In jeder Krise blüht der Pfusch
Schwarzarbeit. Während des Lockdown stand erstmals auch die Schattenwirtschaft still, sagt Volkswirtschaftsprofessor Friedrich Schneider. Das ist längst mehr als kompensiert.
Jeder Mensch braucht ein Hobby. Das des emeritierten JKUProfessors Friedrich Schneider ist die Schattenwirtschaft vulgo Pfusch. In den 1970er-Jahren stieß er darauf, „jemand“baute ein Haus, Schneider beobachtete das eine oder andere und erkannte, dass es zum Thema Schwarzarbeit keine validen Zahlen gab. So fand er seine Forschungsleidenschaft. Sie lässt ihn bis heute nicht los.
Seine erste Studie war ein Flop. Zu viele verweigerten die Antwort. Schneider lernte, dass er nicht „Arbeiten Sie schwarz?“fragen durfte. Sondern „Was meinen Sie, in Ihrem Freundeskreis, wird da viel schwarzgearbeitet?“„Die Demoskopie hat sich weiterentwickelt“, sagt er, „wir fragen heute intelligenter.“
Der gebürtige Deutsche lernte, dass das Schwarzarbeiten in Österreich als Kavaliersdelikt gilt, „so wie zu schnell fahren.“Die Fachsprache sagt „deviantes Verhalten“dazu, ein von den geltenden Regeln und Normen abweichendes.
Um das Jahr 2000 war Pfuschen noch für „satte zwei Drittel“der Österreicher in Ordnung. Heute ist es das für 55 bis 60 Prozent. Kein Grund zu glauben, die Leute seien ehrlicher geworden: „Wer bereit ist, es zu tun, der tut es.“
Der Rückgang sei eher der Arbeitszeitflexibilisierung und klügeren Steuergesetzen geschuldet:
„Früher haben die Leute gepfuscht, weil die Überstunden so hoch besteuert waren.“Angst vor Strafe? „Keine.“
So arbeite der Handwerker immer noch „bis Freitagmittag offiziell am Einfamilienhaus und am Nachmittag pfuscht er unter dem Taferl der Baufirma weiter.“Und der Hochzeitscaterer serviere weiterhin die Hauptspeise auf Rechnung „und die Nachspeise hat der Kunde angeblich mitgebracht.“
Doch Österreich hat nun einige Monate ohne Hausbau und ohne Feste hinter sich. Wie wirkten sich die auf die Schwarzarbeit aus?
Grundsätzlich gilt, sagt Schneider, „läuft die Wirtschaft schlecht, blüht der Pfusch. Herrscht de facto
Vollbeschäftigung, geht der Fliesenleger lieber mit seinen Kumpels ins Schwimmbad.“In Normalzeiten finden sich die üblichen Verdächtigen (in absteigender Reihenfolge) in Bau- und Reparaturgewerbe, bei Kfz und Maschinen, in Vergnügungsbranche, Hotellerie, Gastronomie, Catering und erst dann in haushaltsnahen Dienstleistungen wie Putzen, Rasenmähen oder Nachhilfe.
Coronabedingte Pfuschpause
Bei dieser Krise war etwas anders. Während des Lockdown stoppte auch der Pfusch – erstmals, draußen wie drinnen.
Doch kaum waren die Ausgangsbeschränkungen wieder gelockert, wurde alles nachgeholt, auf einem Niveau, wie man es in Österreich zuletzt um die Jahrtausendwende kannte: „Der Lockdown ist längst kompensiert.“
In Zahlen: Unter der Annahme einer Rezession von fünf Prozent vom BIP erwartet Schneider für heuer eine Schattenwirtschaft von 24,7 Milliarden Euro, um 7,9 Prozent oder 1,8 Milliarden Euro mehr als er im Jänner errechnete, als von Corona noch keine Rede war. Dazu kommt Betrug rund um die Kurzarbeit im Ausmaß von 49 bis 66 Millionen Euro. Hier geht Schneider davon aus, dass sich „zehn Prozent aller Kurzarbeiter etwas dazuverdienen“.
Verurteilen will der Professor das nicht. „Die Schattenwirtschaft ist ein Puffer für sonst noch wesentlich höher zu erwartende Einkommensverluste.“Vor allem bei den von der Krise besonders getroffenen Jüngeren. Dass das Geld zu 80 Prozent sofort ausgegeben wird, federt den Steuerentgang des Staats ab: „Es fließt über den Konsum als Umsatzsteuer zurück.“Der große Verlierer sei „nur“die Sozialversicherung.