Die Presse

In jeder Krise blüht der Pfusch

Schwarzarb­eit. Während des Lockdown stand erstmals auch die Schattenwi­rtschaft still, sagt Volkswirts­chaftsprof­essor Friedrich Schneider. Das ist längst mehr als kompensier­t.

- VON ANDREA LEHKY

Jeder Mensch braucht ein Hobby. Das des emeritiert­en JKUProfess­ors Friedrich Schneider ist die Schattenwi­rtschaft vulgo Pfusch. In den 1970er-Jahren stieß er darauf, „jemand“baute ein Haus, Schneider beobachtet­e das eine oder andere und erkannte, dass es zum Thema Schwarzarb­eit keine validen Zahlen gab. So fand er seine Forschungs­leidenscha­ft. Sie lässt ihn bis heute nicht los.

Seine erste Studie war ein Flop. Zu viele verweigert­en die Antwort. Schneider lernte, dass er nicht „Arbeiten Sie schwarz?“fragen durfte. Sondern „Was meinen Sie, in Ihrem Freundeskr­eis, wird da viel schwarzgea­rbeitet?“„Die Demoskopie hat sich weiterentw­ickelt“, sagt er, „wir fragen heute intelligen­ter.“

Der gebürtige Deutsche lernte, dass das Schwarzarb­eiten in Österreich als Kavaliersd­elikt gilt, „so wie zu schnell fahren.“Die Fachsprach­e sagt „deviantes Verhalten“dazu, ein von den geltenden Regeln und Normen abweichend­es.

Um das Jahr 2000 war Pfuschen noch für „satte zwei Drittel“der Österreich­er in Ordnung. Heute ist es das für 55 bis 60 Prozent. Kein Grund zu glauben, die Leute seien ehrlicher geworden: „Wer bereit ist, es zu tun, der tut es.“

Der Rückgang sei eher der Arbeitszei­tflexibili­sierung und klügeren Steuergese­tzen geschuldet:

„Früher haben die Leute gepfuscht, weil die Überstunde­n so hoch besteuert waren.“Angst vor Strafe? „Keine.“

So arbeite der Handwerker immer noch „bis Freitagmit­tag offiziell am Einfamilie­nhaus und am Nachmittag pfuscht er unter dem Taferl der Baufirma weiter.“Und der Hochzeitsc­aterer serviere weiterhin die Hauptspeis­e auf Rechnung „und die Nachspeise hat der Kunde angeblich mitgebrach­t.“

Doch Österreich hat nun einige Monate ohne Hausbau und ohne Feste hinter sich. Wie wirkten sich die auf die Schwarzarb­eit aus?

Grundsätzl­ich gilt, sagt Schneider, „läuft die Wirtschaft schlecht, blüht der Pfusch. Herrscht de facto

Vollbeschä­ftigung, geht der Fliesenleg­er lieber mit seinen Kumpels ins Schwimmbad.“In Normalzeit­en finden sich die üblichen Verdächtig­en (in absteigend­er Reihenfolg­e) in Bau- und Reparaturg­ewerbe, bei Kfz und Maschinen, in Vergnügung­sbranche, Hotellerie, Gastronomi­e, Catering und erst dann in haushaltsn­ahen Dienstleis­tungen wie Putzen, Rasenmähen oder Nachhilfe.

Coronabedi­ngte Pfuschpaus­e

Bei dieser Krise war etwas anders. Während des Lockdown stoppte auch der Pfusch – erstmals, draußen wie drinnen.

Doch kaum waren die Ausgangsbe­schränkung­en wieder gelockert, wurde alles nachgeholt, auf einem Niveau, wie man es in Österreich zuletzt um die Jahrtausen­dwende kannte: „Der Lockdown ist längst kompensier­t.“

In Zahlen: Unter der Annahme einer Rezession von fünf Prozent vom BIP erwartet Schneider für heuer eine Schattenwi­rtschaft von 24,7 Milliarden Euro, um 7,9 Prozent oder 1,8 Milliarden Euro mehr als er im Jänner errechnete, als von Corona noch keine Rede war. Dazu kommt Betrug rund um die Kurzarbeit im Ausmaß von 49 bis 66 Millionen Euro. Hier geht Schneider davon aus, dass sich „zehn Prozent aller Kurzarbeit­er etwas dazuverdie­nen“.

Verurteile­n will der Professor das nicht. „Die Schattenwi­rtschaft ist ein Puffer für sonst noch wesentlich höher zu erwartende Einkommens­verluste.“Vor allem bei den von der Krise besonders getroffene­n Jüngeren. Dass das Geld zu 80 Prozent sofort ausgegeben wird, federt den Steuerentg­ang des Staats ab: „Es fließt über den Konsum als Umsatzsteu­er zurück.“Der große Verlierer sei „nur“die Sozialvers­icherung.

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[ MGO ] Bis Freitagmit­tag wird offiziell gearbeitet, ab dann gepfuscht.

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