Die Presse

,,Es ist wichtiger, Mensch als nur Kroate oder Serbe zu sein"

25 Jahre nach Rückerober­ung der Krajina nimmt erstmals ein Vertreter der serbischen Minderheit an der Gedenkfeie­r teil.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad/Zagreb. Leicht falle ihm die Entscheidu­ng für die Teilnahme an der Gedenkfeie­r zum 25. Jahrestag der „Operation Sturm“keineswegs, bekennt Kroatiens stellvertr­etender Regierungs­chef, Boris Milosˇevic´. Seine eigene Großmutter sei bei den Plünderung­en nach der Militärope­ration zur Rückerober­ung der Krajina ermordet worden, berichtet der 45-jährige Politiker von Kroatiens serbischer Minderheit­spartei SDSS. Doch er gehe nach Knin mit „offenem Herzen“: „Nach 25 Jahren müssen wir mit dem Hass und dem Krieg aufhören und die Gräben verlassen, in die wir eingegrabe­n sind.“

Ob die Freude und Erleichter­ung über die Befreiung von der serbischen Besatzung oder die Trauer über Vertreibun­g und Kriegsverb­rechen: An der am 4. August 1995 begonnenen „Operation Sturm“zur Rückerober­ung der Krajina scheiden sich auch nach 25 Jahre in Kroatien und Serbien noch stets die Geister. Erstmals nimmt ein Würdenträg­er von Kroatiens serbischer Minderheit an der Gedenkfeie­r teil – und sorgt auch in den Nachbarsta­aten für Kontrovers­en.

„Für Belgrad ein Verräter, für Zagreb ein Versöhner“, titelt das serbische Webportal nova.rs. Er könne „nicht glauben“, dass ein Serbe an der Feier eines Tages teilnehme, an dem 250.000 Serben vertrieben und „über 2000“ermordet worden seien, erregt sich Serbiens Verteidigu­ngsministe­r, Aleksandar Vulin. Es sei „unkorrekt“gegenüber den Opfern, dass „irgendein Serbe an dieser Veranstalt­ung“teilnehme, empört sich Milorad Dodik, der serbische Vertreter im Staatspräs­idium von Bosnien und Herzegowin­a.

Versöhner und Verräter

Doch im Gegensatz zu der serbischen Minderheit im Kosovo und den bosnischen Serben, die stets die enge Anlehnung an das Mutterland suchen, verstehen sich die SDSS und der serbische Minderheit­enrat SHV keineswegs als Sprachrohr Belgrads: Deren eher liberale Vertreter streiten in dem von nationalis­tischen Tönen geprägten Adriastaat vor allem für mehr Toleranz und für mehr Verständni­s für die seit dem Kroatien-Krieg (1991–1995) fast halbierte Minderheit.

Natürlich haben auch Koalitions­zwänge und der sanfte Druck des konservati­ven Regierungs­chef Andrej Plenkovic´ (HDZ) die SDSS dazu bewogen, am 4. August erstmals einen Vertreter zu der offizielle­n Gedenkfeie­r zu entsenden. Er sei sich bewusst, dass seine Anwesenhei­t in Knin die unterschie­dliche Wahrnehmun­g der „Operation Sturm“nicht ändern werde, so Minderheit­enpolitike­r Milosˇevic´: „Aber wichtiger als meine Anwesenhei­t ist es, eine Atmosphäre des Dialogs zu schaffen, in der alle Opfer anerkannt werden – unabhängig von der Nationalit­ät.“

Der Streit um den Sturm dürfte in Kroatien noch lang wogen. Doch Sichtweise­n ändern und Brücken bauen sind das erklärte Ziel der von rechtsnati­onalen Kreisen und Veteranenv­erbänden oft angefeinde­ten Minderheit­enpolitike­r der SDSS. Immerhin wollen der sozialdemo­kratische Staatschef, Zoran Milanovic´, und Verteidigu­ngsministe­r Toma´sˇ Medved’ (HDZ) in dieser Woche an der Gedenkfeie­r für die während der „Operation Sturm“ermordeten serbischen Bewohner des Altersheim­s in Grubore teilnehmen.

Als Mädchen von acht Jahren habe sie sich mit ihrer Familie am 4. August 1995 in der Flüchtling­skolonne von Knin nach Serbien aufgemacht, berichtete vergangene Woche in einer berührende­n Parlaments­rederede di die SD SDSSSS--AAbgbgeord­ndnetete or An Anja Siˇ Simpmpra-aga. Sie habe damals gewusst, dass auch ihre kroatische­n Altersgeno­ssen im Krieg den Weg des Leidens und der Furcht gehen mussten, „der nicht ihr Zuhause war“, sagtete sa Simpmpraga­ga.a. Siˇ Ke Keinin Ki Kindnd dü dürfefe me mehrhr ˇsei-ise ner Kindheit beraubt werden: „Der kleine Mensch ist immer der, der leiden muss – und den niemand fragt. Doch viel wichtiger ist es, Mensch als nur Kroate oder nur Serbe zu sein.“

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