Wenn der Mieter oft zu spät zahlt
Höchstgericht. Verwirkt ein Vermieter sein Kündigungsrecht, wenn er verspätete Zahlungen über Jahre immer wieder toleriert? Das hatte der Oberste Gerichtshof zu entscheiden.
Ein aktuelles Urteil des Obersten Gerichtshofs stärkt die Rolle der Vermieter bei säumigen Mietern.
Wien. Wie riskant ist es für einen Wohnungsmieter, den Mietzins erst mit Verspätung zu zahlen? Droht ihm dann der Rauswurf aus der Wohnung? Oder anders gefragt: Inwieweit müssen Vermieter Zahlungsrückstände dulden? Gerade in Coronazeiten fragen sich das viele – Mieter wie Vermieter. Eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) lässt Vermieter aufatmen: Selbst wenn verspätete Zahlungen in der Vergangenheit hingenommen wurden, bedeute das nicht zwangsläufig, dass der Vermieter sie auch künftig akzeptieren muss, entschied das Höchstgericht (3 Ob 16/20d).
Eine gemeinnützige GmbH hatte einen Mietvertrag gerichtlich aufgekündigt, weil der Mieter im qualifizierten Zahlungsverzug war. Laut Mietrechtsgesetz (MRG) darf der Vermieter den Vertrag kündigen, wenn der Mieter „trotz einer nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgten Mahnung mit der Bezahlung des Mietzinses über die übliche oder ihm bisher zugestandene Frist hinaus, mindestens aber acht Tage im Rückstand ist“. Ist der Mieter länger als einen Monat mit der Mietzinszahlung im Rückstand, ermöglicht das eine sofortige Auflösung bzw. Räumungsklage.
Schon früher oft im Verzug
Zahlt der Mieter dann aber vor Schluss der erstinstanzlichen Gerichtsverhandlung den Fehlbetrag nach, muss das Gericht prüfen, ob ihn ein grobes Verschulden am Zahlungsverzug trifft. Wenn ja, muss er trotzdem ausziehen, wenn nicht, ist die Kündigung (oder Räumungsklage) abzuweisen.
Genau darum ging es in diesem Fall. Der Mieter war allerdings auch bisher kein pünktlicher Zahler – was er auch gar nicht abstritt.
Die Vermieterin habe das gewusst und trotzdem vor rund einem Jahr den Mietvertrag verlängert, argumentierte er. Den OGH überzeugte das nicht: Allein daraus, dass ein Mietvertrag trotz bekannt schlechter Zahlungsmoral des Mieters verlängert wird, lasse sich nicht zweifelsfrei ableiten, dass der Vermieter weitere Zahlungsverzögerungen stillschweigend akzeptiert, heißt es in der Entscheidung (3 Ob 16/20d). Vielmehr sei „bei Beurteilung der Frage, ob auf ein Recht stillschweigend verzichtet wurde, besondere Vorsicht geboten“. Umso mehr, wenn es darum gehe, „aus der Nichtgeltendmachung von Dauertatbeständen“auf einen stillschweigenden Kündigungsverzicht zu schließen.
Auch dass die Vermieterin eine gemeinnützige GmbH ist, spiele keine Rolle – denn laut Gesetz kommt es nicht darauf an, inwieweit dem jeweiligen Vermieter ein Zahlungsverzug „zumutbar“ist. Weiters brachte der Mieter vor, die Wohnbeihilfe werde erst am 20. jeden Monats überwiesen – aber auch das half ihm nicht. Er habe nämlich auch dann nicht sofort bezahlt, stellten die Gerichte fest.
Aber was bedeutet das für andere Fälle, speziell auch bei coronabedingten Zahlungsengpässen?
„Kann ich zahlen oder nicht?“
Dafür gab es zwar eine gesetzliche Stundung, aber nur für April bis Juni. Seit Juli ist auch ein krisenbedingter Zahlungsverzug wieder ein Kündigungsgrund. Macht ein Vermieter das geltend, gebe es für den Mieter nur eine entscheidende Frage: „Kann ich vor Schluss der Verhandlung zahlen oder nicht?“, sagt AK-Wohnrechtsexperte Walter Rosifka zur „Presse“. Notfalls müsse man sich das Geld privat ausborgen. Dann gelte es, Einwendungen gegen die Kündigung zu erheben und vor Gericht darzulegen, dass man am Verzug kein grobes Verschulden hat.
Letzteres sollte bei einem coronabedingten Zahlungsengpass gelingen – auch wenn das, wie Rosifka sagt, immer eine Ermessensentscheidung im Einzelfall ist. Anders wäre es jedoch, „wenn man z. B. nach zwei Jahren immer noch keinen neuen Job hat, sich aber keine kleinere Wohnung suchen will“. So etwas wäre kein Argument, um die Miete immer wieder länger schuldig zu bleiben – selbst wenn der Vermieter das anfangs geduldet hat. Denn wie die aktuelle Entscheidung zeigt, heißt das noch nicht, dass er damit auf sein Kündigungsrecht verzichtet hat.
Hier werde allerdings nicht immer mit gleichem Maß gemessen, merkt Rosifka kritisch an. Mietern gegenüber seien die Gerichte da mitunter strenger. Nämlich dann, wenn ein Mieter wegen eines Mangels in der Wohnung Zinsminderung verlangen könnte, aber anfangs noch voll weiterzahlt. Da gebe es Urteile, die das sehr wohl als stillschweigenden Verzicht auf den Minderungsanspruch werten. „Das halte ich für falsch“, sagt Rosifka – zumal ein Mieter viel riskiert, wenn er eigenmächtig den Zins reduziert. Auch da kann man sich rasch in einem Kündigungsverfahren wiederfinden. Um auf Nummer sicher zu gehen, müsste man in einem solchen Fall ausdrücklich mit Vorbehalt zahlen.