Hotelier-Sprecher Perfaller. Die Marktgemeinde bittet in einem Schreiben Bewohner und Gäste, die bekannten Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten.
Die Stimmung in St. Wolfgang ist ebenso wie rund um den gesamten Wolfgangsee erstaunlich gut. Natürlich sei das Virus hier Thema, aber es werde „unaufgeregt und professionell“damit umgegangen, erzählt ein jahrzehntelanger Stammgast. In Orten wie St. Gilgen am westlichen Seeufer, das bereits zum Bundesland Salzburg gehört, halten sich Urlauber und Einheimische seit Freitag strikt an die Maskenpflicht.
Andere Urlauber in St. Wolfgang berichten, dass der Test-Drive-In beim Roten Kreuz im Ort, wo man kostenlos einen PCR-Test machen kann, problemlos funktioniere. Mit einer Stunde Wartezeit müsse man aber rechnen. Das Ergebnis wird 48 Stunden später an die betreffenden Personen geschickt.
3 Was bedeutet das für den Tourismus in der Region?
Seit dem Wochenende trudeln vermehrt Stornierungen von Gästen ein. Auf die Frage, inwieweit diese zugenommen haben, meint Hans Wieser, Geschäftsführer von Wolfgangsee Tourismus: „Hätten Sie mich das am Samstag gefragt, hätte ich gesagt ,nicht besorgniserregend’. Seit Sonntag beobachten wir aber verstärkt Stornierungen.“Er führt das auf deutsche Medien zurück, die teilweise Unwahrheiten, wie Schließungen von Betrieben, berichten würden. „Die Betriebe sind in der Regel sehr großzügig, was die Stornobedingungen betrifft“, sagt er.
Es gebe aber auch Fälle, wo Gäste kurzfristig buchen, in der Annahme, dass nun eben wieder Zimmer frei geworden sind. Manche Häuser wie das Hotel Post seien etwa komplett ausgebucht.
Ein gewisser Unmut sowohl unter Einheimischen wie Stammgästen ist spürbar, wenn es um die Medienberichte geht, in denen vom „Party-Cluster St. Wolfgang“die Rede ist und in denen Vergleiche zum Apre´s-Ski-Ort Ischgl gestellt. St. Wolfgang als Partyhochburg zu bezeichnen, halten viele für lächerlich. Es gibt dort weder Clubs noch Bars, wo man sich spätabends trifft.
4 Wie reagiert die Bundesregierung auf die Corona- Fälle in St. Wolfgang?
Die Bundesregierung ist bemüht darin, keine Panik über die steigende Zahl der Fälle aufkommen zu lassen. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sagte schon am Freitag, dass „Alarmismus jetzt fehl am Platz“sei. Die Nachverfolgung der Betroffenen in St. Wolfgang habe funktioniert, die Infizierten seien rasch isoliert worden. Eine „Mahnung“,g wie sie Innenminister Karl Nehammer (ÖV P) Ende Mai an Wien aussprach, wollte man nach Oberösterreich nicht schicken. Auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) meinte, er habe Vertrauen in die oberösterreichische Landesbehörden. Die Opposition übt hingegen Kritik: „Von den angekündigten 65.000 Tests in Tourismusgebieten ist weit und breit keine Spur“, sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch am Sonntag.