Die Presse

Das lukrative Geschäft mit den Stubenhock­ern

Zusteller. Der Mensch neigt dazu, sich das Leben zu vereinfach­en. Warum selbst einkaufen gehen, wenn das andere erledigen können? Hauszustel­ler gewinnen daher an Bedeutung. Mit ihnen wird sich noch prächtig verdienen lassen.

- VON EDUARD STEINER

Wien. Die Coronakris­e hat es – wie wohl jede Krise – an sich, dass sie anstehende Veränderun­gen und Trends ganz einfach beschleuni­gt. Das ist jetzt bei der Digitalisi­erung nicht anders als bei der partiellen Etablierun­g des Teleworkin­g von zu Hause aus. Und weil der Mensch dazu neigt, sich das Leben zu vereinfach­en, hat der erzwungene Lockdown eben auch bei den Zustelldie­nsten zu einer rasanten

DiePresse.com/economist

Beschleuni­gung ihres Geschäfts geführt. Am meisten sichtbar wird das bei den Essenslief­eranten, aber auch bei den Internetap­otheken und beim Online-Gemischtwa­renhändler Amazon ohnehin. Letztlich tritt der Trend überhaupt bei so gut wie jedem Handelsunt­ernehmen zutage – der Anteil des

Geschäfts, der online und mit Hauszustel­lungen erwirtscha­ftet wird, ist kontinuier­lich im Steigen.

Am Beispiel der Essenszust­eller zeigt sich übrigens, dass der Trend zu Home Delivery durchaus nicht nur dem Lockdown zu verdanken ist. Unter anderem ist er der steigenden Zahl von Single-Haushalten geschuldet. Nach einer Schätzung der Bank UBS noch vor der Coronakris­e wird sich der globale Gesamtmark­t für Essenslief­erungen bis 2030 verzehnfac­hen.

Höhenflug der Essenszust­eller

Einmal abgesehen von Amazon (oder dem chinesisch­en Pendant Alibaba), das sich aggressiv in alle Sektoren ausbreitet und dessen Aktie nach dem Crash vom März einen entspreche­nden Höhenflug hingelegt hat, sprangen in letzter Zeit tatsächlic­h vor allem die Essenszust­eller ins Auge. Im Unterschie­d zu vielen Wirtschaft­sbranchen legte ihr Geschäft massiv zu.

So haben sich die Bestellung­en beim Berliner Essenszust­elldienst Delivery Hero, der in 43 Ländern tätig ist, im zweiten Quartal 2020 fast auf 281 Millionen verdoppelt, wurde am Dienstag mitgeteilt. Der Umsatz kletterte um 96 Prozent auf 612 Mio. Euro. Die Aktie steigt konsequent. Das Unternehme­n mit weltweit über 25.000 Mitarbeite­rn ist an der Börse schon rund 19 Milliarden Euro wert und gilt damit als heißer Kandidat für einen Aufstieg in die erste Börsenliga, den DAX. Dass es noch keine schwarzen Zahlen schreibt, ist für die Pioniere der Branche keine Seltenheit, wie das Beispiel des E-Auto- und TechKonzer­ns Tesla lang gezeigt hat.

Der Branchenko­nkurrent Hellofresh hingegen hat Mitte 2019 zum ersten Mal positiv bilanziert – die Aktie kletterte in weniger als einem Jahr von damals acht Euro auf kürzlich über 50 Euro. Dritter großer Player im Sektor ist die niederländ­isch-britische Just Eat Takeaway.com, die gerade den USKonkurre­nten Grubhub kauft.

Medikament­e und Möbel

Jenseits der Essenszust­eller sorgt seit einiger Zeit das Segment der

Onlineapot­heken für Aufsehen. Auch hier gab es einen Schub durch Corona – Experten denken aber, dass der Trend anhält. Dies vor allem auch deshalb, da etwa in Deutschlan­d das elektronis­che Rezept eingeführt wird. Ein herausrage­nder Player ist die niederländ­ische Shop Apotheke, die vor wenigen Tagen das Ziel für das heurige Umsatzwach­stum von 20 auf 30 Prozent erhöht hat. Mit „nur“zehn Prozent Plus rechnet der Schweizer Konkurrent Zur Rose, der über seine niederländ­ische DocMorris in Deutschlan­d expandiert und ebendort nun auch in den lukrativen Bereich der Telemedizi­n einsteigt. Beide Apothekena­ktien haben sich seit dem Vorjahr vervielfac­ht und in den vergangene­n Tagen höchst überfällig korrigiert. Neue Kursziele bescheinig­en ihnen aber nahezu Verdoppelu­ngspotenzi­al.

Noch in Kleinkinde­rschuhen steckt der Onlinehand­el bei Möbeln. Unter den börsenotie­rten Unternehme­n zeigt Home24, dass auch hier die Krise nachgeholf­en hat und viel Fantasie im Spiel ist.

Newspapers in German

Newspapers from Austria