Geschlossene Schulen, hohe Kosten
Corona. Die Schließung der Schulen aufgrund der Coronapandemie hat die heimische Volkswirtschaft über sieben Mrd. Euro Wertschöpfung gekostet, so eine Studie der Agenda Austria. Aber auch langfristig gibt es dadurch negative Effekte.
Die Schließung der Schulen wegen Corona hat mehr als sieben Mrd. Euro an Wertschöpfung gekostet.
Wien. Es waren neun harte Wochen für viele Familien. Vom 16. März bis zum 18. Mai blieben die Schulen in Österreich aufgrund der Coronapandemie geschlossen. Nach Abzug der ohnehin schulfreien Osterferien handelte es sich also um eine Phase von acht Wochen, in der vor allem die Eltern sich um Unterricht und Betreuung für ihre Kinder kümmern mussten. Dies, während sie sich oft parallel im Home-Office auch um ihre eigenen Jobs kümmern mussten.
Kurzfristige Kosten
Das brachte nicht nur eine große nervliche Belastung, die im Großteil der Fälle von den Müttern getragen wurde. Es hatte auch gravierende Auswirkungen auf die heimische Volkswirtschaft, wie eine Studie der Agenda Austria zeigt, die der „Presse“vorliegt. Darin rechneten die Ökonomen hoch, wie viel Wertschöpfung verloren gegangen ist, weil sich die Eltern freinehmen mussten, um sich um die Kinder zu kümmern.
Demnach haben mehr als eine Million der vier Millionen Erwerbstätigen Kinder unter 15 Jahren. Da in der Regel nur ein Elternteil die Erwerbstätigkeit temporär einstellen musste, um sich um die Kinder zu kümmern, halbiert sich diese Zahl beinahe. Die Studienautoren kommen unter dem Strich auf knapp 600.000 Erwerbstätige, die für die Betreuung der 1,3 Millionen unter 15-Jährigen ihre Arbeitstätigkeit reduzieren mussten.
Angesichts der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeiten (diese unterscheiden sich etwa danach, ob es sich um Alleinerziehende oder in einer Partnerschaft lebende Eltern handelt), die in der jüngsten Arbeitskräfteerhebung des Mikrozensus der Statistik Austria eruiert wurden, berechneten die Studienautoren Denes´ Kucsera und Hanno Lorenz einen Ausfall von 121 Millionen Arbeitsstunden, der sich durch die achtwöchige Schulschließung ergab.
Da hierbei gegenläufige Effekte in Form von Kurzarbeit und höherer Arbeitslosigkeit – wer seinen Job verlor, hatte keine entfallenen Arbeitsstunden durch die Kinderbetreuung – aufgrund der fehlenden Datenbasis nicht einberechnet werden konnten, sei diese Zahl zwar als „Obergrenze“zu sehen, so Kucsera. Allerdings gab es auch nach Schulöffnung durch die Aufteilung der Klassen auf mehrere Gruppen in der zweiten Maihälfte und im Juni regelmäßig Tage, an denen einzelne Kinder keine Schule hatten, was die Zahl der entfallenen Arbeitsstunden wieder erhöht.
In Summe ergab sich so ein Wertschöpfungsausfall in Höhe von 7,2 Milliarden Euro, so das Ergebnis der Studie. Und komme es im Herbst neuerlich zu Schließungen, würden diese die Volkswirtschaft pro Woche 900 Millionen Euro kosten.
Langfristige Effekte
Allerdings haben die Schulschließungen nicht nur kurzfristig hohe volkswirtschaftliche Kosten nach sich gezogen, sondern auch langfristig negative Effekte, so Kucsera und Lorenz in ihrer Arbeit weiter. Grund dafür ist der Bildungsverlust in der Zeit des Home-Schooling. Der Erfolg des Fernunterrichts hing nämlich sehr stark vom Engagement der Lehrer und der Unterstützung der Eltern ab. Und auch wenn es hierzu noch keine eindeutigen Untersuchungen gibt, dürften die Ergebnisse dabei sehr unterschiedlich ausgefallen sein.
Vorhandene Studien über die Auswirkungen der Ferien auf den Lernfortschritt zeigen nämlich, dass sich bei Schülern aus bildungsfernen Familien die Abwesenheit von der Schule deutlich stärker negativ auf die Fähigkeiten auswirkt.
Es sei nun zu befürchten, dass mitunter der Leistungsfortschritt des gesamten Semesters verloren gegangen sei, so die Studie. Und das habe auch konkrete Auswirkungen auf die späteren Erwerbskarrieren der Schüler. So zeigen ältere Studien, dass der Verlust eines Schuljahres im späteren Berufsleben ein geringeres jährliches Brutto-Jahreseinkommen von 1600 bis knapp 1800 Euro bedeute.
Hochgerechnet würde das einen künftigen Einkommensverlust für die Volkswirtschaft von gut zwei Milliarden Euro im Jahr entsprechen. „Das ist zwar nur eine grobe Schätzung, zeigt aber die Größenordnung, um die es geht“, so Lorenz.
Notwendige Anpassungen
Die Politik müsse daher nicht nur versichern, dass es im Herbst nicht neuerlich zu Schulschließungen kommen werde, sondern auch Vorbereitungen dafür treffen, wenn es doch wieder welche gäbe. Dazu gehöre einerseits die Festlegung auf ein einheitliches System für Tele-Schooling, um den Wildwuchs zu beenden. In Ländern wie Frankreich gebe es dieses „virtuelle Klassenzimmer“bereits, womit auch Datenschutzbedenken ausgeräumt werden können. Hinzu komme die Schulung der Lehrer, damit es auch angewandt werden kann.
Andererseits sei aber auch die technische Ausstattung der Lehrer und Schüler mit Laptops oder Tablets notwendig. Hier sollte zwar nach dem individuellen Bedarf vorgegangen werden. „Aber auch wenn man jedem der 1,1 Millionen Schüler und 130.000 Lehrer einen Laptop gibt, kostet das mit rund 400 Millionen Euro weniger als eine Pensionserhöhung um einen Prozentpunkt“, so Lorenz.