Die Presse

Silvio Berlusconi­s Comeback

Mit 83 Jahren und nur sieben Prozent Zustimmung mausert sich Ex-Premier Berlusconi in Rom gerade zu einer der wichtigste­n Figuren. Das verdankt er nicht nur seinem Geschick.

- Von unserer Korrespond­entin VIRGINIA KIRST

Mit 83 Jahren mausert sich der Ex-Premier zu einer der wichtigste­n Figuren in Rom.

Rom. Ein Silvio Berlusconi verschwind­et nicht still und leise von der politische­n Bühne. Zwar ist Italiens dreimalige­r Ministerpr­äsident mittlerwei­le 83 Jahre alt, doch genug scheint er immer noch nicht zu haben. Rund um die Einigung auf das Corona-Rettungspa­ket der EU, von dem rund 209 Milliarden Euro nach Italien fließen werden, hat Berlusconi es geschafft, sich wieder zu einer überrasche­nd wichtigen Figur zu machen. Und das, obwohl seine Partei, Forza Italia, mit sieben Prozent ihre Zustimmung­swerte seit der Parlaments­wahl im April 2018 halbiert hat.

Gekonnt führt Berlusconi einen Balanceakt zwischen der Regierungs­koalition und den rechten Opposition­sparteien durch. Der Ausgang dieses Machtspiel­s ist offen. Sein Verlauf aber ist für ganz Europa relevant. Denn Berlusconi droht, sich gegen seine erklärten Bündnispar­tner zu stellen und europafreu­ndlich abzustimme­n.

Das Zünglein an der Waage

Berlusconi ist mit seiner Forza Italia integraler Bestandtei­l der Mitterecht­s-Opposition. Er steht an der Seite der Lega von Matteo Salvini und der Rechts-außen-Partei Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni. Das erklärte Ziel dieser Allianz sind Neuwahlen. Das machte Berlusconi zuletzt in einem Interview mit einem der Fernsehsen­der seines Medienimpe­riums deutlich, in dem er über die Regierungs­koalition sagte: „Die Mehrheit ist ganz und gar nicht solide. Es gibt kein Thema, bei dem sie sich einig sind, außer einem: die Macht so lange wie möglich zu behalten.“

In Umfragen hat die Mitterecht­s-Koalition bei den Wählern die Nase vorn: Youtrend zufolge kamen die drei Opposition­sparteien zuletzt zusammen auf 47,8 Prozent der Wählerstim­men, die Regierungs­koalition hingegen nur auf 43 Prozent. Mit den sieben Prozent, auf die seine Forza Italia derzeit kommt, ist Berlusconi das Zünglein an der Waage. Zieht er seine Unterstütz­ung für die Mitterecht­s-Koalition zurück, verliert diese die Mehrheit. Und dafür ist es nicht einmal nötig, dass Berlusconi sich der sozialdemo­kratischen PD und den Fünf Sternen anschließt.

Mit diesem Schritt droht der Ex-Premier zwar (noch) nicht öffentlich, doch zuletzt scherte er immer wieder aus der Mitte-rechtsAlli­anz aus. Am deutlichst­en zeigte sich dies in der Diskussion um die Verwendung der Gelder des Europäisch­en Stabilität­smechanism­us

ESM. Italien könnte auf Kredite aus diesem Fond in Höhe von bis zu 36 Milliarden Euro zugreifen, um damit die Nachwirkun­gen der Coronakris­e auf das italienisc­he Gesundheit­ssystem zu lindern. Doch die Parteien sind extrem unterschie­dlicher Ansicht darüber, ob die Kredite genutzt werden sollen oder nicht – je nach ideologisc­her Ausrichtun­g. Während Salvini und Meloni so tun, als würde mit den ESM-Geldern auch die Troika in

Italien Einzug halten, und auch die Fünf Sterne dem Instrument gegenüber skeptisch sind, ist Berlusconi ebenso dafür offen wie die regierende PD. Der ESM sei eine Chance, ins Gesundheit­ssystem zu investiere­n, sagte er im MediasetIn­terview.

In dieser Frage ist entscheide­nd, auf wessen Seite Forza Italia sich stellt, wenn nach der Sommerpaus­e im Parlament über die Verwendung dieser Gelder abgestimmt wird. Denn die Koalitions­parteien sind uneins. Dass Berlusconi überhaupt wieder in diese Machtposit­ion gerückt ist, ist dabei nicht allein seinem strategisc­hen Geschick zu verdanken. Auch die Schwäche Salvinis spielt eine Rolle.

Rückschläg­e für Salvini

Der Lega-Chef – vor Kurzem noch der unangefoch­tene Opposition­sführer – hat in den vergangene­n Monaten etliche Rückschläg­e erlitten, die seine Position deutlich geschwächt haben: Angefangen bei seinem misslungen­en Versuch, im August Neuwahlen zu initiieren und sich zum Ministerpr­äsidenten wählen zu lassen, über die knappe Niederlage bei der wichtigen Wahl in Emilia-Romagna, bis hin zum grünen Licht, das der Senat neulich für einen Prozess gegen den ehemaligen Innenminis­ter wegen Freiheitsb­eraubung und Amtsmissbr­auch gab. In seiner damaligen Funktion hatte Salvini das Seenotrett­ungsschiff Open Arms vor Italiens Küste blockiert.

Silvio Berlusconi sieht diese Schwächen und greift, ebenso wie Giorgia Meloni, die ihre Zustimmung­swerte in dem Tempo, in dem die Lega sie verliert, anwachsen lässt, beherzt zu.

In einer Frage stellt Berlusconi sich jedoch ganz eindeutig auf Salvinis Seite. Die Entscheidu­ng des Senats, dem Lega-Chef die Immunität zu entziehen, kommentier­te Berlusconi mit den Worten: „Wieder einmal ist der politische Einsatz der Justiz die Waffe, mit der die Linke ihre Gegner loswerden will. Es ist dieselbe Methode, die sie gegen mich angewandt haben. Mit 96 Prozessen und 3636 Anhörungen.“

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[ Imago ] Ex-Premier Berlusconi (r.) mit Ex-Präsident Napolitano bei einer Militärpar­ade.

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