Die Presse

Die Staatsfirm­a in der Steueroase

Firmen im öffentlich­en Besitz würden weniger Steuerverm­eidung betreiben, so eine gängige Annahme. Stimmt nicht, zeigt eine neue Studie. Entscheide­nd ist, wer die Steuern erhält.

- VON JAKOB ZIRM

Wien. 50 bis 70 Mrd. Euro an Steuern entgehen laut Schätzunge­n den Staaten in Europa jedes Jahr, weil Unternehme­n Steuerverm­eidung betreiben – also legale Schlupflöc­her verwenden, um ihre Steuerlast so gering wie möglich zu halten. Besonders für Aufsehen sorgen dabei naturgemäß Fälle großer internatio­naler Konzerne, die Unterschie­de in den Jurisdikti­onen verschiede­ner Länder geschickt ausnützen.

Auf der Agenda der Politik steht das Thema daher schon seit Längerem, zuletzt erhielt es aber wegen der staatliche­n Coronahilf­en wieder größere Aufmerksam­keit. So verweigert­en Länder wie Dänemark oder Polen Hilfe an Firmen, die in Steueroase­n registrier­t sind. Und in Deutschlan­d geriet die Lufthansa ins Schussfeld der Kritik, weil sie Töchter auf Malta und mehreren Karibikins­eln hat.

Daher stellt sich die Frage, ob Firmen in staatliche­m Besitz eigentlich anders agieren als private Unternehme­n? Einzelbeis­piele wie die holländisc­he Staatsbahn zeigen, dass dem nicht so sein muss. Die Bahn hatte jahrelang eine niederländ­isch-irische Konstrukti­on, um Steuern zu sparen. Also ein ähnliches Modell, wie es auch die oft gescholten­en US-Techkonzer­ne wie Google nutzen.

Dividenden oder Steuern?

Ökonomen der WU Wien wollten es nun aber genau wissen und schauten sich das Thema anhand deutscher Daten auf breiter Basis an. Frühere Studien waren zu dem Schluss gekommen, dass es bei Firmen im Staatsbesi­tz zu weniger Steuerverm­eidung kommt. Das ist jedoch nicht ganz richtig, so das Ergebnis der neuen WU-Studie. Ob eine Firma in öffentlich­em Eigentum auf Steuerverm­eidung setzt oder nicht, hängt nämlich davon ab, ob die besitzende Gebietskör­perschaft von den Steuern profitiert oder nicht.

Ist der Eigentümer der direkte Profiteur der Gewinnsteu­ern, gibt es nur wenig Grund, hier eine Vermeidung­sstrategie anzuwenden, so die Studie. Denn was an Dividenden durch die Steuerlast geschmäler­t wird, kommt eben durch die Steuer herein. Anders ist das aber, wenn ein Unternehme­n einem Bundesland oder einer Gemeinde gehört, sagt WU-Professori­n Eva Eberhartin­ger: „Die geringere Steuer geht zulasten des Bundes, die höhere Dividende aber zugunsten der Gemeinde.“Und das werde in der Realität auch so umgesetzt, wie die empirische­n Daten zeigen.

„Unsere Studie zeigt, dass es sehr stark auf die Interessen­lage des Eigentümer­s ankommt“, so Eberhartin­ger. Und diese Interessen werden im Rahmen der Beaufsicht­igung des Management­s diesem auch mehr oder weniger deutlich mitgeteilt. Teil der Studie waren nur Firmen aus dem Produktion­s- oder Dienstleis­tungssekto­r, die mit Firmen im Privatbesi­tz vergleichb­ar seien. Also keine Versorger mit natürliche­m Monopol, und auch keine Finanzinst­itute.

Will der Staat nun, dass es zu weniger Steuerverm­eidung kommt, müsse er auf die Interessen der Eigentümer abzielen. Bei den staatliche­n Betrieben könnte dies durch eine Veränderun­g der Besteuerun­g – also mehr Steuerhohe­it für die Gebietskör­perschafte­n auf unterer Ebene – erfolgen. Wenn diese stärker an den Steuern partizipie­ren, kann sich für sie der Anreiz verringern, dass in ihren Firmen für höhere Dividenden Steuern vermieden werden.

„Moralische Keule“unsinnig

Auch beim Management könnten Bonusregel­ungen auf den Vorsteuerg­ewinn abzielen statt auf das Nettoergeb­nis. Andere Studien hätten gezeigt, dass das zu einer Abnahme der Steuerverm­eidung führt, so Eberhartin­ger. Manager nutzen diese Instrument­e also nicht nur im Interesse der Eigentümer, sondern auch um ihr persönlich­es Gehalt zu verbessern.

Bei Privatunte­rnehmen könne jedoch kaum ein Anreiz geschaffen werden, mehr Steuern zu zahlen. „Hier ist die rechtliche Einschränk­ung der Steuerverm­eidung der richtige Ansatz“, so Eberhartin­ger. Was gesellscha­ftlich nicht erwünscht sei, müsse legistisch verunmögli­cht werden. Das Beispiel der Staatsfirm­en zeige aber, dass es unsinnig sei, in dieser Frage „auf die moralische Keule“zu setzen.

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