Keine Lust auf Olympia 2021 in Tokio
Japan. Die Mehrheit der Japaner wollen eine Absage oder eine Verschiebung der Olympischen Spiele in einem Jahr. Nur bei einem Impfstoff gegen das Virus könnte Olympia gerettet werden, meint der Chef des Organisationskomitees.
Tokio. Die Freude ist verflogen, die Stimmung tendiert gegen null. Die Lust auf Olympia ist den meisten Japanern vergangen. Am Freitag sollten die Sommerspiele 2020 in Tokio mit großem Spektakel eröffnet werden. Nach der emotional schmerzhaften Verschiebung auf das kommende Jahr läuft nun der Countdown auf Sparflamme. Viele Japaner glauben nicht daran, dass die internationale Sportgala über die Bühne geht, und viele wollen das auch gar nicht mehr.
„Wenn die aktuelle Situation anhält, können wir das nicht verantworten“, erklärte der Chef des Organisationskomitees, Yoshiro¯ Mori, in Tokio. Ob die Wettbewerbe, die nach heutigem Plan am 23. Juli kommenden Jahres beginnen sollen, überhaupt durchgeführt werden können, hänge davon ab, ob ein Impfstoff oder ein Medikament gegen das Virus gefunden werden wird. Eine Rettung der Olympischen Spiele sei nur möglich, wenn die Menschheit das Virus besiegen könne, sagt der frühere Premierminister Japans zwölf Monate vor dem neuen Termin.
Aus diesen Worten klingt Pessimismus und Resignation des Gastgeberlandes an. Auch Wissenschaftler sind skeptisch. „Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass die Olympischen Spiele stattfinden werden“, vermutet der Professor für Infektionskrankheiten, Kentaro¯ Iwata. Er könne sich zwar vorstellen, dass die Krankheit bis zum kommenden Jahr kontrolliert werde, aber nicht überall in der Welt. Aber man kann keine Regionen und deren Sportler aussperren.
Die Japaner sind ohnehin kritisch, ob sich der Aufwand lohnt. Nach jüngsten Umfragen möchte nicht einmal ein Viertel, dass das Sport-Großereignis durchgeführt wird. 34 Prozent sind der Auffassung, dass es abgesagt werden soll. Fast ebenso viele sprechen sich für eine Verschiebung aus.
Kritik am Krisenmanagement
Die ablehnende Haltung ist zum Großteil der Unzufriedenheit mit dem Corona-Krisenmanagement der Regierung von Shinzo¯ Abe geschuldet. Die Politik habe die Pandemie zu lang heruntergespielt, um Olympia 2020 zu retten, lautet der Tenor. Dieses Szenario könnte sich wiederholen, fürchten viele.
Die Hauptstadt wie die Industriemetropole Osaka melden seit Tagen wieder deutlich ansteigende Infektionsfälle. Insgesamt steht Japan mit über 26.000 Infektionsfällen und rund 1000 Toten international relativ gut da. Aber die Tendenz und die Maßnahmen empfinden viele als sehr beunruhigend. Es gibt weder Ausgangssperren noch Beschränkungen im öffentlichen Leben. Befremdlich sind besonders die Hotspots, die Nachtklubviertel in Tokio und Osaka gelten als Haupt-Infektionszonen.
Die einzig wirksame Maßnahme der Regierung ist ein rigider Einreise-Stopp. Für Bürger in 129 Staaten, darunter in allen EU-Staaten, ist ein striktes Reiseverbot nach Japan in Kraft. Nur „wichtige Geschäftsleute“aus benachbarten Ländern dürfen einreisen.
Eine freie Reise zu Olympia 2021 ist für Athleten aus heutiger Sicht schwer vorstellbar, für Touristen gar nicht. Im Gespräch sind etappenweise Tests und eine 14-tägige Quarantäne sowie die Einschränkung des Bewegungsradius für Sportler und Touristen. Eine Vorstellung von Spielen ohne ausländische Zuschauer oder vor leeren Rängen lehnt der japanische OK-Chef Mori ebenso ab wie IOCPräsident Thomas Bach.