Einsam im Zillertal
Kino. Regisseur Adrian Goiginger („Die beste aller Welten“) dreht einen Film über einen Tiroler Einsiedler. Und auch über seinen Urgroßvater will er erzählen.
An den Moment, als er den Stoff für seinen aktuellen Film zum ersten Mal gelesen hat, erinnert sich Adrian Goiginger genau: In einem Berliner Hotelzimmer hatte er Felix Mitterers Theaterstück über einen Tiroler Einsiedler zur Hand genommen. „Das hat mich so berührt, dass ich angefangen habe zu weinen“, sagt der Regisseur. „Ich war ergriffen und habe mir gedacht: Das ist eine Geschichte, die will ich wirklich machen.“
Die von wahren Begebenheiten inspirierte Geschichte ist die eines Bauernsohns, der jahrzehntelang alleine am Märzengrund lebte, einem Flecken Erde im Zillertal. Und das, obwohl er im Tal eigentlich ein bequemes Leben hätte führen können. „Aber er hat gesagt, ich will das nicht, ich will nicht mitmachen in diesem kapitalistischen Spiel – und ist auf den Berg hinaufgegangen, wo er 44 Jahre lang gelebt hat. Das ist wahnsinnig inspirierend.“
Und so dreht Goiginger seit knapp zwei Wochen in Tirol „Märzengrund“, seinen zweiten Kinofilm nach jenem, der ihn vor drei Jahren schlagartig bekannt machte: In „Die beste aller Welten“hatte der Salzburger seine Kindheit mit einer drogensüchtigen Mutter verfilmt. „Das Ende würde ich heute anders machen, das hat mich schon beim Schnitt genervt“, sagt er. „Ich finde, es geht zu schnell, ich würde mir mehr Zeit für den Abschied lassen.“
Und eigentlich hatte der 29-Jährige ja geplant, auch in seinem zweiten Kinofilm einen Teil seiner Familiengeschichte zu verarbeiten: Den über seinen Urgroßvater. Der hatte unter anderem während des Kriegs einen jungen Fuchs adoptiert, den er durch halb Europa mitnahm, bis das Tier erschossen wurde. Darüber habe er auch Jahrzehnte später unter Tränen erzählt.
„Ich bin mit den Geschichten meines Urgroßvaters aufgewachsen und habe schon mit 14 Jahren gesagt, dass ich sein Leben einmal verfilmen will“, sagt Goiginger. „Er ist ja 100 Jahre alt geworden, daher konnte er mir viel erzählen. Das ist so eine arge Geschichte, mit so vielen Kindheitstraumata und Kriegstraumata – und das habe ich so noch nicht erzählt gesehen.“
Das Filmprojekt, das im Frühjahr hätte starten sollen, wurde wegen Corona verschoben. Daher steht nun einmal der „Märzengrund“an. „Ich glaube, viele spielen mit dem Gedanken, wie der Protagonist Elias alles hinter sich zu lassen, auf den Berg oder in die Wildnis zu gehen“, sagt der Regisseur über den aktuellen Film. „Das ist ja auch der Grund, warum etwa der Film ,Into the Wild‘ so beliebt ist. Es gibt viele, die sich fragen, in was für einem komischen System wir leben.“
Mit Krisch und Altenberger
Gedreht wird noch bis Anfang September im Zillertal. „Wir sind an sehr tollen Originalmotiven“, sagt der Regisseur. An diesem Tag steht eine Szene mit dem Burgschauspieler Johannes Krisch an, der den gealterten Einsiedler Elias spielt. Ebenfalls dabei ist bei „Märzengrund“wieder Verena Altenberger, die in „Die beste aller Welten“seine Mutter Helga spielte.
„Wenn man gemeinsam so in eine Branche startet, dann verbindet das“, sagt Goiginger über die Salzburger Schauspielerin, die auch bei dem Film über den Urgroßvater dabei sein soll. „Und sie ist auch objektiv gesehen eine wahnsinnig gute Schauspielerin. Ich evaluiere das aber schon bei jedem Film neu. Sie musste auch für Märzengrund wieder zum Casting, sie war aber halt einfach die Beste.“
Was sein erster erfolgreicher Film für ihn verändert hat? „Hauptsächlich die Tatsache, dass ich einfach schon einen Film gemacht habe, ich muss nicht mehr bei Null anfangen“, sagt Goiginger. „Ich habe einen Vertrauensvorschuss. Es gibt wahrscheinlich auch mehr Erwartungen. Aber das freut mich ja, ich habe ja selber auch hohe Erwartungen an meine Filme.“