Wie produktiv ist das Home-Office?
Wir sollten das durch Covid-19 ausgelöste Zwangs-Home-Office nicht mit klassischem Home-Office vergleichen.
Die Coronakrise hat viele von uns zum Arbeiten im Home-Office gezwungen und dürfte diesem ohnehin steigenden Trend noch einen Niveauschub verpasst haben. Aber wie gut funktioniert das Arbeiten von zu Hause? Die beste empirische Evidenz kommt von einem Feldexperiment, das bereits im Jahr 2010/11 durchgeführt wurde: Die chinesische Firma trip.com Group (damals noch mit Namen Ctrip) erfragte in der Belegschaft die Bereitschaft, von zu Hause zu arbeiten. Rund 250 Mitarbeiter einer Sparte des Online-Reisebüros wurden zu gleichen Anteilen zufällig zur Arbeit im Büro versus „von zu Hause aus“eingeteilt. Die Versuchsgruppe verbrachte vier von fünf Tagen im Home-Office. Die Gruppen wurden neun Monate beobachtet und verglichen, die resultierende Studie von Bloom et al. (2015) im „Quarterly Journal of Economics“publiziert.
Die Ergebnisse waren eindeutig. Die Mitarbeiter im HomeOffice waren um 13 Prozent produktiver als jene im Büro. Die höhere Leistung ließ sich auf eine höhere effektive Arbeitszeit (weniger Pausen, weniger Krankenstandstage) als auch auf eine höhere Effizienz pro Arbeitsstunde zurückführen. Die Versuchsgruppe war auch gemäß Befragung zufriedener und verließ weniger wahrscheinlich das Unternehmen. Im Home-Office herrscht weniger Ablenkung, was eine höhere Konzentration ermöglicht. Der einzige Nachteil für die Mitglieder der Kontrollgruppe: Sie kamen bei Beförderungen weniger wahrscheinlich zum Zug.
Es scheint wenig plausibel, dass das durch Covid-19 ausgelöste Zwangs-Home-Office ähnlich produktiv war. Erstens war dieser Wechsel ins Home-Office nicht freiwillig und passierte ohne Vorbereitung. Zweitens sind nicht alle Tätigkeiten prädestiniert für eine Erledigung von zu Hause aus. Die Arbeit bei trip.com war kaum Team-basiert und erforderte keine Kreativität.
Drittens mussten viele während der Coronakrise Arbeit und Kinderbetreuung vereinbaren.
Das Büro, eine sozialer Ort
Außerdem hat das Büro auch eine soziale Funktion, die sowohl den Arbeitgebern als auch den Arbeitnehmern zugutekommt. Die persönliche Interaktion am Arbeitsplatz schafft persönliche Verbindung zwischen den Kollegen und stärkt den Teamgeist. Innovatives und kreatives Arbeiten im Team funktioniert besser, wenn man sich physisch gegenübersitzt. Im Home-Office wurde vielen klar, wie sehr sie die gemeinsame Mittagspause oder den Kaffee mit Kollegen vermissen. Demnach ist es nicht überraschend, dass rund die Hälfte der Versuchsgruppe bei der Firma trip.com nach Ablauf des Experiments, trotz langer Pendelzeiten, wieder in das Büro wechseln wollte.
Nach Schätzungen von Boeri et al. (2020) können im europäischen Raum rund ein Viertel aller Jobs prinzipiell von zu Hause aus erledigt werden. Der Großteil dieser Jobs ist aus dem Dienstleistungsbereich und betrifft sowohl niedrig als auch hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Plausibel, dass Arbeitgeber vermehrt niedrig qualifizierte Kräfte ausschließlich (oder in großen Teilen) im Home-Office beschäftigen wollen, um Ausgaben für Büroflächen zu sparen. Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter sind hier gefragt, rechtliche Rahmenbedingungen mitzugestalten, die die Bedürfnisse dieser Arbeitnehmer gewährleisten. Dies umfasst „einfache“Aspekte, wie eine faire Abgeltung für den Einsatz von selbst bereitgestellten Betriebsmitteln (Computer, Internet, Mobiltelefon), als auch komplexe Themen wie Rahmenbedingungen, die die psycho-soziale Gesundheit der Arbeitnehmer berücksichtigen.
Martin Halla ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Kepler Uni Linz. Sein Forschungsgebiet ist die angewandte Mikroökonometrie.
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