„Muss nicht gegendert werden“
Die steirische Kabarettistin Lisa Eckhart kontert ihren Kritikern und spricht über ihren Roman und die Ausladung des Hamburger Literaturfestivals.
Kabarettistin und Buchautorin Lisa Eckhart im Interview über Antisemitismus und die Ausladung eines Literaturfestivals.
Die Presse: Es heißt, Sie lesen nicht gerne Romane. Warum haben Sie jetzt selbst einen geschrieben?
Lisa Eckhart: Ich hätte nie einen Roman geschrieben, wenn es Romane gäbe, die mir zusagen. Ich habe als unzufriedene Leserin für mich eine Leerstelle gefüllt und etwas geschrieben, was ich gerne lesen würde. Und ich hoffe, dass es mir nicht gelungen ist, die Welt zu erklären, weil ich das sehr kunstlos finde. Beim Romanschreiben kann ich viel uneindeutiger sein, der Sprache ihren Freiraum lassen. Ich muss nicht wie im Kabarett eine Pret-ˆa-`porter-Bedeutung überwerfen. Ich hoffe, es ist möglichst wenig Botschaft darin und möglichst viel Sprache und semantischer Terrorismus.
Das Romanschreiben war also eine Pause vom Kabarett?
Im Kabarett darf es nicht eine versteckte Botschaft geben unter sehr viel Kunst, ich kann bestenfalls etwas Kunst verstecken unter sehr viel Botschaft. Es ist mehr als Erholung, ich habe das Ziel, das langfristig zu machen. Das Kabarett hat ein Ablaufdatum. Nach vier Programmen bleibt es beim Bücherschreiben und beim Winken vom Balkon.
In Ihrem Debütroman „Omama“legen Sie die Großeltern-Erzählung neu an: Sie ist nicht die liebevolle, weise Alte, sondern eine ausgefuchste Lebenskünstlerin.
Ich dachte in meinem Größenwahn, vielleicht kann ich diesem larmoyanten Genre einen heiteren Schlussstrich versetzen mit dieser anderen Großelternschilderung.
Das machen Sie auch mit einer ziemlich derben Wortwahl, mit Fäkalschilderungen und Sätzen der Oma wie „Die stinkt wie 40 wüde Neger“. Das lädt Ihre Kritiker gleich wieder zu neuerlicher Kritik ein. Dazu muss gesagt werden, dass die Oma diese Formulierung bewusst an einen ganz speziellen Bärentaler richtet. Die derbe Sprache alterniert zudem immer mit einer sehr gewählten, wie manche boshaft sagen würden „manierierten“Sprache. Wir haben im Österreichischen ja die Formulierung, dass ein Witz sehr tief ist, was eigentlich heißt, unter der Gürtellinie. In Deutschland versteht das keiner, weil für sie tief ausschließlich tiefgründig ist. Für mich sind das Tiefe und das Abgründige sehr nahe beieinander. Ich glaube, dass man nur dort, unter der Gürtellinie, auf essenzielle Dinge stößt.
Was hätte denn die echte Omama zum aktuellen Wirbel um ihre Enkelin gesagt?
Die Großmutter – sie lebt ja – freut sich, dass die Enkelin in der Zeitung ist. Wie ein Hutschpferd, das kann ihr kein noch so böser Kommentator vergällen. Mit dieser Haltung „Hauptsache Aufmerksamkeit“ist sie seltsam zeitgemäß. Beim Roman hat sie den wunderbaren Ansatz, es muss den Kritikern gefallen. Das Schlimmste für sie wäre, wenn ich ihr Leben, wie viel nun auch darin stecken mag, zum Ladenhüter machen würde.
Der Skandal um die Ein- und Ausladung beim Hamburger Literaturfestival ist Ihnen längst „peinlich“, sagen Sie. Aber was entgegnen Sie Ihren Kritikern, die behaupten, mit Ihrem Programm bedienen Sie antisemitische Klischees?
Abseits der Amateurkritiker in den sozialen Medien sind das ja nicht viele, deren Stimme zählen würde. Es beschränkt sich in den Zeitungen auf eine Handvoll Menschen mit Ressentiments, die ihr Unverständnis für Satire mir zum Vorwurf machen wollen. Diese Menschen kann ich nicht abholen.
Braucht es diese Art von Schenkelklopferwitz noch, der die uralten Klischees vom geldgierigen Juden aufwärmt?
