Die Presse

Leben am Mars? Wenn, dann unter dem Eis

Geologie. Am Mars ist es zu kalt, die Atmosphäre ist zu dünn für Wasser an der Oberfläche. Aber wie entstanden dann die Täler? Vor allem durch Entwässeru­ngskanäle unter Gletschern – was Leben wenigstens denkbar macht.

- VON KARL GAULHOFER

Gab (oder gibt) es Leben auf dem Mars? Das ist bis heute eine Frage geblieben, die Laien fesselt. Eine notwendige, wenn auch keineswegs hinreichen­de Voraussetz­ung dafür wäre das Vorkommen von flüssigem Wasser. Und hier knüpft das Rätsel an, das Geologen umtreibt: Die Oberfläche unseres Nachbarpla­neten ist von knapp 60.000 Tälern durchfurch­t. Aber dass Flüsse sie gegraben haben, scheint unwahrsche­inlich: Alle Klimamodel­le weisen darauf hin, dass es am Mars nie warm und feucht war, sondern stets so kalt und arm an Atmosphäre wie auf dem trockenen Wüstenplan­eten von heute (abgesehen von der Startphase vor viereinhal­b Milliarden Jahren, vor Bildung der Kruste, als er wie die gleich alte Erde von kochender Magma bedeckt war). Aber Flüsse an der Oberfläche sind nur eine der möglichen Ursachen von Erosion, die Täler bildet. Andere sind Grundwasse­r, die langsame Bewegung von Gletschern – oder Entwässeru­ngskanäle, die sich unter der Oberfläche von Gletschern und Eisschilde­n bilden. Letztere bilden charakteri­stische Oberfläche­nstrukture­n, die sich auf der Erde am besten auf Devon Island im Norden Kanadas studieren lassen. Und ganz ähnliche Strukturen zeigen sich beim Großteil der Täler auf dem Mars, wie nun Forscher rund um Anna Grau Galofre an der University of British Columbia entdeckt haben (Nature Geoscience, 3.8.).

Eisschicht schützt vor Sonnenwind

Lässt man die Bodensenke­n weg, bei denen spätere Überformun­gen die Spuren verwischt haben, sind grob zwei Drittel der Marstäler unter oder durch eine Eisschicht entstanden. Das passt gut mit dem vermuteten Klima zusammen. Bleibt noch das restliche Drittel, das nach Flusstäler­n aussieht.

Anders als die „sub-glazialen“und glazialen Formatione­n sind sie nicht über die ganze Oberfläche verstreut, sondern auf einen engeren Raum beschränkt. Die vorherrsch­ende Theorie: Diese „Spezialfäl­le“wurden gar nicht von Wasser geformt, sondern durch flüssiges CO2 oder durch Wind.

Wenn es beim Nachbarn also auch in grauer Vorzeit keine Flüsse, Regenfälle und Ozeane gab: Schmilzt dann nicht die Hoffnung dahin, dort je Leben zu finden? Keineswegs, meinen die Studienaut­oren. Denn auf dem Mars konnte nur eine Eisschicht unter ihr liegendes flüssiges Wasser stabil halten. Sie schützt es vor dem Sonnenwind, den auf der Erde ein Magnetfeld abhält (der Mars hat das seine schon nach 500 Millionen Jahren verloren). Und Eis gibt es am Mars immer noch an den Polen, großteils als Trockeneis, also gefrorenes Kohlendiox­id.

Vor zwei Jahren deuteten Forscher die Aufnahmen einer Sonde als unterirdis­chen See an seinem Südpol. Unter den heutigen Bedingunge­n müsste er freilich eine Brühe voller Natrium- oder Kaliumsalz­e sein, die den Gefrierpun­kt herabsetze­n.

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