Das Freibad auf dem Gürtel
Gürtelfrische West. Die Aufbauarbeiten laufen, ab dem Wochenende soll auf der Gürtelkreuzung Freibad-Atmosphäre herrschen. Wie soll das funktionieren – und was bringt das?
Ab dem Wochenende soll auf einer Gürtel-Kreuzung ein temporäres Bad eröffnen.
Wien. Es ist das sicher kontroverseste Projekt des an kontroversen (temporären) Projekten um Verkehr und alternative Flächennutzung nicht gerade armen Wiener Sommers. Und so dauert es am Dienstagmorgen, zur Stoßzeit, die Kreuzung ist nun seit der Nacht gesperrt, keine halbe Minute, bis einer kommt und seine Meinung kundtut. „Gefällt Ihnen das? Werden Sie da drin baden?“, fragt ein älterer Mann – und sagt, dass er davon nichts halte, zu teuer sei das, umsonst, aber er habe ja auch seinen eigenen Pool daheim.
Unter den Anrainern dieser Gegend Wiens wäre er damit ziemlich allein, sie erhalten nun ein temporäres Bad. Diese Woche wird aufgebaut, am Samstag soll der dreiwöchige Bade-, Freizeit- und Kulturbetrieb losgehen. Ein Freibad auf einer mehrspurigen Kreuzung, nach Hygienestandards der öffentlichen Bäder, mitten in der Coronazeit. Wie soll das funktionieren?
„Wir bauen eine Außenkonstruktion aus Metall und Holz und ein Überlaufbecken, in das also Wasser überlaufen kann und ständig gefiltert wird, das ist aufwendig und technisch eine große Anforderung, aber so entspricht es den Hygienebestimmungen, bei einem Container wäre das nicht möglich gewesen“, sagt Susanne Haider von der Agentur art:phalanx, die das Projekt der Bezirke Rudolfsheim-Fünfhaus und Neubau betreut. Daneben gibt es einen TechnikContainer, der Pool wird mit Treppenaufgang und Geländer ausgerüstet, im 36-m2-Becken mit 1,40 Meter Tiefe werden sich zugleich sechs Menschen aufhalten dürfen, so wollen es die Corona-Regularien. Damit das eingehalten wird, muss stets ein Bademeister von einem Schiedsrichterstuhl aus über das Becken wachen. Wie genau der Zugang geregelt wird? Ob Kinder zum Planschen oder Schwimmer kommen werden? „Es wird spannend, wie das funktioniert, wer kommt, dann wird man nach Gefühl dafür sorgen, dass das funktioniert“, sagt Haider.
Um das Becken soll es, auf Kunstrasen, samt Umkleidebereich, Kiosk, Duschen, Liegestühlen eine Art Freibad-Betrieb geben. Aber das sei nur ein Teil des Projekts Gürtelfrische, sagt Haider. In der Grünfläche, der Gürtel-Mittelzone, wird eine Bühne errichtet. Geplant sind Konzerte, Workshops, Programm von Chören bis Zauberei oder ein Servicestand für Fahrradreparaturen. Und es gibt einen alten Wiener-Linien-Bus, in dem man (nach Anmeldung und mit Menschen, mit denen man zusammenlebt) auch nächtigen kann, um einen Eindruck davon zu bekommen, was es heißt, an der stärkstbefahrenen Straße Wiens zu leben. Haider betont, es gehe nicht nur ums Bad. „Bei allem hier geht es um den Lebensraum Stadt.“
Viel Kritik, aber weniger als erwartet
Die Gürtelfrische wird ab Samstag drei Wochen lang kostenfrei zugänglich sein, Ab 30. August werden Pool, Bühne und alles ringsum abgebaut. Der Pool soll aber genutzt werden, hier gebe es viele Einsatzmöglichkeiten im nächsten Sommer, sagt Haider. War der Aufwand, ihn extra bauen zu lassen, doch hoch – wie auch die Kosten: 150.000 Euro sind für das Projekt budgetiert.
Und vor allem diese Kosten sind es, die für Kontroversen sorgen. Aber „wir hätten mit mehr Kritik gerechnet“, sagt Haider. Bei dieser Kritik gehe es zum einen darum, dass sich Autofahrer benachteiligt fühlen, zum anderen um die Kosten. „Hier ist wichtig zu sagen: Es ist kein Projekt gegen Autofahrer, es geht um das Thema öffentlicher Raum, um die Frage, wie verteilt man den Platz. Dieses Thema ist in den vergangenen Monaten noch wichtiger geworden. Es sorgt für Kontroversen, aber es gibt auch sehr viel positiven Zuspruch. Es ist ein Projekt, das niemanden kaltlässt“, sagt Haider.
Größere Staus sind am ersten Tag der Sperre der Querung des Gürtels jedenfalls auch zur Stoßzeit ausgeblieben. Auch beim ÖAMTC bestätigt man, die Aufregung sei im Vorfeld zwar groß gewesen, auch kamen viele Anrufe wegen der Sperre, diese werde zwar zu Umwegen für Einzelne, aber nicht zu mehr Staus am Gürtel führen.