Das tut es ja nicht. Es ist nie einfach ein Schenkelklopfer. Es zeugt von einer fahrlässigen Unkenntnis meines Gesamtwerks. Die Kritiker reagieren reflexartig auf Reizworte und denken keine Sekunde nach. Da bin ich nicht zu Nachhilfeunterricht bereit.
Auf die jüngste Debatte sprang nun aber auch die rechtspopulistische AfD auf, die auf Facebook mit einem Bild von Ihnen ein Plakat bastelte. Der Verlag und Sie haben sich distanziert.
Jeder, der die Programme kennt, weiß, dass ich mit der AfD nichts zu tun habe. Die Partei setzt sich ein für direkte Demokratie und
Meinungsfreiheit und beides liegt mir absolut nicht. Zudem haben sie überhaupt keinen Sinn für Ästhetik, was sie auf diesem Plakat wieder bewiesen haben. Neben der illegitimen Vereinnahmung sehe ich darin auch eine Retourkutsche gegen mich, da ich ihnen in meinen Programmen schon die Rhetorik eines Bauernkalenders vorgeworfen und sie rechts überholt habe. Dass diese Menschen völlig ungeniert und anstandslos sind, wissen wir. Ich kann mich nicht aufraffen, davon überrascht zu sein.
Die Debatte um Ihre Ein- und Ausladung beim Hamburger Literaturfestival sehen manche Beobachter als aufgebauschte Übervorsicht des Hamburger Lokals. Es soll zum Beispiel gar keine Drohungen gegeben haben. Wie sehen Sie das?
Diese Übervorsicht ist da und schon fragwürdig. Für mich persönlich war der größere Skandal das, was vorher passiert ist (also die Debatte über ihr Programm, Anm.). Die Ausladung ist nur eine kleine Konsequenz daraus und da haben sich jetzt viele auf meine Seite gestellt. Obwohl ich eher nicht als der sympathische Teamplayer gesehen werde, dem man gern zur Hilfe eilt. Dem Lokal kann man eine gewisse Feigheit vorwerfen und ein doppeltes Sich-Beugen. Ich dachte, mit meiner Absage tue ich den Menschen einen Gefallen und bewahre ihnen etwas Restwürde. Weil zuerst sind sie eingeknickt vor dem Mob, der gegen mich war, und jetzt knicken sie ein vor denen, die für mich sind. Ob die Masse für oder gegen mich spricht – ich wünsche nicht, dass eine Literaturjury danach ihre Auswahl trifft.
Gibt es für Sie einen Bereich, in dem politische Korrektheit angebracht ist?
Ich bin nicht neumodisch korrekt, aber altmodisch höflich. Höflichkeit ist nicht demokratisch, es ist nicht auf Augenhöhe. Es ist wie ein platonischer Flirt; die politische Korrektheit hat oft etwas Bevormundendes und unterbindet nicht selten den Dialog. Wenn die Menschen meinen, sie müssten bestimmte Regeln befolgen, z. B. der Orthografie. Plötzlich bekommt das eine Rigidität, die eher einen Rückschritt bedeutet. Ich verlange nicht, dass man mich gendert. Ich respektiere jemanden nicht als Mann oder als Frau oder als Transsexuelle, sondern als Mensch, und das höfliche „Sie“drückt das für mich aus. Dass das völlig weggewischt wird und wir in einer tyrannischen Intimität leben, die nur mehr das pornografische „Du“kennt, erachte ich als viel bedenklicher.
Bezeichnen Sie sich als Feministin?
Ich bezeichne mich als gar nichts. Das überlasse ich Journalisten und Kritikern. Ich muss doch leugnen, dass mein Programm vor Philanthropie und Feminismus trieft! Mich stört an der aktuellen Debatte sowieso das ewige Kategorisieren und Pauschalisieren. Die Aussage, dass jeder Mann Sexist sei oder jeder Weiße ein Rassist. Das führt bei manchen zu einer Trotzhaltung, befreit sie von der Anstrengung, gefälligst nicht Sexist oder Rassist zu sein. Man setzt sich damit letztlich wieder in eine Opferhaltung, die lautet: „Ich als Weißer bin Rassist und kann nichts dagegen tun, ich bin ein Opfer meiner selbst.“Das ist ja ein Witz. Die Menschen können sich sehr wohl einfach anständig verhalten.