Rangeln um Entschädigungen: Ist das letzte Wort gesprochen?
Epidemiegesetz. Antragsfristen laufen wieder, eine Verordnung regelt die Berechnung – aber welche Firmen können das jetzt noch nützen?
Wien. Das Covid-19-Maßnahmengesetz ist nicht verfassungswidrig. Das hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) entschieden. So manchen Unternehmer hat das enttäuscht – denn die obersten Verfassungshüter haben damit auch bestätigt, dass es für das Gros der coronabedingten Betretungsverbote in heimischen Betrieben, vom Handel bis zur Gastronomie, keinen Entschädigungsanspruch nach Epidemiegesetz geben soll.
Der Gesetzgeber habe das Betretungsverbot nicht als isolierte Maßnahme erlassen, sondern in ein umfangreiches Rettungspaket eingebettet, das funktionell darauf abzielt, die wirtschaftlichen Auswirkungen abzufedern, befand der VfGH (G 202/2020 u. a.). Dieses Rettungspaket habe „eine im Wesentlichen vergleichbare Zielrichtung“wie die Vergütung des Verdienstentganges nach dem Epidemiegesetz. Damit sei der Gleichheitsgrundsatz gewahrt.
Das sehen freilich nicht alle Betroffenen so, die sich jetzt durch einen Dschungel an Hilfspaketen kämpfen müssen. Teils stehe auch Emotionales dahinter, sagt Rechtsanwalt Dieter Heine (Kanzlei Vavrovsky Heine Marth): „Man wurde vom Berechtigten zum Bittsteller gemacht.“Denn während das Epidemiegesetz Betroffenen einen Rechtsanspruch gibt, ist das bei den Förderungen, die teilweise sogar im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes erbracht werden, nicht der Fall.
Doch eine Art „Anspruch“?
Der VfGH sieht auch das nicht so eng: Aus der Fiskalgeltung der Grundrechte sei zu folgern, dass „Betroffene einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf haben, dass ihnen solche Förderungen in gleichheitskonformer Weise und nach sachlichen Kriterien ebenso wie anderen Förderungswerbern gewährt werden“. Und überhaupt sei es vertretbar, dass bei einer Pandemie anders vorgegangen wird als bei einer lokal begrenzten Epidemie, die lediglich die Schließung einzelner Betriebe erfordert. Der VfGH habe hier mitbedenken müssen, „dass es sich um eine außergewöhnliche Situation handelt, die der Staat verkraften können muss“, sagt Heine.
Aber trotz allem gibt es Unternehmen, die zumindest einen Teil ihres Verdienstentgangs eben doch laut Epidemiegesetz geltend machen können. Im Wesentlichen betrifft das die Tourismuswirtschaft in Westösterreich. „Diese Betriebe waren die ersten, die zugesperrt wurden“, sagt Heine. Für diese allerersten Sperren noch vor Inkrafttreten des Covid-19-Maßnahmengesetzes galt noch das alte Regime.
Und nicht nur das: Diese Firmen bekamen sogar eine neue Chance, einen Entschädigungsantrag zu stellen, sollten sie die ursprüngliche Sechswochenfrist verpasst haben. Durch eine Gesetzesänderung begann am 8. Juli ein neuer, dreimonatiger Fristenlauf.
Auch eine Verordnung für die konkrete Verdienstentgangsregelung ist inzwischen in Kraft. Sie soll die Berechnung der konkreten Ansprüche erleichtern. Viele haben diese Möglichkeit schon genützt: Nach Schätzungen sollen gut 20.000 derartige Anträge bereits eingegangen sein.
„Fairer Vergleichswert“
Freilich: Jenen Unternehmern, deren Betriebe nicht unter dem Epidemiegesetz geschlossen wurden, sondern die sie aufgrund des Covid-Betretungsverbots zusperren mussten, hilft das auf den ersten Blick wenig. Günther Leissler, Partner bei Schönherr Rechtsanwälte, hält es jedoch für möglich, dass auch sie noch indirekt von der neuen Verdienstentgangsverordnung profitieren können. „Denn damit kann man berechnen, was man laut Epidemiegesetz bekommen hätte.“Und das lasse sich als „fairer Vergleichswert“dem gegenüberstellen, was man aufgrund der Covid-Gesetzgebung tatsächlich an Hilfsgeldern bekommt. Ist der Verdienstentgang sehr viel höher, könnte das die Rechtshypothese des VfGH von der „im Wesentlichen vergleichbaren Zielrichtung“infrage stellen, meint Leissler. Der VfGH müsste dann Beschwerden von Unternehmen, die trotz allem einen Antrag auf Entschädigung nach Epidemiegesetz gestellt haben und damit abgeblitzt sind, neuerlich inhaltlich prüfen – jedenfalls, wenn es sich nicht nur um einzelne Härtefälle handelt.
Das letzte Wort sei hier noch nicht gesprochen, meint Leissler. „Wir stehen da erst am Anfang einer Rechtsentwicklung.“(cka)