Wer in Zukunft die Provision zahlt
Die Mieter müssen Makler bezahlen, egal wer diese beauftragt hat. Das soll sich nun ändern – künftig sollen die Vermieter zahlen.
Die Maklerprovision. Sie steht am Ende einer mühseligen Odyssee auf der Suche nach einer Mietwohnung. Man sucht, vergleicht, fragt an, fragt noch einmal an, besichtigt, wirbt. Nachdem man sich gegen eine Horde Mitbewerber durchgesetzt hat, darf man zur Krönung noch den Makler bezahlen. Wofür eigentlich?
Diese Frage stellte sich auch die Regierung und versprach im Regierungsprogramm, das zu ändern. Nun ist es so weit. Derzeit tüftelt das Justizministerium an einem neuen Gesetz, das dem deutschen Bestellerprinzip folgt. Demnach sollen nicht mehr Mieter die Provision zahlen, sondern die Vermieter. Ein Grund zum Jubeln? Aus der Branche kommen schon Proteste.
Wer zahlt die provision derzeit?
Wie „Die Presse“erfuhr, sollen die ersten Gesprächsrunden mit Branchenvertretern und Experten hitzig verlaufen sein. Diese wurden vorerst im Juli abgeschlossen. Einigkeit herrscht offensichtlich noch nicht. Dennoch: „Der Gesetzesentwurf wird derzeit ausgearbeitet“, sagt ein Sprecher des Justizministeriums. Schon in diesem Herbst könnte er zur Begutachtung fertig sein. Verankert dürfte das neue Gesetz dann einerseits im Makler- und andererseits im Konsumentenschutzgesetz sein.
„In Österreich werden 50 bis 60 Prozent aller Mietwohnungen über Makler vermittelt“, sagt der Fachverbandsobmann der Makler, Georg Edlauer, zur „Presse“. Bisher zahlt ein Mieter zwei Bruttomonatsmieten als Provision, wenn er eine Mietwohnung über einen Makler gefunden hat. Ist ein Mietvertrag auf drei Jahre befristet oder der Makler zugleich Verwalter der Wohnung, dann ist nur eine Bruttomonatsmiete erlaubt. Die Wohnungseigentümer werden meist nicht zur Kasse gebeten.
Was ändert das Bestellerprinzip?
Das soll sich nun ändern. Wer bestellt, soll zahlen. Doch ab wann gilt eine Bestellung beim Makler? Ausschussmitglied für Bauten und Wohnen Johann Singer (ÖVP) verweist auf den Text im Regierungsprogramm: „Wie für gewöhnlich bei Dienstleistungen üblich, sollen die Kosten der Maklerin bzw. des Maklers bei Vermittlung von Mietwohnungen von demjenigen übernommen werden, der den Auftrag gegeben hat.“
Das lässt Interpretationsspielraum zu. Meldet man sich auf eine Wohnungsannonce in der Zeitung, handelt es sich dann um eine Bestellung? „Nein“, sagt die Bautensprecherin der Grünen, Nina Tomaselli, zur „Presse“. Ein weiteres Szenario: Nur eine Wohnung im Haus ist annonciert und weitere Wohnungen werden zur Besichtigung angeboten, wenn man als potenzieller Mieter den Makler engagiert.
Genau diese „Schlupflöcher“sollen im neuen Gesetz verhindert werden, erklärt Tomaselli. „Der Immobilienmarkt ist überhitzt“, sagt die Politikerin. Dieses System schaffe einen „geschützten Raum für Makler“. Sie erhielten Geld, „aber nicht von denjenigen, die den Auftrag geben, sondern von denjenigen, die die Dienstleistung zwangsweise in Anspruch nehmen müssen“. So werde jegliches Marktverständnis ausgeschaltet.
Der Immobilientreuhänder Edlauer entgegnet: „Wenn der Mieter den Auftrag gibt, soll auch der Mieter zahlen.“Für Walter Rosifka von der Arbeiterkammer ist wichtig, dass das Gesetz „möglichst umgehungsfest“gemacht werde. Er befürchtet, dass Makler Möglichkeiten finden, den Mieter als „Erstauftraggeber“darzustellen. Vorbild ist die Gesetzesänderung in Deutschland, die im Juni 2015 in Kraft trat.
Wie ändert sich der Markt?
Dort lief nicht alles nach Plan. So brach das Wohnungsangebot auf öffentlichen Marktportalen laut einer Studie des Forschungsinstituts F+B innerhalb von zwei Jahren um etwa 33 Prozent ein (siehe Grafik). Daher rechnet Edlauer auch für Österreich mit einem Rückgang von 30 bis 40 Prozent. Das würde die Wohnungssuche für Mieter erschweren. Zudem würden die Mieten steigen, da die Vermieter die Provisionen einpreisen oder hohe Ablösesummen und Abwicklungskosten verlangen.
Mehr Eigentümer dürften selbst inserieren. So befürchtet Edlauer, dass ein Drittel der 15.000 Makler arbeitslos werden könnte. Vor allem stark nachgefragte Wohnungen, also günstige Wohnungen in guter Lage, würden nur noch unter der Hand vermittelt werden. Besserverdiener seien die Gewinner.
