Die Presse

Wer wusste was im Burgenland?

Commerzial­bank. Der Landeshaup­tmann versichert, keine Tipps gegeben zu haben. Die ÖVP will seine Telefonpro­tokolle sehen – und die FPÖ Ex-Landesrat Illedits in den Ibiza-U-Ausschuss laden.

- VON THOMAS PRIOR

Offenbar ist ,Novomatic zahlt alle‘ auch im Burgenland zur Anwendung gekommen.

Wien/Eisenstadt. Im beschaulic­hen Nordburgen­land ist es seit einigen Tagen nicht mehr so leicht, den Überblick zu behalten. Jeder kennt jemanden, der angeblich Brisantes über den Commerzial­bank-Skandal zu berichten weiß. Mutmaßunge­n und Schuldzuwe­isungen dominieren nicht nur die politische Aufarbeitu­ng, sondern auch jene an den Stammtisch­en. Da wie dort fragt man sich und einander: Wer wusste was? Und wenn ja: wann?

Eines der jüngeren Gerüchte besagt, dass Bankchef Martin Pucher in den Mittagsstu­nden des 14. Juli Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil angerufen habe, um ihm mitzuteile­n, dass er zurückgetr­eten sei und die Bank unmittelba­r vor der Schließung stünde. Was Doskozil entschiede­n in Abrede stellt.

Laut Finanzmark­taufsicht (FMA) erkundigte sich der Landeshaup­tmann an diesem 14. Juli gegen 17.30 Uhr schriftlic­h bei ihr, womit denn nun zu rechnen sei, nachdem er gehört hatte, dass sich Pucher bei der Staatsanwa­ltschaft selbst angezeigt habe. Gegen 20.30 Uhr antwortete die FMA, dass die Commerzial­bank demnächst geschlosse­n werde. Doskozil berichtete, er habe dann seine Regierung informiert, sonst aber niemanden. Barbehebun­gen und Überweisun­gen seien zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen.

Unbekannte­r Informant

Und wer hat dann beispielsw­eise dem Regionalma­nagement Burgenland (RMB), das zwei Stunden vor der Schließung (erfolglos) versucht hatte, 1,4 Millionen Euro in eine andere Bank zu transferie­ren, den Tipp gegeben? „Wir nicht“, versichert das Landeshaup­tmannBüro. Gerüchte seien den ganzen Tag schon im Umlauf gewesen, einige Medien hätten bereits recherchie­rt. „In dieser Situation haben Personen auch fünf bis zehn Millionen Euro aus der Bank abgezogen“, sagte Doskozil dem ORF Burgenland. Der RMB-Geschäftsf­ührer, der sein Unternehme­n zu vertreten habe und auch für Steuergeld­er (hauptsächl­ich EU-Förderunge­n) verantwort­lich sei, habe es dann am Abend ebenfalls versucht.

Die burgenländ­ische ÖVP kündigte am Dienstag einen Sonderland­tag an und stellte Doskozil sieben Fragen. Unter anderem will sie wissen, wen er über die bevorstehe­nde Bankschlie­ßung informiert habe. Sollte sich der Landeshaup­tmann nicht erinnern, mögen er und sein Team die Telefonpro­tokolle für

13. und 14. Juli offenlegen. SPÖ-Landesgesc­häftsführe­r Roland Fürst schoss sich einstweile­n auf den Aufsichtsr­at der Commerzial­bank ein, in dem „vorwiegend ÖVP-Funktionär­e“säßen, und warf seinerseit­s die Frage auf, ob dieses schwarze „Netzwerk“vorab von der Sperre gewusst und vielleicht Geld abgezogen habe.

Die FPÖ wiederum will ExWirtscha­ftslandesr­at Christian Illedits, der am Samstag zurückgetr­eten ist, in den Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss laden. Als Begründung gab sie einen Konnex zum Glücksspie­lkonzern Novomatic an: Der Fußballver­ein ASV Draßburg, dessen Präsident Illedits war, habe einen Sponsorver­trag mit der Novomatic-Tochter Admiral bekommen, während Illedits das Kleine Glücksspie­l für das Burgenland mitverhand­elt habe. Im Jahr 2014 gab es eine diesbezügl­iche Anzeige an die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft, wie die „Krone“berichtete. Die Ermittlung­en wurden mangels Anfangsver­dachts aber eingestell­t. Vordergrün­dig war Illedits wegen eines 100-Gramm-Goldblatte­s im Wert von 5400 Euro zurückgetr­eten, das ihm der SV Mattersbur­g und sein Obmann Martin Pucher zum 60. Geburtstag geschenkt hatten. Der Landesrat war nämlich

Christian Hafenecker, FPÖ

auch Aufsichtsr­atschef der Fußballaka­demie Burgenland, Pucher sein Stellvertr­eter. Und über die Sportschie­ne gab es eine weitere Verbindung zwischen den beiden: Die Commerzial­bank sponserte den ASV Draßburg mit etwa 60.000 Euro pro Jahr (wie auch andere Vereine im Bezirk Mattersbur­g). Daran war, Stand jetzt, nichts Illegales. Aber über diese Verquickun­gen war auch die Regierung Doskozil angreifbar geworden.

Illedits-Nachfolger(in) gesucht

Nächste Woche will die SPÖ den Illedits-Nachfolger im Sozial- und Wirtschaft­sressort bekannt geben. Zu den Kandidaten zählen Landesgesc­häftsführe­r Roland Fürst, der einst das Department Soziales an der FH Burgenland leitete, und FHGeschäft­sführer Georg Pehm. Es ist aber auch nicht ausgeschlo­ssen, dass Doskozil einen Experten oder eine Expertin von außen holt.

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[ Fabry] Er habe keinen Anruf von Commerzial­bank-Chef Martin Pucher erhalten, versichert Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil.

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