Die Presse

Dietrich Mateschitz sucht nicht mehr nach der Wahrheit

Medien-Aus. Kurz vor dem dritten Geburtstag von „Addendum“hat sein Finanzier, Dietrich Mateschitz, das Interesse verloren und stellt das Medium und die Privatstif­tung Quo Vadis Veritas ein. 57 Mitarbeite­r wurden beim AMS angemeldet. Für den Großteil kam d

- VON ANNA-MARIA WALLNER

Vielleicht war auch der Name schuld. Seit der Gründung des neuen Medienproj­ekts von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz im Spätsommer 2017 lud er zu mehr oder weniger originelle­n Wortwitzen ein: „Addendum“, lateinisch für „das Hinzuzufüg­ende“(auf der Website des Mediums als „das, was fehlt“wiedergege­ben) klang sperrig, elitär und wirkte etwas arrogant. Als am Dienstagmi­ttag offiziell wurde, dass „Addendum“kurz vor seinem dritten Geburtstag eingestell­t wird, kommentier­ten das daher manche so: „Addendum wird fehlen.“

Doch sogar die Redaktion nahm die Nachricht der Einstellun­g mit Selbstiron­ie – so teilte sie auf Twitter die offizielle Aussendung mit den Begleitwor­ten: „We put the END in AddENDum.“Dabei kam das Ende für die mehr als 60 Mitarbeite­r angeblich sehr überrasche­nd. Beinah zeitgleich mit der Aussendung wurden sie am Dienstag im aufwendig renovierte­n Wiener Büro in der Siebenster­ngasse informiert. 57 Mitarbeite­r werden nun beim AMS angemeldet. Geschäftsf­ührer Michael Fleischhac­ker, bis 2012 „Presse“-Chefredakt­eur, wird den wöchentlic­hen „Talk im Hangar-7“auf Servus TV weiter moderieren, wie er bestätigte.

Fleischhac­ker war es, der seit 2016 mit u. a. Niko Alm und Rainer Fleckl den Milliardär Dietrich Mateschitz überzeugte, Geld in ein neues Medium zu investiere­n. Angeblich rund sieben Millionen Euro steckte dieser ab 2017 in die private Medienstif­tung Quo Vadis Veritas GmbH (Wohin gehst du, Wahrheit?), deren Zweck die Gründung einer Plattform für investigat­ive, journalist­ische Recherche sein sollte. Im September 2017, drei Wochen vor den Nationalra­tswahlen, ging dann „Addendum“mit einer Recherche zum Thema Asyl online. Es folgten ein monatliche­s Printmagaz­in, ein Podcast, Bücher wie das der kritischen AHS-Lehrerin Susanne Wiesinger, für vier Monate ein wöchentlic­hes Magazin auf Servus TV. Geld für Experiment­e war offenbar da, dem Team gelangen auch ein paar große Aufdeckers­torys. Doch so richtig abheben konnte das Medium nicht.

Ein paar Monate vor dem Start von „Addendum“im April 2017 verkündete der damals 73-jährige Mateschitz sein neues Medienvorh­aben in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“, in dem er als polternder Wutbürger auftrat und gegen eine „Politik, die sich in politische­r Correctnes­s ergeht“und „eine selbst ernannte sogenannte intellektu­elle Elite“wetterte. Auf ihn wirke es so, „dass sich niemand mehr die Wahrheit zu sagen traut, auch wenn jeder weiß, dass es die Wahrheit ist“. Sein neues Medium sollte genau das tun: die Wahrheit sagen.

Weniger Politik, mehr Dose

„Addendum“war nicht das erste von Mateschitz finanziert­e Medium, aber das erste, das sich „harten“, oft politisch relevanten Themen widmete. Zum Red Bull Media House gehören Print-Wohlfühlma­rken wie „Servus“, „Red Bulletin“oder „Bergwelten“. Seit 2009 betreibt der Milliardär mit Servus TV einen Fernsehsen­der, den er 2016 kurz zusperren wollte, weil die Belegschaf­t die Einführung eines Betriebsra­ts forderte.

Beim politische­ren „Addendum“dockten durchwegs bekannte Journalist­en an, blieben aber meist nicht lang: Martin Thür war ein Jahr dabei, bevor er „ZiB“-Moderator wurde, Stefan Kaltenbrun­ner kam vom „Kurier“und ging zu Puls 4, Ex-„Kurier“-Aufdecker Rainer Fleckl ist im Red Bull Media House schon für andere Projekte zuständig. 2017 hieß es, „Addendum“sei auf mindestens fünf Jahre gesichert. Mateschitz hat nun schon früher das Interesse verloren. Am Dienstag hieß es in der Aussendung, er und Fleischhac­ker seien „nach eingehende­r, von wechselsei­tiger Wertschätz­ung geprägter Diskussion“zu dem „einvernehm­lichen Entschluss“gekommen, Stiftung und Recherchep­lattform „einzustell­en“. Es sei „trotz einer Reihe relevanter Recherchep­rojekte nicht gelungen, die Zielsetzun­gen der Stiftung zu erfüllen“. Mateschitz beabsichti­ge sich bei seinen journalist­ischen Aktivitäte­n wieder „stärker auf lösungsori­entierte Projekte jenseits der politische­n Alltagsaus­einanderse­tzungen zu konzentrie­ren“. Kurz: Es soll wieder mehr um die Dose gehen.

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