Der Wiener Weg des Standortanwaltes
Seit einem Jahr gibt es Standortanwälte, die im Zuge von Umweltverträglichkeitsprüfungen öffentliche Interessen vertreten und die volkswirtschaftliche Bedeutung von Bauprojekten aufzeigen.
Seit dreizehn Monaten ist Alexander Biach Wiener Standortanwalt. Er zieht durchaus zufrieden Bilanz über den Start dieser neu geschaffenen Position: „Die Idee des Standortanwalts hat voll eingeschlagen. Nach einem Jahr sind wir eine fixe Größe als Verbinder zwischen Infrastruktur, Wirtschaft und Politik“, resümiert Biach. Der Standortanwalt war ursprünglich eine Forderung der Wirtschaftskammer Wien. Damit sollten in Genehmigungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfungen öffentliche Interessen wie Energieversorgung, Arbeitsplatzsicherung oder Steueraufkommen und vor allem die volkswirtschaftliche Bedeutung von Infrastrukturprojekten Berücksichtigung finden. Geboren wurde die Idee aus dem Ärger über langjährige Verzögerungen bei wichtigen Projekten wie der sechsten Donauquerung mit Lobautunnel oder dem geplanten Bau der Dritten Piste am Flughafen Wien.
2019 bestellten die Wirtschaftskammern in allen Bundesländern Standortanwälte. In Wien wurde Alexander Biach zum ersten Wiener Standortanwalt ernannt.
Zusatzaufgaben
In Österreichs Hauptstadt ging man einen Schritt weiter und erweiterte seine Kompetenzen. Stadt Wien und Wirtschaftskammer Wien vereinbarten auf Landesebene eng zu kooperieren. Der Standortanwalt sollte in Wien beispielsweise auch städtebauliche Projekte, die nicht UVP-pflichtig sind, wie die Umgestaltung von Einkaufsstraßen oder Verkehrsprojekte wie den Neubau eines Fernbusterminals begleiten. „Wir haben ein gemeinsames Ziel und wollen den Standort Wien attraktiver machen. Dafür braucht es eine enge Zusammenarbeit, innovative Projekte, kurze Genehmigungsverfahren und eine effiziente Umsetzung. Die Standortanwaltschaft spielt dabei eine entscheidende Rolle“, erläutert Biach diese Kooperation. „Ein wichtiger Grund für die wirtschaftliche Stärke von Wien liegt in der engen und guten Zusammenarbeit zwischen Stadt und Wirtschaftskammer“, sagt Wiens Bürgermeister Michael Ludwig. „Der neue Standortanwalt und die Möglichkeiten seiner Tätigkeit unterstreichen einmal mehr, dass die Sozialpartnerschaft in unserer Stadt funktioniert. Und das ist gut für Wien.“
Die Idee der WK Wien hat sich nach der gesetzlichen Verankerung und einem Jahr Tätigkeit bereits gut etabliert. In allen neun Bundesländern sind die Standortanwälte aktiv in UVP-Verfahren und Begutachtungen eingebunden worden. Darüber hinaus ist es ihnen gelungen, auf allen Ebenen mehr Verständnis für wichtige Infrastrukturprojekte zu schaffen. Standortanwälte konnten die volkswirtschaftliche Bedeutung von Baumaßnahmen und Modernisierungen im Zusammenhang mit Infrastrukturvorhaben berechnen und aufzeigen. Damit wurde deutlich gemacht, dass solche Projekte den Interessen der Bevölkerung und der Wirtschaft dienen. Neue Verkehrseinrichtungen etwa schaffen Jobs und Wertschöpfung, bringen Vorteile im internationalen Standortwettkampf und sind darüber hinaus effizienter und klimafreundlicher.
„Als Standortanwalt bringen wir volkswirtschaftliche Rechnungen und Expertise, während andere über Projekte philosophieren“, meint Biach. Um den Nutzen von Infrastrukturprojekten zu dokumentieren, erstellt der Wiener Standortanwalt bereits mehrere volkswirtschaftliche Berichte. So verfasste er etwa ein Brückeninstandhaltungsprogramm. Mit mehr als 1700 Bauwerken finden sich in der Stadt viermal so viele Brücken wie in Venedig, Wien liegt damit hinter Hamburg an zweiter Stelle in Europa. Viele Brücken sind allerdings kurz nach dem Krieg gebaut worden und generalsanierungsbedürftig. Hier Maßnahmen zu setzen mache Sinn, denn diese Bauwerke haben eine entscheidende Funktion für den Verkehr, erläutert Biach: „Deshalb empfehlen wir, dass Wien als Stadt der Brücken stärker in die öffentliche Wahrnehmung gerückt wird.“
Der Standortanwalt errechnete, dass die Stadt Wien in den nächsten zehn Jahren mehr als 50 Brücken um rund 200 Millionen Euro aufwendig sanieren müsse. Von diesen Investitionen würde die Allgemeinheit aber massiv profitieren, ist der Standortanwalt überzeugt.
Modernisierung
Weitere Berichte hatten den Ausbau des öffentlichen Verkehrs oder die Revitalisierung und Modernisierung von Einkaufsstraßen zum Inhalt. „Die Modernisierung und Aufwertung der Geschäftsstraßen ist genau das, was Wien braucht. Denn das bringt im Bau und danach im Betrieb neue Jobs und zusätzliche Wertschöpfung. Das wirkt als Konjunkturstütze, macht Wien als Einkaufsstadt attraktiver und bindet Kaufkraft“, meint Biach zum Nutzen von Investitionen im Ausbau von Geschäftsstraßen. Aktuell hat der Standortanwalt eine Coronapublikation herausgebracht, die analysiert, wie sich die Wiener Wirtschaft im nationalen und internationalen Kontext vor, während und nach Corona entwickeln wird.
Weitere Berichte über Projekte, die den Wienern Vorteile bringen, sind in Arbeit. So soll der volkswirtschaftliche Nutzen des Ausbaus der Wiener Straßenbahnstrecken innerstädtisch, aber auch über die Stadtgrenzen hinaus aufgezeigt werden. Derzeit wird ein Konzept zum Ausbau Wiens zur weltweiten Gesundheitsmetropole erarbeitet; dessen Präsentation erfolgt Anfang September. Auch für eine Reihe von kleineren Projekten mit regionalem Nutzen werden Berichte erstellt, Themen sind hier etwa Wiener Hafen oder Donaubühne.