Corona-Rückfall trifft Spaniens Tourismusindustrie
Zweite Welle. Spanien verzeichnet einen Rekord von Neuinfektionen. Auch 700 Erntehelfer sind erkrankt.
Madrid. Spaniens Tourismusindustrie ist geschockt: Großbritannien, Heimat der traditionell wichtigsten Urlaubsklientel für die iberische Halbinsel, ordnete am Wochenende über Nacht völlig überraschend eine Quarantäne für alle Rückkehrer aus dem Mittelmeerland an. „Das kommt einem Reiseverbot nach Spanien gleich“, urteilte ein spanischer Tourismusfachmann. Er warf die rhetorische Frage auf: Welcher Brite werde nun noch nach Spanien reisen, wenn er nach der Heimkehr zwei Wochen in Quarantäne müsse? Die Briten stellen mehr als ein Fünftel der ausländischen Touristen.
Das Außenministerium in London begründete die Quarantäne-Pflicht am Sonntagfrüh mit dem stark gestiegenen Infektionsrisiko in Spanien. Zuvor hatte Norwegen ebenfalls eine Quarantäne für Spanien-Touristen ausgesprochen.
Nach der Statistik des EUZentrums für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hat Spanien die höchste Zahl von Neuinfektionen in ganz Südeuropa. Mit einer Rate von 39,4 Fällen pro 100.000 Einwohnern in 14 Tagen verzeichnet Spanien inzwischen ein sehr viel höheres Ansteckungsrisiko als zum Beispiel Deutschland (7,8), Italien (5,0), Frankreich (14,6), Österreich (17,5) oder Großbritannien (14,6). Auch die Türkei steht, wenigstens statistisch gesehen, besser als Spanien da.
Nachtleben wurde eingeschränkt
Die neuen Corona-Brennpunkte in Spanien sind vor allem die nördlichen Regionen Katalonien, Aragonien, Navarra und das Baskenland. Das Virus breitet sich nun nach Angaben der Gesundheitsbehörden bevorzugt unter jüngeren Leuten aus, die in der Sommerlaune alle Vorsichtsmaßnahmen vergessen. Discos, Bars, Biergärten und andere Party-Lokalitäten, wo üblicherweise bis tief in die Nacht gefeiert wird, wurden als Infektionsorte identifiziert. Vielerorts wurde deswegen das Nachtleben eingeschränkt.
Zudem erweist sich die spanische Landwirtschaft derzeit als Risikobranche: Mindestens 700 Erntehelfer, meist afrikanische Immigranten, die als Wanderarbeiter auf Obstfeldern und Weinplantagen in Nordspanien arbeiteten, sind nach offiziellen Angaben erkrankt.
Zusammen mit der Zwangsquarantäne für alle Spanien-Rückkehrer gab London eine Reisewarnung für das spanische Festland aus, wo die Zahl der Neuinfektionen seit Wochen kontinuierlich steigt. Für die Balearischen Inseln, insbesonders das beliebte Mallorca, sowie die Kanarischen Inseln gilt diese Warnung nicht. Denn auf den Ferieninseln, die auch bei der ersten Viruswelle im Frühjahr schon glimpflicher davonkamen, scheint die Coronalage bisher unter Kontrolle.
Auf Mallorca ist die Lage noch im Griff
Auf Mallorca zum Beispiel werden nur wenige neue Erkrankungen registriert. Allerdings wurde vergangene Woche eine vierköpfige deutsche Familie nach einem Mallorca-Urlaub positiv getestet. Es ist bisher aber noch unklar, ob sich die zwei Erwachsenen und zwei Kinder tatsächlich auf der Insel angesteckt haben.
Andere europäische Länder raten inzwischen ebenfalls vor Reisen in einige spanische Corona-Hotspots ab. So warnt Frankreich zum Beispiel vor Ferienreisen in die spanische Nachbarregion Katalonien. Zu Katalonien gehört die populäre Urlaubsküste Costa Brava und die Mittelmeermetropole Barcelona. Katalonien ist Spaniens meistbesuchte Urlaubsregion und vor allem bei den Franzosen beliebt.
Österreich warnt mittlerweile grundsätzlich vor „nicht unbedingt notwendigen Reisen“nach Spanien. Deutschland, nach Großbritannien zweitwichtigstes Herkunftsland der Spanien-Urlauber, beschränkt sich derzeit noch auf eine Reisewarnung für einige lokale Hotspots im nördlichen Spanien wie etwa die katalanische Provinz Lleida und die aragonische Stadt Saragossa.
Spanien sei ein „sicheres“Land, die Lage unter Kontrolle, hieß es seitens der Regierung in Madrid. Die Regionalregierung in Katalonien hat am Wochenende alle Diskotheken und Konzertsäle geschlossen. Seit Samstag gilt zudem eine mitternächtliche Sperrstunde für Bars, Restaurants, Spielhallen und Casinos. Die verschärften Regelungen gelten zunächst für zwei Wochen. Auf den Balearen ist eine Maskenpflicht in Kraft.
Das kommt einem Reiseverbot nach Spanien gleich.
Ein spanischer Tourismusfachmann