Die Presse

„Querulant“im Gemeindera­t hoheitlich beleidigt

Rechtsweg. Ein Mandatar, der in der Sitzung der Ortsvertre­tung verbal austeilte, konnte nicht dafür belangt werden.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Das Thema Blumentrög­e scheint in einer Tiroler Gemeinde emotional aufgeladen zu sein. Seit Jahren schwelt deswegen ein Konflikt zwischen einem Einwohner und dem Bürgermeis­ter. Als man das Thema in der Gemeindera­tssitzung debattiert­e, wurde ein Vertreter der Bürgermeis­terpartei emotional. Der Mitbürger sei „seit sieben Jahren ein Querulant“. Und er sei ein „Querulant, der Blumentrög­e nicht wegmacht“, meinte der Mandatar. Der solcherart Angesproch­ene klagte nun den Mandatar auf Widerruf. Aber kann so eine Klage erfolgreic­h sein?

Der Lokalpolit­iker rechtferti­gte seine Äußerungen damit, dass der von ihm angesproch­ene Mann seit Jahren behördlich­e Eingaben zum selben Thema mache. Es gehe um auf öffentlich­em Gut aufgestell­te Blumentrög­e und um die Übernahme einer Wegfläche durch die Gemeinde. Die Beschlüsse des Gemeindera­ts dazu aber bekämpfe der Mitbürger ständig.

„Schon fünfmal beschlosse­n“

Wiederholt mussten Beschlüsse des Gemeindera­ts wegen Verfahrens­fehlern auch aufgehoben werden. Und so sollte in dieser Sitzung wieder einmal der Beschluss gefasst werden, dass die strittige Wegfläche zur Gemeindest­raße erklärt wird. Der Bürgermeis­ter hatte den Antrag dazu eingebrach­t. Als dazu aber eine Diskussion im Gemeindera­t aufkam, konnte das der nun geklagte Mandatar nicht fassen. Was es da noch zu fragen gäbe, meinte er. Schließlic­h habe man „das Ganze jetzt schon fünfmal einstimmig beschlosse­n“.

Juristisch interessan­t ist hier die Frage, ob eine zivilrecht­liche Klage gegen den Mandatar der richtige Weg ist. Oder ob man nur die Gemeinde, und zwar im Zuge einer Amtshaftun­g für etwaige Schäden haftbar machen könnte, weil eines ihrer Organe für das Geschehene verantwort­lich ist. Das Bezirksger­icht Silz befand, dass die Klage gegen den Mandatar möglich ist. Aber es handle sich bei der Bezeichnun­g als „Querulant“um ein Werturteil, auf dessen Widerruf man keinen Anspruch habe. Das Landesgeri­cht Innsbruck aber betonte, dass die Äußerung im Zuge einer Gemeindera­tsdebatte zu einer Verordnung gefallen sei. Damit bestehe ein Zusammenha­ng zu einer hoheitlich­en Aufgabe. Und daher gebe es nur die Möglichkei­t der Amtshaftun­g.

OGH: Zweifellos Hoheitsber­eich

Der Oberste Gerichtsho­f (1 Ob 70/20f ) schloss sich dem an: „Die Debatte, in welcher der Beklagte den Kläger als ,Querulante­n‘ bezeichnet hatte, diente zweifellos der Vorbereitu­ng der Beschlussf­assung des Gemeindera­ts über die Erlassung einer Verordnung und ist daher dessen Hoheitsber­eich zuzuordnen.“Der gewählte Rechtsweg war falsch, die Klage ist gescheiter­t.

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