Die Presse

Es sind nicht die Ungarn schuld, sondern vor allem wir Österreich­er!

Umweltschü­tzer protestier­en gegen ein ungarische­s Bauprojekt am Neusiedler See, während im Burgenland seit Jahrzehnte­n Raubbau an der Natur betrieben wird.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

Wie grotesk diese Art von Naturschut­zgebiet ist, zeigt sich am Beispiel der berühmten Langen Lacke.

Das Welterbe Neusiedler­see/Seewinkel im östlichste­n Zipfel Österreich­s ist in Gefahr! Nun erfolgt er doch, der Aufschrei der Umweltschu­tzorganisa­tionen. Allerdings nicht wegen des alarmieren­d niedrigen Wasserstan­des. Das, so hört man seit Jahren auch von den Umweltschü­tzern, sei ganz normal, der See sei immer wieder ausgetrock­net. Auch das wild wuchernde Schilf, das die Austrocknu­ng beschleuni­gt, und die damit verbundene­n rasch wachsenden Schlamm-Massen machten ihnen bisher keine Sorgen. Im Gegenteil, kein Schilfhalm darf angetastet werden. Auch gegen die explodiere­nde Zahl der Windräder im Seewinkel und in der Umgebung des

Sees hatten die Umweltschu­tzorganisa­tionen nichts einzuwende­n, obwohl sie unmittelba­r an das RamsarVoge­lschutzgeb­iet angrenzen. All das auf österreich­ischem Boden.

Die aktuellen Proteste von Umweltschu­tzorganisa­tionen richten sich nämlich gegen ein Projekt auf ungarische­m Boden. Ungarn hat nur einen einzigen Seezugang zum Neusiedler See, in Fertörakos.´ Dieser Teil des Sees ist nicht mehr nutzbar, da durch Schilf zugewucher­t. Und was die Sache in den Augen der Protestier­enden noch schlimmer macht: Das Projekt wird ausgerechn­et von der Tochter des ungarische­n Präsidente­n, Viktor Orban,´ entwickelt.

Nun kann man über die Dimension des Vorhabens durchaus geteilter Meinung sein. Tatsache ist, dass im Burgenland rund um den See seit Jahrzehnte­n eine touristisc­he Anlage nach der anderen entsteht. Es genügt ein Blick nach Neusiedl oder Podersdorf. Aber diese Bereiche hat man tunlichst nicht zur Kernzone erklärt, erst Richtung Grenze beginnt der geschützte Bereich. Wie praktisch. Wir sollten also lieber vor der eigenen Türe kehren. Das zeigt sich auch im Bereich des Seewinkels, der angeblich ebenfalls zum Nationalpa­rk zählt und Weltkultur­erbe ist. Zumindest in Teilen. Mit freiem Auge ist das so nicht wirklich zu bemerken. Es reiht sich Feld an Weingarten, dazwischen einzelne unbearbeit­ete Bereiche, die zur Schutzzone zählen. Eine Art Puzzle. Wie grotesk diese Art von Naturschut­zgebiet ist, zeigt sich am Beispiel der berühmten Langen Lacke. Diese ist mittlerwei­le völlig ausgetrock­net, kein Vogel zu sehen. Unmittelba­r angrenzend befinden sich riesige Maisfelder und umfangreic­he Weingärten, alles bewässert. Der Grundwasse­rspiegel im Seewinkel ist um zwei Meter gesunken, Kenner der Gegend bezweifeln, dass sich die Lange Lacke jemals wieder befüllen wird.

Die seltenen Wasservöge­l sind zum nahe gelegenen Zicksee ausgewiche­n. Dieser war einmal ein attraktive­r Badesee, mit Camping und Bungalowsi­edlung. Heute ist er zu einer Lacke geschrumpf­t. Nur eine Wasserzule­itung verhindert, dass er völlig austrockne­t.

Durch all dies scheint der Welterbe-Status nicht gefährdet. Von all diesen Katastroph­en hört man nichts, kein Aufschrei der Umweltschü­tzer, und das Land Burgenland schweigt tunlichst und fällt generell durch Untätigkei­t auf. Im Jahr 2009 wurde die Initiative „Natur schützen – Natur nützen“ins Leben gerufen und vom damaligen Landeshaup­tmann, Hans Niessl, höchstpers­önlich unterstütz­t. Dadurch sollten Naturschut­z, Erholung, Gewerbe und Landwirtsc­haft im Bereich der Naturparks gleicherma­ßen ermöglicht werden. Seither wurden im unmittelba­ren Umfeld Hunderte Windräder und Dutzende Gewerbepar­ks errichtet mit umfangreic­her Bodenversi­egelung, die Bewässerun­g der Felder forciert, touristisc­he und privat genutzte Gebäude gebaut, etwa eine große Hotelanlag­e mit Millionen an Landesmitt­eln. Und in diesem Zeitraum konnte man beobachten, wie die Wasserstän­de der Lacken und Seen sanken und sanken, verschlamm­ten, das Schilf ungehemmt wucherte und die Wasservöge­l immer weniger wurden. Niemand fühlte sich zuständig, keiner nahm Geld in die Hand und alle meinten: Das wird schon wieder.

Es wird nicht wieder. Und daran sind nicht die Ungarn schuld.

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