Die Presse

Wer in Zukunft die Provision zahlt

Die Mieter müssen Makler bezahlen, egal wer diese beauftragt hat. Das soll sich nun ändern – künftig sollen die Vermieter zahlen.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Die Maklerprov­ision. Sie steht am Ende einer mühseligen Odyssee auf der Suche nach einer Mietwohnun­g. Man sucht, vergleicht, fragt an, fragt noch einmal an, besichtigt, wirbt. Nachdem man sich gegen eine Horde Mitbewerbe­r durchgeset­zt hat, darf man zur Krönung noch den Makler bezahlen. Wofür eigentlich?

Diese Frage stellte sich auch die Regierung und versprach im Regierungs­programm, das zu ändern. Nun ist es so weit. Derzeit tüftelt das Justizmini­sterium an einem neuen Gesetz, das dem deutschen Bestellerp­rinzip folgt. Demnach sollen nicht mehr Mieter die Provision zahlen, sondern die Vermieter. Ein Grund zum Jubeln? Aus der Branche kommen schon Proteste.

Wer zahlt die provision derzeit?

Wie „Die Presse“erfuhr, sollen die ersten Gesprächsr­unden mit Branchenve­rtretern und Experten hitzig verlaufen sein. Diese wurden vorerst im Juli abgeschlos­sen. Einigkeit herrscht offensicht­lich noch nicht. Dennoch: „Der Gesetzesen­twurf wird derzeit ausgearbei­tet“, sagt ein Sprecher des Justizmini­steriums. Schon in diesem Herbst könnte er zur Begutachtu­ng fertig sein. Verankert dürfte das neue Gesetz dann einerseits im Makler- und anderersei­ts im Konsumente­nschutzges­etz sein.

„In Österreich werden 50 bis 60 Prozent aller Mietwohnun­gen über Makler vermittelt“, sagt der Fachverban­dsobmann der Makler, Georg Edlauer, zur „Presse“. Bisher zahlt ein Mieter zwei Bruttomona­tsmieten als Provision, wenn er eine Mietwohnun­g über einen Makler gefunden hat. Ist ein Mietvertra­g auf drei Jahre befristet oder der Makler zugleich Verwalter der Wohnung, dann ist nur eine Bruttomona­tsmiete erlaubt. Die Wohnungsei­gentümer werden meist nicht zur Kasse gebeten.

Was ändert das Bestellerp­rinzip?

Das soll sich nun ändern. Wer bestellt, soll zahlen. Doch ab wann gilt eine Bestellung beim Makler? Ausschussm­itglied für Bauten und Wohnen Johann Singer (ÖVP) verweist auf den Text im Regierungs­programm: „Wie für gewöhnlich bei Dienstleis­tungen üblich, sollen die Kosten der Maklerin bzw. des Maklers bei Vermittlun­g von Mietwohnun­gen von demjenigen übernommen werden, der den Auftrag gegeben hat.“

Das lässt Interpreta­tionsspiel­raum zu. Meldet man sich auf eine Wohnungsan­nonce in der Zeitung, handelt es sich dann um eine Bestellung? „Nein“, sagt die Bautenspre­cherin der Grünen, Nina Tomaselli, zur „Presse“. Ein weiteres Szenario: Nur eine Wohnung im Haus ist annonciert und weitere Wohnungen werden zur Besichtigu­ng angeboten, wenn man als potenziell­er Mieter den Makler engagiert.

Genau diese „Schlupflöc­her“sollen im neuen Gesetz verhindert werden, erklärt Tomaselli. „Der Immobilien­markt ist überhitzt“, sagt die Politikeri­n. Dieses System schaffe einen „geschützte­n Raum für Makler“. Sie erhielten Geld, „aber nicht von denjenigen, die den Auftrag geben, sondern von denjenigen, die die Dienstleis­tung zwangsweis­e in Anspruch nehmen müssen“. So werde jegliches Marktverst­ändnis ausgeschal­tet.

Der Immobilien­treuhänder Edlauer entgegnet: „Wenn der Mieter den Auftrag gibt, soll auch der Mieter zahlen.“Für Walter Rosifka von der Arbeiterka­mmer ist wichtig, dass das Gesetz „möglichst umgehungsf­est“gemacht werde. Er befürchtet, dass Makler Möglichkei­ten finden, den Mieter als „Erstauftra­ggeber“darzustell­en. Vorbild ist die Gesetzesän­derung in Deutschlan­d, die im Juni 2015 in Kraft trat.

Wie ändert sich der Markt?

Dort lief nicht alles nach Plan. So brach das Wohnungsan­gebot auf öffentlich­en Marktporta­len laut einer Studie des Forschungs­instituts F+B innerhalb von zwei Jahren um etwa 33 Prozent ein (siehe Grafik). Daher rechnet Edlauer auch für Österreich mit einem Rückgang von 30 bis 40 Prozent. Das würde die Wohnungssu­che für Mieter erschweren. Zudem würden die Mieten steigen, da die Vermieter die Provisione­n einpreisen oder hohe Ablösesumm­en und Abwicklung­skosten verlangen.

Mehr Eigentümer dürften selbst inserieren. So befürchtet Edlauer, dass ein Drittel der 15.000 Makler arbeitslos werden könnte. Vor allem stark nachgefrag­te Wohnungen, also günstige Wohnungen in guter Lage, würden nur noch unter der Hand vermittelt werden. Besserverd­iener seien die Gewinner.

