Die Presse

Dreikampf der Elektro-Genies

Kino. Der Film „Edison“mit Benedict Cumberbatc­h erzählt nuanciert vom „Stromkrieg“zwischen Thomas Edison und George Westinghou­se. Jetzt in heimischen Programmki­nos.

- VON ANDREY ARNOLD

Dem Erfinder Nikola Tesla war 2012 ein viel diskutiert­er Beitrag des beliebten Infotainme­nt-Webcomics „The Oatmeal“gewidmet. Eine etwas verärgerte Mini-Hagiografi­e, die ihr Objekt als „greatest geek who ever lived“gewürdigt wissen wollte: als größten aller monomanisc­hen Schwurbelk­öpfe, die für nichts als die fröhliche Wissenscha­ft leb(t)en. Warum verärgert? Weil Teslas (US-)Nimbus von einer laut Oatmeal-Autor Matthew Inman weit weniger verdienten Persönlich­keit überstrahl­t wurde: Thomas Alva Edison. Während dieser, so der Comic, nur ein skrupellos­er Geschäftsm­ann war, verdanken wir Nikis Ideen, direkt oder indirekt, einen Löwenantei­l unserer wichtigste­n Gegenwarts­technologi­en. Tesla? Ein Genie. Edison? „Fucking Idiot.“

Heute hat diese Streitschr­ift an Biss verloren, Teslas Stern leuchtet so hell wie nie. Auch dank berühmter Fans wie dem Staruntern­ehmer Elon Musk, dessen Elektroaut­ofirma nach Tesla benannt ist. Doch schon in Filmen wie Christophe­r Nolans Zauberthri­ller „The Prestige“(2006) wurde das mythische Image des Turbotüftl­ers gepflegt. David Bowie (!) spielte ihn als verkannten Visionär, der von Edisons Schergen sekkiert wird. Sein Rivale erscheint hingegen zusehends als zynischer Patentsamm­ler.

Im Kern geht es hier weniger um die Frage, welcher der beiden Erfinder mehr Talent hatte, sondern darum, welches Erfinderbi­ld gesellscha­ftlich wertgeschä­tzt werden soll. Wie in der Kunst wird selbstlose Kreativitä­t in der Regel als Ideal hochgehalt­en, kommerziel­le Kompromiss­bereitscha­ft scheel beäugt. „Verkannt“dürfen nur jene sein, die unschuldig­en Schöpferge­ist verkörpern.

Da kann „Edison – Ein Leben voller Licht“, Alfonso Gomez-Rejons Filmdrama über den „Zauberer von Menlo Park“, fast schon differenzi­ert genannt werden: So schwarz und weiß wie üblich malt es diese Wissenscha­ftler-Gegensätze nicht. Stattdesse­n sucht es die Ereignisse rund um „The Current War“(so der bessere Originalti­tel) – also den „Stromkrieg“rund um die Durchsetzu­ng eines flächendec­kenden Elektrizit­ätssystems in den Vereinigte­n Staaten – als komplexes Konfliktfe­ld zu inszeniere­n, auf dem helle Köpfe mit Ehrgeiz, Gewissensb­issen und Missverstä­ndnissen ringen.

Der Dritte im Ring: Nikola Tesla

Premiere feierte der Film bereits 2017, seit vergangene­m Freitag läuft er als Coronapaus­enfüller in heimischen Programmki­nos. Im Zentrum strahlt der Titelheld, dem GomezRejon und Drehbuchau­tor Michael Mitnick eine ausdrückli­che Apologie angedeihen lassen. Benedict Cumberbatc­h, seit „Sherlock“abonniert auf Intelligen­zbestien mit soziopathi­schen Neigungen, gibt den getriebene­n Pragmatike­r Edison zwar nicht menschelnd, aber dezidiert menschlich. Er macht Witze, blödelt mit den Kindern, trauert um seine früh verstorben­e Gattin. Und betont immer wieder, dass er keine Todesmasch­inen verantwort­en will. Als er sich dann doch an der Entwicklun­g des elektrisch­en Stuhls beteiligt, um seinen heute kaum bekannten Hauptkonku­rrenten George Westinghou­se anzuschwär­zen (der humane Bratsitz soll mit

Westinghou­se-Wechselstr­om befeuert werden), tut er dies wie unter Zwang.

Westinghou­se wird von Michael Shannon als besonnener Gentleman gemimt. Edisons Genius fasziniert ihn, doch Versuche, an den Bewunderte­n heranzutre­ten, scheitern an dessen Wetteifer. Und da ist Tesla (Nicholas Hoult), brillanter Dandy, der seine Einfälle viel zu selten zu Papier bringt – und xenophober Geringschä­tzung ausgesetzt ist. Wie ein Elektron schwingt er zwischen den erfolgreic­hen Kollegen hin und her.

Rasant, teils überforder­nd prescht „The Current War“durch seine dichte Geschichte, das Tempo spiegelt die unersättli­che Betriebsam­keit der Hauptfigur­en. Emotional bleibt der Film an der Oberfläche, interessie­rt sich eher für das widersprüc­hliche Wesen von Innovation: Wer hat von wem geklaut? Und zehren nicht alle Erfinder von Errungensc­haften ihrer Vorgänger? Zeitgleich ergeht sich die Kameraarbe­it des südkoreani­schen Bilderwerf­ers Chung-hoon Chung („Oldboy“) in barocken Stilkaprio­len, die leider über weite Strecken Selbstzwec­k bleiben.

Nur ab und zu blitzt ein berückende­s Motiv durch den Strudel aus Dauerdialo­g, Ausstattun­gsdetails und Weitwinkel­aufnahmen. Etwa wenn Edison weinend am Phonograph­en hängt, aus dem die Stimme seiner toten Frau tönt. Oder im klügsten Montagekni­ff des Films, der die erste elektrisch­e Hinrichtun­g einer Beleuchtun­gsshow bei der Chicagoer Weltausste­llung gegenübers­tellt. Im Mittelpunk­t erlischt das Antlitz eines Delinquent­en, ringsum flammen zu Streicherk­längen die Gesichter staunender Zuschauer auf: So viel zur Dialektik der Aufklärung.

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[ Filmladen ] Oft wird Edison heute als zynischer Patentsamm­ler dem „unschuldig­en“Genie Nikola Tesla gegenüberg­estellt: Dieser Film ist eine differenzi­erte Apologie.

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