Wo Weiterbildung zur Drohung wird
Gastkommentar. Zur „verschärften“Teilzeit mit Kurspflicht. Gerade der Weiterbildungsbereich könnte Ungleichheiten ausgleichen.
Mit Überraschung liest man die sozialpartnerschaftliche Einigung auf die „verschärfte“Form der Teilzeit – zumindest wurde sie medial so berichtet: Erhielten die Betroffenen bisher ohne erkennbare Gegenleistung ihren bisherigen Monatslohn in einem gewissen prozentuellen Ausmaß weiterbezahlt, wird jetzt eine sogenannte verschärfte Form eingeführt: Nun müssen Weiterbildungsmaßnahmen nachgewiesen werden.
Offenbar gab es unter den sozialpartnerschaftlichen Verhandlern Einigkeit über den Bedarf an Weiterbildung, der zuletzt einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft bekommen hat. Aber warum die Drohung mit Weiterbildung? Das zeugt von einem Manko an Politik- und Problemvermittlung. Dabei müsste man nur auf die plötzliche Betroffenheit der Eltern während des Corona-Lockdowns blicken: Hatten sich Bildungsdiskussionen bis dahin größtenteils um die schulfreien Tage und deren bessere und gerechtere Aufteilung konzentriert, wurden Eltern durch das Homeschooling ihrer Kinder nun mit Bildungsinhalten konfrontiert, die in ihrer eigenen schulischen Lebensphase noch unbekannt waren. Sie mussten sich unvorbereitet mit der Weiterentwicklung des Wissens der vergangenen 20 bis 30 Jahre auseinandersetzen. Hilfesuchende Mailverkehre zwischen den betroffenen Eltern legen Zeugnis davon ab. Die hier entstandenen Unsicherheiten hätten für die Politik ein guter Einstieg sein können, um die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von Weiterbildung – und zwar eigenmotiviert! – zu zeigen. Stattdessen agiert man mit finanziellen Drohungen und Zwangsmaßnahmen.
Die nun verordneten Bildungsmaßnahmen bedeuten aber, dass auch für die Teilnehmenden an diesen Weiterbildungsmaßnahmen keine finanzielle Belastung entstehen darf. Wie sieht es aber mit der Weiterbildung generell aus? Die Universitäten sehen ihre Aufgabe nicht in der Weiterbildung und wenn sie etwas in diesem Feld anbieten, dann eher teure Kurse mit sehr spezifischen Inhalten. Auch der restliche – übrigens äußerst unübersichtliche und wenig qualitätsgesicherte – Markt muss sich selbst finanzieren, was zu hohen Kurs- und anderen Gebühren führt. Es geht dabei meist um verwertungsorientierte Ausbildungen, manchmal unterstützt durch Unternehmen finanziell oder zumindest mit zusätzlicher Freizeit, zumeist aber auf Kosten des Interessierten. Der emanzipatorische und partizipatorische Bildungsbegriff wird in diesen Kursen kaum gelebt.
Chancen wahrnehmen
Eine Diskussion über die Weiterbildung in Österreich wurde bisher weitestgehend vermieden. Die ideologischen Grabenkämpfe finden vor allem im primären und sekundären Bereich statt. Wäre daher nicht gerade der Weiterbildungsbereich eine Chance, Ungleichheiten in diesen beiden Bereichen durch den freien Zugang zur Weiterbildung auszugleichen? Wenn es einen Konsens darüber gibt, dass Weiterbildung eine lebensbegleitende Notwendigkeit ist – die Einigung der Sozialpartner unterstreicht dies ja –, dann muss diese Ressource genauso gratis angeboten werden, wie der primäre, sekundäre und tertiäre Bereich. Sonst werden die Ungerechtigkeiten der ersten drei Bereiche nicht nur perpetuiert, sondern für die Betroffenen ein Leben lang zu einer unüberwindbaren Barriere. Die ideologischen Grabenkämpfe können sich dann weiter auf die ersten drei Bereiche konzentrieren, viele Betroffene könnten aber im Lauf ihres Lebens ihre Chance selbst wahrnehmen.
Günther R. Burkert, Sektionschef i.R., war für den Bereich Forschungspolitik im Ministerium für Wissenschaft u. Forschung zuständig. Er forscht an der Donau-Uni Krems.