Arcadi Volodos in Salzburg: Subtil abgetönte Klangräusche
Festspiele. Standing Ovations für rare Stücke von Liszt und Schumann.
Es gibt auch eine grandios spielerische Seite an Arcadi Volodos: Wer sich wie er die brillanten Klaviertranskriptionen eines Vladimir Horowitz übers Gehör aneignet und noch weiter ausgeschmückt hat, der muss eine spezielle Freude am Zirzensischen besitzen – und Volodos kann diese Lust am pianistischen Salto mortale auch im Konzert vermitteln, ohne dass seine Interpretationen deshalb jemals etwas Prahlerisches bekommen würden. Aber noch besser, tiefer wirkt er dort, wo Fingerfertigkeit und Anschlagskultur nur als Mittel zum Zweck dienen: als souverän gehandhabtes Material für einen Klangregisseur, dessen Flügel sich unter seinem Zugriff in ein komplettes romantisches Orchester zu verwandeln scheint.
Oder gleich in des Meeres und der Liebe Wellen: in Liszts h-Moll-Ballade nämlich. Die Sage von Hero und Leander sei als deren Inspiration anzusehen, darauf hat Liszts Enkelschüler Claudio Arrau stets gepocht. Und wirklich klang es bei Volodos, als tobten die Wassermassen des Hellespont, in denen der kühne Jüngling auf dem allnächtlichen Weg zur Geliebten schließlich ertrinkt. Ähnlich suggestiv, nämlich als klare musikalische Erzählung, gelang ihm auch die „Vogelpredigt“des Franziskus von Assisi aus Liszts „Deux Legendes“:´ Aus zwitschernden, flirrenden, flatternden Schwärmen schälten sich Melodien, der rezitativisch einstimmige Choralgesang des Heiligen und schließlich himmlisch leuchtende Harmonien.
Bei Schumann ist der musikalische Gehalt weniger leicht greifbar. Den Marsch aus den „Bunten Blättern“, die Grigory Sokolov letzte Woche zur Gänze ausgebreitet hatte, stellte Volodos in noch schwererem, düstererem Puls dar. Danach wirkte die riesenhaft-vielgliedrige Humoreske op. 20 beinah heiter, in der sich Schumann als stiller Beobachter des Menschlichen, Allzumenschlichen erweist. Diesem Wunderwerk an beredten Stimmungsschwankungen spürte Volodos fesselnd bis in die letzten Windungen und Wendungen nach, ins Kuriose, Clowneske, Wehmütige – oder auch in einen Pomp, der freilich rasch zerplatzt.
Schubert mit romantischer Ironie?
Und dann noch diese Zugaben! Willkommene thematische Fußnoten zum Programm waren das kapriziöse Tirilieren des „Vogels als Prophet“aus Schumanns „Waldszenen“und das friedvolle Plätschern von „El lago“aus Frederic Mompous „Paisajes“: Für diesen 1987 verstorbenen Katalanen, der eine Art spanischen Impressionismus pflegte, hat sich Volodos ja wiederholt eingesetzt. Fantastisch im doppelten Sinn, nämlich ebenso großartig wie wunderlich und merkwürdig, war es jedoch, wie er Schuberts Menuett D 600 zum Adagio drosselte und zu den verträumt schwebenden, mit ihren Sekundvorhalten barock anmutenden Oberstimmen die Staccato-Bässe staksen ließ wie den Storch im Weiher. Das klang majestätisch und kurios zugleich – wie die Vorwegnahme von Schumanns romantischer Ironie.