Die Staatsfirma in der Steueroase
Firmen im öffentlichen Besitz würden weniger Steuervermeidung betreiben, so eine gängige Annahme. Stimmt nicht, zeigt eine neue Studie. Entscheidend ist, wer die Steuern erhält.
Wien. 50 bis 70 Mrd. Euro an Steuern entgehen laut Schätzungen den Staaten in Europa jedes Jahr, weil Unternehmen Steuervermeidung betreiben – also legale Schlupflöcher verwenden, um ihre Steuerlast so gering wie möglich zu halten. Besonders für Aufsehen sorgen dabei naturgemäß Fälle großer internationaler Konzerne, die Unterschiede in den Jurisdiktionen verschiedener Länder geschickt ausnützen.
Auf der Agenda der Politik steht das Thema daher schon seit Längerem, zuletzt erhielt es aber wegen der staatlichen Coronahilfen wieder größere Aufmerksamkeit. So verweigerten Länder wie Dänemark oder Polen Hilfe an Firmen, die in Steueroasen registriert sind. Und in Deutschland geriet die Lufthansa ins Schussfeld der Kritik, weil sie Töchter auf Malta und mehreren Karibikinseln hat.
Daher stellt sich die Frage, ob Firmen in staatlichem Besitz eigentlich anders agieren als private Unternehmen? Einzelbeispiele wie die holländische Staatsbahn zeigen, dass dem nicht so sein muss. Die Bahn hatte jahrelang eine niederländisch-irische Konstruktion, um Steuern zu sparen. Also ein ähnliches Modell, wie es auch die oft gescholtenen US-Techkonzerne wie Google nutzen.
Dividenden oder Steuern?
Ökonomen der WU Wien wollten es nun aber genau wissen und schauten sich das Thema anhand deutscher Daten auf breiter Basis an. Frühere Studien waren zu dem Schluss gekommen, dass es bei Firmen im Staatsbesitz zu weniger Steuervermeidung kommt. Das ist jedoch nicht ganz richtig, so das Ergebnis der neuen WU-Studie. Ob eine Firma in öffentlichem Eigentum auf Steuervermeidung setzt oder nicht, hängt nämlich davon ab, ob die besitzende Gebietskörperschaft von den Steuern profitiert oder nicht.
Ist der Eigentümer der direkte Profiteur der Gewinnsteuern, gibt es nur wenig Grund, hier eine Vermeidungsstrategie anzuwenden, so die Studie. Denn was an Dividenden durch die Steuerlast geschmälert wird, kommt eben durch die Steuer herein. Anders ist das aber, wenn ein Unternehmen einem Bundesland oder einer Gemeinde gehört, sagt WU-Professorin Eva Eberhartinger: „Die geringere Steuer geht zulasten des Bundes, die höhere Dividende aber zugunsten der Gemeinde.“Und das werde in der Realität auch so umgesetzt, wie die empirischen Daten zeigen.
„Unsere Studie zeigt, dass es sehr stark auf die Interessenlage des Eigentümers ankommt“, so Eberhartinger. Und diese Interessen werden im Rahmen der Beaufsichtigung des Managements diesem auch mehr oder weniger deutlich mitgeteilt. Teil der Studie waren nur Firmen aus dem Produktions- oder Dienstleistungssektor, die mit Firmen im Privatbesitz vergleichbar seien. Also keine Versorger mit natürlichem Monopol, und auch keine Finanzinstitute.
Will der Staat nun, dass es zu weniger Steuervermeidung kommt, müsse er auf die Interessen der Eigentümer abzielen. Bei den staatlichen Betrieben könnte dies durch eine Veränderung der Besteuerung – also mehr Steuerhoheit für die Gebietskörperschaften auf unterer Ebene – erfolgen. Wenn diese stärker an den Steuern partizipieren, kann sich für sie der Anreiz verringern, dass in ihren Firmen für höhere Dividenden Steuern vermieden werden.
„Moralische Keule“unsinnig
Auch beim Management könnten Bonusregelungen auf den Vorsteuergewinn abzielen statt auf das Nettoergebnis. Andere Studien hätten gezeigt, dass das zu einer Abnahme der Steuervermeidung führt, so Eberhartinger. Manager nutzen diese Instrumente also nicht nur im Interesse der Eigentümer, sondern auch um ihr persönliches Gehalt zu verbessern.
Bei Privatunternehmen könne jedoch kaum ein Anreiz geschaffen werden, mehr Steuern zu zahlen. „Hier ist die rechtliche Einschränkung der Steuervermeidung der richtige Ansatz“, so Eberhartinger. Was gesellschaftlich nicht erwünscht sei, müsse legistisch verunmöglicht werden. Das Beispiel der Staatsfirmen zeige aber, dass es unsinnig sei, in dieser Frage „auf die moralische Keule“zu setzen.