Wer wusste was im Burgenland?
Commerzialbank. Der Landeshauptmann versichert, keine Tipps gegeben zu haben. Die ÖVP will seine Telefonprotokolle sehen – und die FPÖ Ex-Landesrat Illedits in den Ibiza-U-Ausschuss laden.
Offenbar ist ,Novomatic zahlt alle‘ auch im Burgenland zur Anwendung gekommen.
Wien/Eisenstadt. Im beschaulichen Nordburgenland ist es seit einigen Tagen nicht mehr so leicht, den Überblick zu behalten. Jeder kennt jemanden, der angeblich Brisantes über den Commerzialbank-Skandal zu berichten weiß. Mutmaßungen und Schuldzuweisungen dominieren nicht nur die politische Aufarbeitung, sondern auch jene an den Stammtischen. Da wie dort fragt man sich und einander: Wer wusste was? Und wenn ja: wann?
Eines der jüngeren Gerüchte besagt, dass Bankchef Martin Pucher in den Mittagsstunden des 14. Juli Landeshauptmann Hans Peter Doskozil angerufen habe, um ihm mitzuteilen, dass er zurückgetreten sei und die Bank unmittelbar vor der Schließung stünde. Was Doskozil entschieden in Abrede stellt.
Laut Finanzmarktaufsicht (FMA) erkundigte sich der Landeshauptmann an diesem 14. Juli gegen 17.30 Uhr schriftlich bei ihr, womit denn nun zu rechnen sei, nachdem er gehört hatte, dass sich Pucher bei der Staatsanwaltschaft selbst angezeigt habe. Gegen 20.30 Uhr antwortete die FMA, dass die Commerzialbank demnächst geschlossen werde. Doskozil berichtete, er habe dann seine Regierung informiert, sonst aber niemanden. Barbehebungen und Überweisungen seien zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen.
Unbekannter Informant
Und wer hat dann beispielsweise dem Regionalmanagement Burgenland (RMB), das zwei Stunden vor der Schließung (erfolglos) versucht hatte, 1,4 Millionen Euro in eine andere Bank zu transferieren, den Tipp gegeben? „Wir nicht“, versichert das LandeshauptmannBüro. Gerüchte seien den ganzen Tag schon im Umlauf gewesen, einige Medien hätten bereits recherchiert. „In dieser Situation haben Personen auch fünf bis zehn Millionen Euro aus der Bank abgezogen“, sagte Doskozil dem ORF Burgenland. Der RMB-Geschäftsführer, der sein Unternehmen zu vertreten habe und auch für Steuergelder (hauptsächlich EU-Förderungen) verantwortlich sei, habe es dann am Abend ebenfalls versucht.
Die burgenländische ÖVP kündigte am Dienstag einen Sonderlandtag an und stellte Doskozil sieben Fragen. Unter anderem will sie wissen, wen er über die bevorstehende Bankschließung informiert habe. Sollte sich der Landeshauptmann nicht erinnern, mögen er und sein Team die Telefonprotokolle für
13. und 14. Juli offenlegen. SPÖ-Landesgeschäftsführer Roland Fürst schoss sich einstweilen auf den Aufsichtsrat der Commerzialbank ein, in dem „vorwiegend ÖVP-Funktionäre“säßen, und warf seinerseits die Frage auf, ob dieses schwarze „Netzwerk“vorab von der Sperre gewusst und vielleicht Geld abgezogen habe.
Die FPÖ wiederum will ExWirtschaftslandesrat Christian Illedits, der am Samstag zurückgetreten ist, in den Ibiza-Untersuchungsausschuss laden. Als Begründung gab sie einen Konnex zum Glücksspielkonzern Novomatic an: Der Fußballverein ASV Draßburg, dessen Präsident Illedits war, habe einen Sponsorvertrag mit der Novomatic-Tochter Admiral bekommen, während Illedits das Kleine Glücksspiel für das Burgenland mitverhandelt habe. Im Jahr 2014 gab es eine diesbezügliche Anzeige an die Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft, wie die „Krone“berichtete. Die Ermittlungen wurden mangels Anfangsverdachts aber eingestellt. Vordergründig war Illedits wegen eines 100-Gramm-Goldblattes im Wert von 5400 Euro zurückgetreten, das ihm der SV Mattersburg und sein Obmann Martin Pucher zum 60. Geburtstag geschenkt hatten. Der Landesrat war nämlich
Christian Hafenecker, FPÖ
auch Aufsichtsratschef der Fußballakademie Burgenland, Pucher sein Stellvertreter. Und über die Sportschiene gab es eine weitere Verbindung zwischen den beiden: Die Commerzialbank sponserte den ASV Draßburg mit etwa 60.000 Euro pro Jahr (wie auch andere Vereine im Bezirk Mattersburg). Daran war, Stand jetzt, nichts Illegales. Aber über diese Verquickungen war auch die Regierung Doskozil angreifbar geworden.
Illedits-Nachfolger(in) gesucht
Nächste Woche will die SPÖ den Illedits-Nachfolger im Sozial- und Wirtschaftsressort bekannt geben. Zu den Kandidaten zählen Landesgeschäftsführer Roland Fürst, der einst das Department Soziales an der FH Burgenland leitete, und FHGeschäftsführer Georg Pehm. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass Doskozil einen Experten oder eine Expertin von außen holt.