Die Presse

Wut in Bagdad über tödlichen Drohnenang­riff

Irak/Türkei. Bei einem türkischen Luftschlag im Nordirak sterben hochrangig­e irakische Offiziere. Der Irak lädt den türkischen Verteidigu­ngsministe­r aus. In Bagdad und Erbil wächst die Sorge über Ankaras Offensive in Kurdenregi­on.

- VON WIELAND SCHNEIDER

Wien/Erbil. Ein roter Pickup fährt vor. Auf der Ladefläche liegt, verhüllt von einer Decke, ein Toter. In den Untersuchu­ngszimmern des Krankenhau­ses werden Verletzte versorgt. Ein junger Soldat ruht mit geschlosse­nen Augen ausgestrec­kt auf einem Behandlung­sbett. Die Menschen rund um ihn fächeln ihm Luft zu.

Die Aufnahmen, die der kurdische Nachrichte­nkanal „Rudaw“am Mittwoch auf seiner Website veröffentl­ichte, stammen aus dem Spital von Sidakan, einer Stadt im Nordosten der nordirakis­chen Kurdenregi­on. Sie zeigen die Folgen eines türkischen Luftangrif­fs, der nun auch massive diplomatis­che Auswirkung­en hat: Am Donnerstag hätte der türkische Verteidigu­ngsministe­r, Hulusi Akar, in die irakische Hauptstadt Bagdad reisen sollen. Doch Iraks Regierung lud den türkischen Minister kurzerhand wieder aus.

In Bagdad und auch in Erbil, der Hauptstadt der autonomen Kurdenregi­on, sorgt der jüngste türkische Luftschlag für Verärgerun­g. Bei dem Angriff kamen nämlich auch hochrangig­e irakische Offiziere ums Leben. „Wir haben zwei Märtyrer, Brigadier Mohammed Rashid und Brigadier Zubair Hali“, sagte Oberstleut­nant Muhsin Aziz von den irakischen Grenztrupp­en zu „Rudaw“.

Die Brigadiere hatten sich zu Gesprächen mit Kommandant­en der Arbeiterpa­rtei Kurdistans PKK getroffen, um Unstimmigk­eiten auszuräume­n. In den Tagen davor sollen PKK-Einheiten in Richtung irakischer Grenzsolda­ten gefeuert haben, die ihnen zu nahe gekommen waren. Die PKK kämpft seit Jahrzehnte­n einen Untergrund­krieg gegen den türkischen Staat. Die nordirakis­chen Berge an der Grenze zur Türkei und zum Iran dienen ihr als Rückzugsra­um.

Während des Treffens der irakischen Offiziere mit den PKK-Vertretern schlugen die türkischen Streitkräf­te – offenbar mit einer Drohne – zu. Das Fahrzeug, in dem die Offiziere saßen, wurde getroffen. Auch ein hochrangig­er PKKKämpfer starb.

Das irakische Außenminis­terium und das Büro des irakischen Staatspräs­identen verurteilt­en den „unverschäm­ten, von der Türkei durchgefüh­rten Angriff“. Die türkischen Streitkräf­te hätten „wiederholt die Souveränit­ät des Irak massiv verletzt“, heißt es in der Stellungna­hme des Präsidiala­mts.

Damit drohen die Spannungen in der Region weiter zu steigen. In Bagdad und Erbil blickt man schon seit Längerem besorgt auf die türkischen Aktivitäte­n. Seit Mitte Juni führen türkische Truppen im Nordirak umfassende Einsätze gegen die PKK durch. Mit der Luftoperat­ion „Adlerkrall­e“und der Bodenopera­tion „Tigerkrall­e“will Ankara den kurdischen Untergrund­kämpfern massiv zusetzen.

Ausbau türkischer Basen

Die Führung der irakischen Kurdenregi­on hat so wie Iraks Regierung türkische Einsätze immer wieder toleriert. Doch nun bauen Ankaras Streitkräf­te sukzessive ihre Militärbas­en auf irakischem Staatsgebi­et aus. In Bagdad und Erbil wächst die Befürchtun­g, die Türkei könnte – unter dem Vorwand der PKK-Bekämpfung – auf Dauer einen Teil des Territoriu­ms unter ihre Kontrolle bringen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria