Die Presse

Das Freibad auf dem Gürtel

Gürtelfris­che West. Die Aufbauarbe­iten laufen, ab dem Wochenende soll auf der Gürtelkreu­zung Freibad-Atmosphäre herrschen. Wie soll das funktionie­ren – und was bringt das?

- VON CHRISTINE IMLINGER

Ab dem Wochenende soll auf einer Gürtel-Kreuzung ein temporäres Bad eröffnen.

Wien. Es ist das sicher kontrovers­este Projekt des an kontrovers­en (temporären) Projekten um Verkehr und alternativ­e Flächennut­zung nicht gerade armen Wiener Sommers. Und so dauert es am Dienstagmo­rgen, zur Stoßzeit, die Kreuzung ist nun seit der Nacht gesperrt, keine halbe Minute, bis einer kommt und seine Meinung kundtut. „Gefällt Ihnen das? Werden Sie da drin baden?“, fragt ein älterer Mann – und sagt, dass er davon nichts halte, zu teuer sei das, umsonst, aber er habe ja auch seinen eigenen Pool daheim.

Unter den Anrainern dieser Gegend Wiens wäre er damit ziemlich allein, sie erhalten nun ein temporäres Bad. Diese Woche wird aufgebaut, am Samstag soll der dreiwöchig­e Bade-, Freizeit- und Kulturbetr­ieb losgehen. Ein Freibad auf einer mehrspurig­en Kreuzung, nach Hygienesta­ndards der öffentlich­en Bäder, mitten in der Coronazeit. Wie soll das funktionie­ren?

„Wir bauen eine Außenkonst­ruktion aus Metall und Holz und ein Überlaufbe­cken, in das also Wasser überlaufen kann und ständig gefiltert wird, das ist aufwendig und technisch eine große Anforderun­g, aber so entspricht es den Hygienebes­timmungen, bei einem Container wäre das nicht möglich gewesen“, sagt Susanne Haider von der Agentur art:phalanx, die das Projekt der Bezirke Rudolfshei­m-Fünfhaus und Neubau betreut. Daneben gibt es einen TechnikCon­tainer, der Pool wird mit Treppenauf­gang und Geländer ausgerüste­t, im 36-m2-Becken mit 1,40 Meter Tiefe werden sich zugleich sechs Menschen aufhalten dürfen, so wollen es die Corona-Regularien. Damit das eingehalte­n wird, muss stets ein Bademeiste­r von einem Schiedsric­hterstuhl aus über das Becken wachen. Wie genau der Zugang geregelt wird? Ob Kinder zum Planschen oder Schwimmer kommen werden? „Es wird spannend, wie das funktionie­rt, wer kommt, dann wird man nach Gefühl dafür sorgen, dass das funktionie­rt“, sagt Haider.

Um das Becken soll es, auf Kunstrasen, samt Umkleidebe­reich, Kiosk, Duschen, Liegestühl­en eine Art Freibad-Betrieb geben. Aber das sei nur ein Teil des Projekts Gürtelfris­che, sagt Haider. In der Grünfläche, der Gürtel-Mittelzone, wird eine Bühne errichtet. Geplant sind Konzerte, Workshops, Programm von Chören bis Zauberei oder ein Servicesta­nd für Fahrradrep­araturen. Und es gibt einen alten Wiener-Linien-Bus, in dem man (nach Anmeldung und mit Menschen, mit denen man zusammenle­bt) auch nächtigen kann, um einen Eindruck davon zu bekommen, was es heißt, an der stärkstbef­ahrenen Straße Wiens zu leben. Haider betont, es gehe nicht nur ums Bad. „Bei allem hier geht es um den Lebensraum Stadt.“

Viel Kritik, aber weniger als erwartet

Die Gürtelfris­che wird ab Samstag drei Wochen lang kostenfrei zugänglich sein, Ab 30. August werden Pool, Bühne und alles ringsum abgebaut. Der Pool soll aber genutzt werden, hier gebe es viele Einsatzmög­lichkeiten im nächsten Sommer, sagt Haider. War der Aufwand, ihn extra bauen zu lassen, doch hoch – wie auch die Kosten: 150.000 Euro sind für das Projekt budgetiert.

Und vor allem diese Kosten sind es, die für Kontrovers­en sorgen. Aber „wir hätten mit mehr Kritik gerechnet“, sagt Haider. Bei dieser Kritik gehe es zum einen darum, dass sich Autofahrer benachteil­igt fühlen, zum anderen um die Kosten. „Hier ist wichtig zu sagen: Es ist kein Projekt gegen Autofahrer, es geht um das Thema öffentlich­er Raum, um die Frage, wie verteilt man den Platz. Dieses Thema ist in den vergangene­n Monaten noch wichtiger geworden. Es sorgt für Kontrovers­en, aber es gibt auch sehr viel positiven Zuspruch. Es ist ein Projekt, das niemanden kaltlässt“, sagt Haider.

Größere Staus sind am ersten Tag der Sperre der Querung des Gürtels jedenfalls auch zur Stoßzeit ausgeblieb­en. Auch beim ÖAMTC bestätigt man, die Aufregung sei im Vorfeld zwar groß gewesen, auch kamen viele Anrufe wegen der Sperre, diese werde zwar zu Umwegen für Einzelne, aber nicht zu mehr Staus am Gürtel führen.

 ?? [ Caio Kauffmann ] ?? Die Zebrastrei­fen an der Kreuzung wurden im Vorfeld der Aufbauarbe­iten bunt eingefärbt.
[ Caio Kauffmann ] Die Zebrastrei­fen an der Kreuzung wurden im Vorfeld der Aufbauarbe­iten bunt eingefärbt.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria