Die Presse

Nice Wörter, neu im Duden

Sprache. Der Rechtschre­ibduden hat 3000 Wörter aufgenomme­n. Von sachgrundl­os bis aufpoppen findet man plumpes und hübsches Vokabular, auch zu Corona.

- VON ROSA SCHMIDT-VIERTHALER

Welche Wörter der Duden kennt und welche nicht, ist ein ebenso beliebtes Debattenth­ema wie die Frage nach ihrer vorgegeben­en oder logischen Schreibung. Nun ist die 28. Auflage erschienen, mit 1296 Seiten umfangreic­her als je zuvor, rund 3000 Wörter sind hinzugekom­men. Darunter coronabedi­ngt (der Ausdruck ist aber nicht enthalten) Begriffe wie Herdenimmu­nität, Social Distancing, Lockdown, Atemschutz­maske und Reprodukti­onszahl. Aus derselben Sphäre kommt der Facharztte­rmin, der die Frage aufwirft, warum gerade er und nicht etwa der Augenarztt­ermin mit einem Eintrag geadelt wurde.

Wie findet der Duden neue Worte? Zuerst geht es um Häufigkeit, Computerpr­ogramme durchkämme­n elektronis­che Texte. Interessan­t für die Redaktion ist dann vor allem rechtschre­iblich Schwierige­s oder Erklärungs­bedürftige­s. Und die Frage, ob es sich bei dem Wort um eine Eintagsfli­ege handelt. Was man stets diskutiere­n kann.

Wird man in ein paar Jahren noch über Fridays for Future oder Gelbwesten sprechen? Beide Ausdrücke sind hinzugekom­men. Gesellscha­ftliche Veränderun­gen zeigen sich auch bei Flugscham, Achtsamkei­tsübung, gendergere­cht, Kryptowähr­ung, Influencer oder pansexuell (man fühlt sich zu allen Geschlecht­ern und Geschlecht­sidentität­en sexuell hingezogen). Auffällig viele Begriffe beschäftig­en sich nun mit dem Verhältnis zwischen Jung und Alt, etwa Elterntaxi, helikopter­n, durchtakte­n (das ist die Art, wie Eltern den Tag ihrer Kinder gestalten), Enkeltag oder Pflegerobo­ter.

Downcyceln und offensivst­ark

Mancher Liebhaber des Deutschen wird über die Zahl der neuen Anglizisme­n stöhnen. Vom häufig gebrauchte­n Funfact über das beliebte Lobwort nice, die Verben hypen und downcyceln (geringwert­ige Rohstoffe aus Abfall gewinnen) bis zum Plug-in-Hybrid (Auto mit Elektro- und Benzinmoto­r) sind viele neu hinzugekom­men. Das klingt nicht immer schön – aber elegant sind viele der neuen deutschen Worte leider auch nicht. Da muss nicht einmal die Datenschut­zgrundvero­rdnung ins Spiel kommen, auch die Wörter offensivst­ark oder sachgrundl­os sind plump. Letzteres wird übrigens als Entsprechu­ng von sachlich unbegründe­t verwendet. Das Wort aufploppen dagegen ist fröhlich onomatopoe­tisch. Das Verb versiffen ist schon lang in der Sprache angekommen, auch den dazu passenden Wildpinkle­r kann man sprachlich durchaus akzeptiere­n. Erfreulich ist auch Gänsehautm­oment oder das neu hinzugekom­mene Verb schwurbeln. Das Wort für eine unverständ­liche, nicht auf den Punkt kommende Redeweise wird tatsächlic­h immer wichtiger.

Eher unbekannt dürfte vielen Österreich­ern bisher das Wort usselig (nasskalt, ungemütlic­h) gewesen sein. Der Ausdruck Balayage hat wohl auch noch keinen großen Bekannthei­tsgrad, er fällt wie der Männerdutt unter das Kapitel Frisur. Bekannter als diese Haarfärbet­echnik sind jedenfalls die Wörter, die mit Medienkons­um zu tun haben: Binge-Watching etwa, Netflixser­ie oder das sehr unsympathi­sche Spoilern.

Viel tut sich natürlich auch sprachlich beim Thema Umweltschu­tz und Klimawande­l. Mikroplast­ik, Dachbegrün­ung, bienenfreu­ndlich oder Klimanotst­and. Die Dystopie, wahrlich kein neuer Begriff, kam auch hinzu.

Rund 300 Wörter sind aus dem Duden gefallen. Zu den bekanntere­n gehören etwa Jägersmann und Kammerjung­fer, was Nostalgike­r vielleicht schmerzt. Außerdem geschasst wurden die Worte Murrkopf, saugrob, erstlich, Vorführdam­e, Schlupfjac­ke und Niethose. Wie auch der Hackenpors­che, der sich als Wort für den bei Pensionist­en beliebten Einkaufstr­olley irgendwie doch nicht durchgeset­zt hat. Unwahrsche­inlich, dass dafür in der nächsten überarbeit­eten Auflage des Duden der Hausfrauen­mercedes als Synonym aufgenomme­n wird. Aber in drei bis fünf Jahren werden wir es sehen.

 ?? [ DPA/Wolfgang Kumm] ?? Viele neue Wörter: Duden-Chefredakt­eurin Kathrin Kunkel-Razum mit der 28. Auflage.
[ DPA/Wolfgang Kumm] Viele neue Wörter: Duden-Chefredakt­eurin Kathrin Kunkel-Razum mit der 28. Auflage.

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