Das Klavier als Kampfmaschine
Salzburg II. Jubel zum Auftakt von Igor Levits Beethoven-Zyklus.
Wenn Igor Levit Beethoven spielt, dann scheint das Klavier gar nicht zu reichen, um all die Energie aufzunehmen, die aus ihm hervordringt. Immer wieder stampfte er im Haus für Mozart fern des Pedals auf dem Boden auf, wenn ihm die Kraft der Finger, Hände, Arme für Akzentuierungen nicht zu genügen schien – und am Schluss der im doppelten Sinn einleitenden f-Moll-Sonate op. 2/1, der ersten aus Beethovens Feder, schlug Levit im Aufstehen nach dem Prestissimo sogar noch mit der geballten Rechten leicht auf den Hocker. Wen das peinlich berührt, der darf auch bei den großen Mitsing-Pianisten der Vergangenheit nicht so genau zuhören.
Wo auch immer möglich, erklingt Beethoven bei Levit jedenfalls „con brio“(eine der liebsten Vortragsbezeichnungen des Komponisten), also „mit Feuer“– und schon am ersten Abend bewies Levit, wie sehr er für Beethoven und mit ihm brennt.
Ein Zyklus aller Klaviersonaten Beethovens, acht Abende noch bis 21. August: Levit ist in der nun hundertjährigen Festspielgeschichte (nach Rudolf Buchbinder 2014) erst der zweite Pianist, der das Publikum auf diese enorme, faszinierende Reise mitnimmt. Und er zeigt, wie diese Werke eine ständige Herausforderung waren und bis heute sind, an die Hörer, an das Publikum und nicht zuletzt an den „Laut-leise-Tasten-Kasten“, wie Beethoven das Klavier auf Deutsch nennen wollte. Auch das Instrument musste an diesen Werken wachsen, im wörtlichen Sinn.
Überall geht Levit deshalb in die Extreme – in den dynamischen und artikulatorischen Kontrasten, in den Tempi, in den Satzcharakteren. Von den disparaten Sätzen der As-Dur-Sonate op. 26, in der er schon die eröffnenden Variationen extrem heterogen darstellte, ist es nur ein Katzensprung zu Schuberts „Moments musicaux“; die vermeintlich kleine Sonate op. 79 bekam etwas beklemmend Manisches – und wie sich in beiden diesen Werken immer wieder Satzschlüsse ins Nichts verflüchtigten!
Vier Sonaten in knapp 75 Minuten ohne Pause, ohne das Podium einmal zu verlassen: eine famose Tour de Force. Zuletzt die „Waldstein“, wahrlich „con brio“: extreme Spannung in den galoppierenden Pianissimo-Stakkati des Beginns; grüblerische, dann schwelgerische Klänge als Einleitung zum Finale, wo am Beginn ein traumhaftes Morgenlicht-Sfumato herrschte – und ein irrwitziges Prestissimo am Ende stand. Als Zugabe die Uraufführung des für Levit entstandenen Stücks „Trees“aus der Feder des New Yorker Jazzers Fred Hersch – fast, als hätte Debussy im Corona-Lockdown komponiert. (wawe)