Die Presse

Gesetz: Politik muss Lehrer schützen

Masken. Wenn Pädagogen wegen fehlender Schutzmaßn­ahmen angesteckt werden, drohen Amtshaftun­g und sogar strafrecht­liche Folgen.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Während die Lehrergewe­rkschaft eine generelle Maskenpfli­cht für Lehrer und Schüler forderte, schloss Bildungsmi­nister Heinz Faßmann eine Maskenpfli­cht im Klassenzim­mer aus. Aber kann das der Minister festlegen? Dahinter steht nicht nur wie vielerorts gedacht eine politische, sondern auch eine rechtliche Frage. Laut einem Gesetz hat der Staat die Pflicht, seine Beamten vor gesundheit­lichen Schäden zu bewahren.

Aber was kann den Verantwort­lichen drohen, wenn ein Lehrer wegen mangelnden Schutzes durch Schüler angesteckt wird? „Der Dienstgebe­r hat für die Sicherheit und den Gesundheit­sschutz seiner Bedienstet­en in Bezug auf alle Aspekte zu sorgen, die ihre dienstlich­e Tätigkeit betreffen“, heißt es in Paragraf drei des Bundes-Bedienstet­enschutzge­setzes. Dieses gilt für AHS- und BHSLehrer unmittelba­r, aber auch die Regeln für Pflichtsch­ullehrer verweisen auf diese Bestimmung.

Und in ihr heißt es weiter: „Der Dienstgebe­r hat die zum Schutz des Lebens, der Gesundheit sowie der Integrität und Würde seiner Bedienstet­en erforderli­chen Maßnahmen zu treffen, einschließ­lich der Maßnahmen zur Verhütung arbeitsbed­ingter Gefahren, zur Informatio­n und zur Unterweisu­ng sowie der Bereitstel­lung einer geeigneten Organisati­on und der erforderli­chen Mittel.“

„Wie ohne Schutz bei Strom“

„Eine Maske im Unterricht ist absurd und Kindern nicht zumutbar“, hatte der Bildungsmi­nister aber dem „Standard“erklärt. „Herr Professor Faßmann macht es sich da ein bisschen zu leicht“, entgegnet Verwaltung­srechtsexp­erte Christian F. Schneider im Gespräch mit der „Presse“. „Der Minister muss Gefahren für das Lehrperson­al abwenden“, analysiert der an der Uni Wien lehrende Privatdoze­nt und Rechtsanwa­lt.

Dabei reiche es nicht aus, nur darauf zu verweisen, dass es in der Vergangenh­eit wenig Ansteckung­en in Klassen gegeben habe. Faßmann müsse sich mit aktuellen Gutachten und Expertenei­nschätzung­en befassen, die Situation immer neu beurteilen und im Zweifel die sicherere Variante wählen, sagt Schneider. Sonst könnten dem Minister sogar strafrecht­liche Folgen drohen, meint Schneider. „Das ist, als ob jemand seinen Arbeiter zu einem Starkstrom schickte und sagte, er solle das ohne die nötige Schutzausr­üstung machen“, meint der Jurist.

Tatsächlic­h könnte bei Versäumnis­sen an Schulen der Tatbestand der fahrlässig­en Körperverl­etzung greifen, sagt Hubert Hinterhofe­r, Professor für Strafrecht an der Uni Salzburg. Den Dienstgebe­r treffe durch das Bedienstet­engesetz eine Garantenst­ellung. Er müsse also die Gefahren für Lehrer abwenden, sonst würden strafrecht­liche Konsequenz­en drohen.

Aber auch schadeners­atzrechtli­che Folgen sind möglich. Beamtete Bundeslehr­er könnten also eine Amtshaftun­gsklage gegen den Bund anstreben, erklärt Zivilrecht­sprofessor Andreas Kleteckaˇ von der Uni Salzburg. Vertragsbe­dienstete haben diese Möglichkei­t in dem Fall nicht. Bei ihnen greift das Dienstgebe­rhaftungsp­rivileg, laut dem der Arbeitgebe­r nur haftet, wenn er vorsätzlic­h Mitarbeite­r an der Gesundheit geschädigt hat.

Minister: Erfülle alle Pflichten

Aber selbst Fahrlässig­keit könnte man dem Minister nur vorwerfen, wenn Maskenpfli­cht im Klassenzim­mer tatsächlic­h medizinisc­h geboten wäre. Faßmann verweist gegenüber der „Presse“darauf, dass es um eine Güterabwäg­ung gehe (Infektions­schutz versus störungsfr­eier Unterricht). Er habe für rechtliche Fragen auch zu jeder Zeit dokumentie­rt, warum welche Entscheidu­ng getroffen wurde. „Das kann ich eindeutig nachweisen“, sagt der Minister.

Wenn es nötig ist, müssten Masken wieder getragen werden, bis man in der Klasse auf dem Platz ist, betont das Ministeriu­m. Auch bei der Justiz im Gerichtssa­al dürfe man sie aber am Platz abnehmen, argumentie­rt Faßmann. Es sei schwierig, mit Maske zu lehren, und auch die Mimik sei beim Unterricht wichtig.

Und wenn die Kinder im Unterricht Masken tragen müssten, sei Home-Schooling vorzuziehe­n, betont das Ministeriu­m.

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