So reisen die Ferkel quer durch Europa zur Schlachtbank
Europas System der Tiertransporte ist brutal, klimaschädlich und unökonomisch.
Die Coronakrise hat gezeigt, wie fragil das System Tiertransporte ist. Lkw hingen besonders in der Anfangsphase stundenlang an der Grenze fest. Mäster in Osteuropa beklagten die mangelnde Lieferung deutscher Ferkel, während das niederländische Landwirtschaftsministerium die EU-Mitgliedstaaten bat, aufgrund geringerer Kapazitäten weniger Kälber zu liefern. Auch in Österreich sorgen Tiertransporte immer wieder für Kritik: Regelmäßig werden wenige Wochen alte heimische Kälber, die noch gesäugt werden müssten, über weite Strecken transportiert, um nach intensiver Mast in Spanien mitunter als Schlachtvieh in EU-Drittstaaten zu enden. Dass es sich hier um Tierquälerei handelt, ist klar. Dass das aber auch ein ökonomischer und ökologischer Irrsinn ist, wird erst auf den zweiten Blick deutlich.
2017 kamen 14.923 Transporte mit fast 27 Millionen Tieren aus Österreich. Zielländer sind nicht nur Nachbarstaaten, sondern auch weiter entlegene Länder wie die Türkei oder Usbekistan. Die Blechlawine rollt auch umgekehrt: 2017 haben wir 108.000 lebende Rinder und 16 Millionen Stück lebendes Geflügel importiert. In den vergangenen 15 Jahren hat Österreich im Schnitt jährlich 600.000 lebende Schweine importiert.
Motivation für diesen Irrsinn ist natürlich die Produktion unter möglichst billigen Bedingungen und die Umgehung von Tierschutzstandards. Im Fall der Kälbertransporte trifft beides zu: Im Ausland dürfen Kälber nur mit einer Mischung aus Wasser, Milchpulver und Palmöl gefüttert werden, um das Fleisch möglichst weiß zu halten. Diese tierquälerische Mast wäre in Österreich nicht erlaubt. Die Kälbermast wieder in Österreich aufzubauen, würde daher eine Win-win-Situation für Tiere und Klima bedeuten sowie gleichzeitig der österreichischen Landwirtschaft entscheidend den Rücken stärken. Eine lückenlose Kennzeichnung aller tierischen
Produkte nach Herkunft und Haltung würde diesen Anstrengungen Rechnung tragen. Es ist unverständlich, wieso diese langjährige Forderung noch immer nicht umgesetzt wurde.
Kleinere Schlachthöfe
Gefördert wird das System Tiertransporte auch durch den Trend zu wenigen, größeren Schlachthäusern. Deshalb werden z. B. Ferkel durch ganz Europa, vor allem aus Dänemark, bis nach Süditalien gekarrt, um dort geschlachtet zu werden. Das Fleisch wird dann aufs Neue quer durch Europa geführt. Um die Transportzeiten und den so verursachten Emissionsaustausch zu reduzieren, brauchte es wieder kleinere, regionale Schlachthöfe oder die Möglichkeit zur mobilen (Weide)Schlachtung.
Um der Klimakrise zu begegnen, gilt ganz allgemein, den Konsum tierischer Produkte zu reduzieren und die Förderung von regionalen Produkten mit besseren Haltungsbedingungen zu stärken. Um dies zu erreichen, müssen bestehende Lücken bei Tierhaltungsstandards geschlossen werden. Doch solang unsere Bauern mit den ausländischen Billigprodukten konkurrieren müssen, werden sie wenig motiviert sein, in den Tierschutz zu investieren.
Der Konsument allein kann nicht zur Verantwortung gezogen werden – die Politik ist gefordert. Lösungsansätze liegen auf dem Tisch und sollen nun regelmäßig bei von Minister Rudolf Anschober einberufenen Tierschutzgipfeln konkretisiert werden. Aber auch das Landwirtschaftsministerium unter Elisabeth Köstinger ist gefordert. Die schwache EU-Transportverordnung muss überarbeitet, Kontrollen und Sanktionen verstärkt werden. Außerdem muss auch Österreich den Export in Drittstaaten sofort stoppen. Noch säugende Jungtiere dürfen nicht transportiert werden. Und: Die maximale Transportdauer darf nicht länger als acht Stunden, bei Geflügel vier Stunden betragen.
Eva Rosenberg (*1983) ist Direktorin von Vier Pfoten Österreich.