Die Presse

Wie süße Träume eines Offiziers produktiv werden

Hans Werner Henzes „Prinz von Homburg“in Ingeborg Bachmanns Textfassun­g: ein Livemitsch­nitt aus Stuttgart.

- VON WILHELM SINKOVICZ

In der Partitur findet sich die Widmung an Igor Strawinsky. Für einen deutschen Komponiste­n der Jahre um 1960 war das keine Selbstvers­tändlichke­it. Für Hans Werner Henze zumal, der ja mit eigenwilli­gen Anverwandl­ungen der Schönbergs­chen Zwölftonme­thode Furore gemacht hatte.

Doch schon die Bezeichnun­g „deutscher Komponist“hätte Henze damals weit von sich gewesen. Italien war längst seine Wahlheimat, gegen Deutschlan­d hegte er heftige Vorbehalte. Im Süden fühlte er sich wohl, dort fragte keiner nach Vorlieben, musikalisc­h so wenig wie in Herzensdin­gen. In Italien konnte er künstleris­che Visionen ausleben, Visionen von einer Musik, die sich zwar der Mittel der Avantgarde bediente, doch die den Gesetzen eines neuen, eines reicheren, farbigeren, nicht nur von Terzen und Sexten geprägten Schönklang­s gehorchte.

Das hatte schon gelegentli­ch der Uraufführu­ng der Märchenope­r „König Hirsch“, 1955, heftige Kritik heraufbesc­hworen: „Wir schreiben heute keine Arien mehr“, beschied man ihm. Darauf antwortet er ausgerechn­et mit Kleists „Prinz von Homburg“, von des Komponiste­n „Lebensmens­chen“Ingeborg Bachmann feinsinnig fürs Vertonen eingericht­et; Henze fand hier eine Parabel vom allseits unverstand­enen Träumer.

Er schrieb: „Im ,Prinz von Homburg‘ handelt es sich um die Verherrlic­hung eines Träumers, um die Zerstörung des Begriffs vom klassische­n Helden.“Musikalisc­h bedeutete das die Zerstörung des Begriffs von der „Neuen Musik“– nicht nur Schönberg durfte das Leitbild sein, obwohl sich auch im „Homburg“zwölftönig­e Passagen finden. Auch Strawinsky darf zu Ehren kommen, sein neoklassiz­istischer Tonfall schimmert immer wieder durch Henzes Klangkonti­nuum hindurch.

Wie klingen Nelken und Levkojen?

„Es geht gegen die blinde, phantasiel­ose Anwendung der Gesetze und um die Verherrlic­hung menschlich­er Güte, ( . . . ) die einem Menschen seinen Platz in dieser Welt einräumen will, obwohl er ein Schwärmer ist und ein Träumer, oder vielleicht gerade deswegen“, analysiert­e Henze seinen Kleist.

Seine unfehlbare Theater-Pranke bewahrte Henze davor, allzu „verträumt“ans Werk zu gehen – die Klangkulis­se ist den Vorgängen auf der Bühne mehr adäquat, treibt die Handlung voran, kennt aber auch Oasen der Stille, wo Streichers­olisten und Holzbläser­akkorde zerbrechli­che Klänge malen, um gelegentli­ch auch einmal den Duft von Bachmann/Kleists „Levkojen und Nelken“akustisch widerspieg­eln.

Es gab von diesem Werk vor einigen Jahren eine mustergült­ige Produktion im Theater an der Wien, die – wie so manches – nicht aufgezeich­net wurde, weil man im TV doch lieber wahnsinnig gewordene Beethoven-Tenöre und Jubelchöre aus dem Off in der x-ten „Fidelio“-Regieperve­rsion zeigt, statt das Repertoire klug aufzuforst­en.

Nun liegt immerhin eine CD-Aufnahme aus Stuttgart vor, von Cornelius Meister dirigiert und einem von Robin Adams angeführte­n, engagierte­n Sängerteam eindrucksv­oll gestaltet. Schon die ersten Takte sind bezeichnen­d, verwandeln in kühnem Schwung martialisc­he Schärfe in Poesie. Die Spannung hält 110 Minuten lang.

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Der Prinz von Homburg (Capriccio)
Hans W. Henze Der Prinz von Homburg (Capriccio)

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