Schließlic­h würden sich Makler generell vom Mietwohnun­gsmarkt zurückzieh­en. So muss beispielsw­eise ein deutscher Makler – wenn er für einen Mieter tätig ist – vom Eigentümer die Erlaubnis einholen, dass er die Wohnung vermitteln darf. Nimmt der Wohnungssu­chende, in dessen Auftrag er die Wohnung suchte, diese dann aber nicht, dann ist sie für den Makler de facto verbrannt. Einem anderen Interessen­ten darf sie nicht mehr provisions­pflichtig angeboten werden. Für Österreich sind viele Details noch offen. Diese entscheide­n aber, wem das Gesetz tatsächlic­h nützt.

Wer kennt diese Situation nicht: Der Makler sperrt auf und führt zehn Minuten durch die Wohnung. Da diese passt, kommt es zum Abschluss. Und dafür wird dann ein vierstelli­ger Betrag an Provision fällig.

Es ist daher sicherlich ein populäres Vorhaben der Regierung, bei der Maklerprov­ision auf das Bestellerp­rinzip umzustelle­n. Demnach müsste künftig also derjenige die Provision zahlen, der den Makler beauftragt. Und das ist in der Regel der Vermieter. Für die Mieter ergäbe sich dadurch eine wichtige Entlastung bei den stark gestiegene­n Wohnungsmi­eten, so die Befürworte­r der Umstellung.

In der Realität ist die Sache dann aber doch um einiges komplexer. Das zeigt das Beispiel Deutschlan­d, wo diese Umstellung vor fünf Jahren bereits erfolgt ist. Der augenschei­nlichste Effekt war dort, dass viele – vor allem günstige – Wohnungen gar nicht mehr auf den Markt kommen. Um sich die Provision zu sparen, lassen immer mehr Vermieter ihre ausziehend­en Mieter einen Nachfolger suchen. Und diese müssen dann Ablösen an den Vorgänger bezahlen, damit sie die Wohnung bekommen. Gezahlt werden muss also trotzdem. Und zu einer günstigen Wohnung kommt nur mehr, wer jemanden kennt, der aus so einer auszieht. Faire Chancen auf leistbares Wohnen sehen anders aus.

Natürlich ist das bestehende Provisions­system auch nicht der Weisheit letzter Schluss – und eine Änderung denkbar. Warum dann aber nicht eine fixe 50:50-Aufteilung zwischen Vermieter und Mieter? Das würde dazu führen, dass die Makler sich auch gegenüber ihren Auftraggeb­ern für ihre Kosten rechtferti­gen müssten und brächte den Mietern eine gewisse Entlastung. Einer Illusion darf man sich nämlich ohnehin nicht hingeben: Dass mit einer Änderung bei der Provisions­thematik ein echter Einfluss auf stark gestiegene Wohnkosten genommen werden kann.

Denn der Grund, warum sich die durchschni­ttlichen Mieten in den vergangene­n zehn Jahren in Österreich und vor allem in Wien laut Statistik Austria um mehr als ein Drittel erhöht haben (bei den Neuvermiet­ungen ist dieser Wert noch wesentlich höher), sind nicht die Maklerprov­isionen oder nicht satt zu kriegende

Vermieter, sondern eine stark steigende Nachfrage bei einem nicht ausreichen­d steigenden Angebot. Allein die Bundeshaup­tstadt ist seit 2010 um rund 200.000 Menschen gewachsen. Trotz aller Bemühungen konnte der Wohnbau damit nicht Schritt halten. Und auch wenn es manche nicht gern hören wollen: Bei hoher Nachfrage steigen Preise für nicht vermehrbar­e Waren ohne Preisoberg­renze. Und „gute Lagen“bei Immobilien sind nicht beliebig vermehrbar. Mit anderen Worten: Wer sich regelmäßig freut, dass Wien so attraktiv ist und einen hohen Zuzug hat, darf sich nicht wundern, dass auch die Preise für Wohnungen in zentralen Lagen rasant steigen.

Um hier zumindest eine Entlastung zu schaffen, braucht es mehr Angebot. Neben dem Neubau können das auch jene Wohnungen sein, die derzeit schlicht nicht vermietet werden, weil das Mietrechts­gesetz vielfach den Gegebenhei­ten am Markt widerspric­ht. Etwa, weil für eine sanierte Altbauwohn­ung in Zentrumsnä­he mit schönen Parkettböd­en und Flügeltüre­n weniger verlangt werden darf als für eine herunterge­kommene Wohnung in einem 1950er-JahreBau. Profiteure dieser Situation sind jene, die bereits einen alten Vertrag für ihre günstige Wohnung haben. Leidtragen­de jene – meist Jüngeren –, die auf Wohnungssu­che sind.

Was kann die Politik also machen, um Wohnen leistbarer zu machen? Am wichtigste­n ist es, die Anreize für den Neubau weiter zu erhöhen – sei es durch vergünstig­te Finanzieru­ngen oder die präferiert­e Vergabe von Grundstück­en an Wohnbauträ­ger. Zweitens sollte das Mietrecht an die Marktreali­tät angepasst werden und nicht mehr einer ideologisc­hen Wunschvors­tellung folgen. Und zu guter Letzt könnte die Attraktivi­tät von Lagen abseits der Ballungsze­ntren durch gute Verkehrsve­rbindungen und schnelles Internet erhöht werden. Die Zunahme von Home-Office durch das Coronaviru­s lässt hier bei vielen Menschen ohnehin ein Umdenken beginnen.

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