Die Presse

London schickt Spanien-Urlauber in Quarantäne

Großbritan­nien. Außenminis­ter Dominic Raab wehrt Kritik an schlagarti­g verfügter Maßnahme ab. Auch Verkehrsmi­nister Shapps ist betroffen.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

London. Es geht doch nichts über britisches Understate­ment. „Es wäre schon nett gewesen, uns ein wenig früher zu warnen“, sagte Sharon Sonntagfrü­h bei ihrer Rückkehr aus ihrem Spanien-Urlaub. Nur wenige Stunden zuvor hatte die britische Regierung ab Mitternach­t die Wiedereinf­ührung der Quarantäne­pflicht von 14 Tagen für die Einreise aus Spanien verfügt, nachdem die Zahl der Corona-Neuinfekti­onen stark gestiegen war.

Spanien ist das beliebtest­e Reiseland der Briten. Im Vorjahr machten mehr als 18 Millionen Briten zwischen Barcelona und Cadiz´ Urlaub. „Ich habe meinem Freund eine Überraschu­ngsreise nach Sevilla zum 30. Geburtstag geschenkt“, berichtete die Lehrerin Lois aus Yorkshire der BBC. „Unter diesen Umständen können wir nicht fahren und sind sehr enttäuscht. Wenn wir nach der Rückkehr in die Isolation müssen, sind unsere Jobs in Gefahr.“Briten, die in Spanien von der Maßnahme überrascht wurden, zeigten sich „schockiert“, „verärgert“, aber auch resigniert. Stuart aus Essex meinte: „Es hat überhaupt keinen Sinn. Aber wir müssen es akzeptiere­n.“

Die Regierung hatte darauf gesetzt, mit der Wiederzula­ssung von Direktflüg­en zu den beliebtest­en Urlaubsdes­tinationen im Süden ein wenig Entspannun­g in die durch die Coronakris­e gereizte Stimmung zu bringen. Außenminis­ter Dominic Raab wies die Kritik der Opposition an dem „chaotische­n“Vorgehen pampig zurück: „Wir werden uns nicht dafür entschuldi­gen, dass wir rasch und geschlosse­n gehandelt haben.“

Die Regierung verhängte die Maßnahme, nachdem in Katalonien zuletzt täglich mehr als 900 Fälle von Neuinfekti­onen verzeichne­t worden waren. Dort waren die Strände überfüllt und „social distancing nicht durchführb­ar“, wie die dortige Polizei erklärte. Es wurde so rasch entschiede­n, dass auch Verkehrsmi­nister Grant Shapps am falschen Fuß erwischt wurde. „Dass ausgerechn­et der Verkehrsmi­nister zu den Betroffene­n gehört, hätte man nicht einmal erfinden können“, spottete Labour-Gesundheit­ssprecher Jonathan Ashworth. „Mehr muss man über diese Regierung nicht mehr sagen.“

Die britische Luftfahrti­ndustrie reagierte „mit Entsetzen“. Die Urlaubsplä­ne „Tausender Briten werden ins Chaos gestürzt“, warnte British Airways. Der größte britische Reiseveran­stalter TUI setzte bis 9. August alle Spanienrei­sen aus. Die Tourismusb­ranche verlangte anstelle grober und großflächi­ger Maßnahmen gezielte Schritte: „Wir befürworte­n freiwillig­e Tests bei der Ein- und Ausreise anstelle einer Quarantäne für alle.“

Kontrolle kaum möglich

Dies umso mehr als die Verpflicht­ung zur 14-tägigen Selbstisol­ierung nach der Einreise schon in den vergangene­n Monaten vorwiegend Spott und Häme nach sich gezogen hatte. Die Einführung hat vor allem dem Tourismus geschadet. Nach der Landung dürfen Einreisend­e mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln nach Hause fahren. Ob sie sich dann an die Vorschrift­en halten, ist kaum überprüfba­r: „Wenn jemand nicht gerade Buckingham Palace als Wohnadress­e angibt, haben wir kaum eine Chance, dem nachzugehe­n“, sagt ein Grenzbeamt­er.

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[ Action Press / picturedes­k.com ] An der Costa del Sol nahe Malaga´ fallen die Distanz-Schranken. Spaniens Südküste ist eine der beliebtest­en Urlaubsdes­tinationen für Briten.

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