Schließlich würden sich Makler generell vom Mietwohnungsmarkt zurückziehen. So muss beispielsweise ein deutscher Makler – wenn er für einen Mieter tätig ist – vom Eigentümer die Erlaubnis einholen, dass er die Wohnung vermitteln darf. Nimmt der Wohnungssuchende, in dessen Auftrag er die Wohnung suchte, diese dann aber nicht, dann ist sie für den Makler de facto verbrannt. Einem anderen Interessenten darf sie nicht mehr provisionspflichtig angeboten werden. Für Österreich sind viele Details noch offen. Diese entscheiden aber, wem das Gesetz tatsächlich nützt.
Wer kennt diese Situation nicht: Der Makler sperrt auf und führt zehn Minuten durch die Wohnung. Da diese passt, kommt es zum Abschluss. Und dafür wird dann ein vierstelliger Betrag an Provision fällig.
Es ist daher sicherlich ein populäres Vorhaben der Regierung, bei der Maklerprovision auf das Bestellerprinzip umzustellen. Demnach müsste künftig also derjenige die Provision zahlen, der den Makler beauftragt. Und das ist in der Regel der Vermieter. Für die Mieter ergäbe sich dadurch eine wichtige Entlastung bei den stark gestiegenen Wohnungsmieten, so die Befürworter der Umstellung.
In der Realität ist die Sache dann aber doch um einiges komplexer. Das zeigt das Beispiel Deutschland, wo diese Umstellung vor fünf Jahren bereits erfolgt ist. Der augenscheinlichste Effekt war dort, dass viele – vor allem günstige – Wohnungen gar nicht mehr auf den Markt kommen. Um sich die Provision zu sparen, lassen immer mehr Vermieter ihre ausziehenden Mieter einen Nachfolger suchen. Und diese müssen dann Ablösen an den Vorgänger bezahlen, damit sie die Wohnung bekommen. Gezahlt werden muss also trotzdem. Und zu einer günstigen Wohnung kommt nur mehr, wer jemanden kennt, der aus so einer auszieht. Faire Chancen auf leistbares Wohnen sehen anders aus.
Natürlich ist das bestehende Provisionssystem auch nicht der Weisheit letzter Schluss – und eine Änderung denkbar. Warum dann aber nicht eine fixe 50:50-Aufteilung zwischen Vermieter und Mieter? Das würde dazu führen, dass die Makler sich auch gegenüber ihren Auftraggebern für ihre Kosten rechtfertigen müssten und brächte den Mietern eine gewisse Entlastung. Einer Illusion darf man sich nämlich ohnehin nicht hingeben: Dass mit einer Änderung bei der Provisionsthematik ein echter Einfluss auf stark gestiegene Wohnkosten genommen werden kann.
Denn der Grund, warum sich die durchschnittlichen Mieten in den vergangenen zehn Jahren in Österreich und vor allem in Wien laut Statistik Austria um mehr als ein Drittel erhöht haben (bei den Neuvermietungen ist dieser Wert noch wesentlich höher), sind nicht die Maklerprovisionen oder nicht satt zu kriegende
Vermieter, sondern eine stark steigende Nachfrage bei einem nicht ausreichend steigenden Angebot. Allein die Bundeshauptstadt ist seit 2010 um rund 200.000 Menschen gewachsen. Trotz aller Bemühungen konnte der Wohnbau damit nicht Schritt halten. Und auch wenn es manche nicht gern hören wollen: Bei hoher Nachfrage steigen Preise für nicht vermehrbare Waren ohne Preisobergrenze. Und „gute Lagen“bei Immobilien sind nicht beliebig vermehrbar. Mit anderen Worten: Wer sich regelmäßig freut, dass Wien so attraktiv ist und einen hohen Zuzug hat, darf sich nicht wundern, dass auch die Preise für Wohnungen in zentralen Lagen rasant steigen.
Um hier zumindest eine Entlastung zu schaffen, braucht es mehr Angebot. Neben dem Neubau können das auch jene Wohnungen sein, die derzeit schlicht nicht vermietet werden, weil das Mietrechtsgesetz vielfach den Gegebenheiten am Markt widerspricht. Etwa, weil für eine sanierte Altbauwohnung in Zentrumsnähe mit schönen Parkettböden und Flügeltüren weniger verlangt werden darf als für eine heruntergekommene Wohnung in einem 1950er-JahreBau. Profiteure dieser Situation sind jene, die bereits einen alten Vertrag für ihre günstige Wohnung haben. Leidtragende jene – meist Jüngeren –, die auf Wohnungssuche sind.
Was kann die Politik also machen, um Wohnen leistbarer zu machen? Am wichtigsten ist es, die Anreize für den Neubau weiter zu erhöhen – sei es durch vergünstigte Finanzierungen oder die präferierte Vergabe von Grundstücken an Wohnbauträger. Zweitens sollte das Mietrecht an die Marktrealität angepasst werden und nicht mehr einer ideologischen Wunschvorstellung folgen. Und zu guter Letzt könnte die Attraktivität von Lagen abseits der Ballungszentren durch gute Verkehrsverbindungen und schnelles Internet erhöht werden. Die Zunahme von Home-Office durch das Coronavirus lässt hier bei vielen Menschen ohnehin ein Umdenken beginnen.