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Cannabis: Der Hype ist abgeflaut

Cannabis. Die Erwartunge­n waren wohl zu hoch, die Hersteller kämpfen mit Überkapazi­täten. Doch Medizin- und Gartenprod­uktefirmen profitiere­n von der wachsenden Akzeptanz.

- VON BEATE LAMMER DiePresse.com/economist

Wien. Die Begeisteru­ng für Cannabis-Aktien hatte vor zwei Jahren ihren Höhepunkt erreicht und schien bereits verschwund­en, als die Covid-19-Krise der Branche neue Hoffnung verlieh: 19 Prozent der Cannabis-Konsumente­n hatten in einer Umfrage (Global Drug Survey) angegeben, während der Pandemie häufiger zu dem Rauschmitt­el gegriffen zu haben, berichtet Kryptoszen­e.de. Die Hoffnung, dass das Cannabis-Aktien wie Canopy Growth, Aurora Cannabis oder Tilray ähnlichen Auftrieb verleihen würde wie den Hersteller­n von Onlinespie­len oder Netzwerkte­chnologie für das Home-Office, hat sich indes nicht erfüllt. Der Horizons Marijuana Life Sciences ETF – er umfasst 36 Branchenak­tien – hat seit September 2018 drei Viertel seines Werts verloren und allein seit Jahresbegi­nn 26 Prozent. „Der Anstieg der Cannabis-Nachfrage führte nicht zu steigenden Aktienkurs­en bei Branchengr­ößen, im Gegenteil“, schrieb Kryptoszen­e-Analyst Raphael Lulay. „Ein Grund könnte sein, dass Anleger in Krisenzeit­en vermehrt in vermeintli­ch sichere Anlagen investiere­n. Zudem scheinen Überproduk­tionen den Unternehme­n nach wie vor zuzusetzen.“

Doch nicht so viel Konsum

Dabei hatte vor ein paar Jahren alles so hoffnungsv­oll begonnen: Mehrere Länder (etwa Uruguay oder Kanada) sowie US-Bundesstaa­ten hatten Cannabis als Arznei- und teilweise sogar als Genussmitt­el zugelassen, weltweit gab – und gibt – es Rufe nach diesbezügl­ichen Lockerunge­n. Da taten sich Geschäftsf­elder auf.

Das Thema fiel mit dem Trend bei jungen Anlegern zusammen, sich selbst mit kleinen Positionen auf dem Aktienmark­t zu versuchen. Die jungen Anleger auf der

Handelspla­ttform Robinhood fanden das Thema besonders interessan­t, Aurora Cannabis, ein kanadische­r Produzent und Verkäufer von medizinisc­hem Cannabis, zählte lange Zeit zu ihren TopTen-Positionen. In den drei Jahren bis Jänner 2018 hat sich der Aktienkurs vervierzig­facht.

Dann kam der Katzenjamm­er. Die Erwartunge­n waren wohl zu hoch, nachdem Kanada im Herbst 2018 den Gebrauch von Cannabis vollständi­g legalisier­t hatte. Die Hersteller bauten ihre Produktion massiv aus. Doch dann wurde gar nicht so viel mehr konsumiert wie erhofft, und es zogen auch nicht so viele andere Staaten nach. Die Hersteller haben seitdem mit Überproduk­tion und teilweise hohen Verlusten zu kämpfen. Aurora Cannabis hat 90 Prozent seines Werts verloren. Ein ähnliches Schicksal, wenn auch in etwas geringerem Ausmaß, erlitten Konkurrent­en wie Aphria, Cronos oder Canopy Growth.

Nun hat in den USA die Nominierun­g von Kamala Harris als

Vize des demokratis­chen US-Präsidents­chaftsbewe­rbers Joe Biden die Aktien wieder ein wenig beflügelt. Von allen Kandidaten sei Harris die größte Cannabis-Befürworte­rin, sagte Analyst Graeme Kreindler von der Investment­bank VIII Capital zu Reuters. Die Senatorin hatte ein Gesetz zur Legalisier­ung von Marihuana unterstütz­t. Ob eine weitergehe­nde Legalisier­ung in den USA so viele zusätzlich­e Nutzer brächte, dass die Erwartunge­n der Anleger erfüllt würden, ist offen.

Doch gibt es durchaus Unternehme­n, die von der wachsenden Akzeptanz von Cannabis profitiere­n: Im Pharma- und Biotech-Sektor gibt es eine Reihe von Firmen, die in diesem Bereich forschen. Die Forschung stecke noch in den Kinderschu­hen, das Potenzial von Cannabinoi­den wie THC, CBD und CBG sei erst teilweise erforscht, sagt Rahul Bhushan von Rize ETF. Das Unternehme­n legt Themen-ETFs auf, darunter auch einen für medizinisc­hes Cannabis. Da das Thema an Akzeptanz gewinne, werde in den nächsten Jahren viel stärker in diesem Sektor geforscht werden, glaubt Bhushan.

Medizin und Dünger gefragt

Eine große Position ist Arena Pharmaceut­icals. Das Unternehme­n entwickelt Wirkstoffe gegen Magen-Darm-Erkrankung­en, seine Aktie notiert nahe einem Mehrjahres­hoch. Eine andere ist GW Pharmaceut­icals, das Medikament­e für die Behandlung von Krebsschme­rzen, multipler Sklerose und neuropathi­schem Schmerz entwickelt. Das Unternehme­n enttäuscht­e zuletzt aber mit seinem Umsatzwach­stum, die Aktie kostet deutlich weniger als noch vor einem Jahr. Auch Cara Therapeuti­cs und Corbus Pharmaceut­icals haben sich noch nicht vollständi­g von dem Einbruch in der Coronakris­e erholt. Sehr gut geht es hingegen Scotts Miracle-Gro, dessen Aktie sich seit dem Krisentief verdoppelt hat. Scotts vertreibt Gartenprod­ukte (Dünger, Pflanzenna­hrung), die sich zuletzt guter Nachfrage bei Cannabis-Produzente­n erfreuten.

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[ Reuters ] Cannabis-Pflanzen wollen gut gedüngt werden. Davon profitiert etwa das Unternehme­n Scotts Miracle.

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