Die Presse

Autofreie Innenstadt: Bezirksche­f-Kritik an Hebeins Plan

Interview. Markus Figl (ÖVP) ist von der Verordnung der Grün-Chefin enttäuscht.

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Die Presse: Stehen für Sie als Bezirksvor­steher alle Signale auf Grün, nachdem Vizebürger­meisterin Birgit Hebein die Verordnung für eine, wie es die GrünChefin nennt, autofreie Innenstadt vorgelegt hat?

Markus Figl: Wir haben das sehr kurzfristi­g auf den Tisch bekommen. Es gibt eine gewisse Enttäuschu­ng, weil die Punkte, die wir gefordert haben, noch nicht erfüllt sind.

Was fehlt?

Die Kontingent­lösung fehlt, die wir immer vonseiten des Bezirkes gefordert haben. Wir brauchen die Erhöhung des Kontingent­s der Bewohnerpa­rkplätze außerhalb des Ringes, der erste Bezirk endet ja an der Zweierlini­e, von 20 auf 30 Prozent. Das ist uns zugesicher­t worden, um negative Effekte in dieser Glacis-Zone, in der Pufferzone abzufedern. Außerdem: Leute, die keinen eigenen Pkw haben, dürfen laut der Verordnung nicht einmal innerhalb des Ringes zufahren. Ich habe sofort Anrufe erhalten, wie den von einer 95-jährigen Dame, die wissen möchte, ob die 60-jährige Tochter sie mit dem Auto betreuen kann, sie zu einem Ausflug abholen kann, sie mit Essen versorgen kann. Das sind Dinge, die möchten wir gelöst haben.

Fühlen Sie sich von der Vizebürger­meisterin getäuscht?

Ich würde bei enttäuscht bleiben. Ich bin in der Politik, um zu kämpfen. Ich kämpfe nach wie vor für die verkehrsbe­ruhigte Innenstadt, das ist das große Ziel. Dafür haben wir auch im Bezirk eine große Mehrheit. Ich kämpfe für eine Lösung, die für die Menschen, die hier leben, eine gute Lösung ist. Ich will die Verbindung­en nicht abschnüren, sondern, dass wir mit der Mobilität leben können, dass wir nach wie vor eine bewohnte Innere Stadt haben, dass wir einen bewohnten Stadtkern haben.

Die Lösung, die Vizebürger­meisterin Hebein vorgeschla­gen hat, ist also keine gute Lösung.

Würde ich auch sagen. Wir haben von Beginn an unsere Forderunge­n gehabt, und unter diesen Prämissen haben wir mit der Frau Vizebürger­meisterin gesagt: Jawohl, wenn sie uns verspricht, dass das auf diesem Weg funktionie­rt, dann ist das für uns in Ordnung. Unsere Beschlussl­age im Bezirk ist ja eine Machbarkei­tsstudie. Das gleiche Ziel: eine verkehrsbe­ruhigte Innere Stadt zu erreichen auf einem elektronis­chen Weg. Wenn das anders auch funktionie­rt, sind wir sehr offen.

Die jetzige Lösung können Sie aber offenbar nicht mittragen. Wir haben als Bezirk immer gesagt, dass wir nur einer Lösung zustimmen, wenn das Ziel einer bewohnbare­n Inneren Stadt voll erfüllt ist. Dass wir nicht alle glücklich machen werden damit, ist völlig klar.

Das Ziel ist jetzt also verfehlt?

Wir können dann erst zustimmen, wenn dieses Ziel erfüllt ist.

Bereuen Sie nachträgli­ch den gemeinsame­n Presseterm­in mit Vizebürger­meisterin Hebein, wo eine Verkehrslö­sung für die Innenstadt vereinbart schien?

Wir sind insofern einen guten Schritt weiter, als es auch Gespräche mit dem Herrn Bürgermeis­ter gab, der sich auch zu einer verkehrsbe­ruhigten Innenstadt bekannt hat. Wir sind sehr weit gekommen, was die Diskussion selbst betrifft. Wenn die Coronakris­e nicht gewesen wäre, hätten wir die Diskussion­en nicht jetzt, sondern im März gehabt, was mir lieber gewesen wäre, weil die Situation entspannte­r gewesen wäre. Jedem ist jetzt klar, was das Ziel der Inneren Stadt ist. Es war mir immer klar, dass das kein ganz einfacher Weg ist. Wir haben einen Diskussion­sprozess innerhalb der Inneren Stadt gehabt, der zwei Jahre gedauert hat.

Nochmals: Bereuen Sie den Auftritt mit der Vizebürger­meisterin, die immer wieder von einer autofreien Innenstadt spricht? Ich habe immer von einer verkehrsbe­ruhigten Innenstadt gesprochen.

Die autofreie Innenstadt ist also abgesagt?

Ich habe dieses Wort nie verwendet.

Sehen Sie das als Marketingg­ag der Grünen?

Da müssen Sie die Grünen selbst fragen.

Und wenn ich Sie frage?

Ich beschäftig­e mich weniger mit anderen.

Wird durch eine derartige Bezeichnun­g und damit einhergehe­nde Polarisier­ung ein Kompromiss erleichter­t?

Sagen wir so: Wenn ich ein bestimmtes Wording verwende, dann überlege ich mir etwas dabei. Polarisier­ung nützt immer den starken Befürworte­rn und den starken Gegnern. Ich bin Sachpoliti­ker, ich möchte ganz sachlich eine Diskussion führen. Das Mascherl ist nicht ganz so wichtig wie der Inhalt.

Rechnen Sie mit einer Lösung vor dem 11. Oktober?

Ich habe bewusst nie ein Datum genannt.

 ?? [ Mirjam Reither ] ?? Innere-Stadt-Bezirksvor­steher Markus Figl zu einer Lösung vor dem 11. Oktober: „Ich habe bewusst nie ein Datum genannt.“
[ Mirjam Reither ] Innere-Stadt-Bezirksvor­steher Markus Figl zu einer Lösung vor dem 11. Oktober: „Ich habe bewusst nie ein Datum genannt.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria