„Gefühlte Antwort auf Niedrigzinsen“
Immobilien-Crowdinvesting zeigt sich unbeeindruckt von Corona. Die Renditen der „Immobilien-Anlage mit Social Distancing“sind hoch – und die Projekte meist bodenständig.
Während in anderen Branchen die Rollläden nach unten gleiten, öffnete im Juni eine neue Plattform für Immobilien-Crowdinvesting ihre Pforten: Hinter RECrowd steht eine strategische Partnerschaft von Miteigentümer Re/Max DCI und dem Crowdinvesting-Pionier Conda. Nach rund zwei Monaten auf dem Markt zieht man eine erste Zwischenbilanz: Das Pilotprojekt „Wohnen im Wiesengrund“der Actimmo Liegenschaftsentwicklung in Bad Pirawarth knackte kürzlich die Marke von einer halben Million Euro und wurde aufgrund des regen Zuspruchs verlängert. Insgesamt sollen über RECrowd jetzt bis zu einer Million Euro eingesammelt werden. Ein Großteil der geplanten 45 Wohneinheiten war bereits vor Fertigstellung verwertet und setzt in der kleinen Marchfelder Gemeinde Bad Pirawarth zudem einen wichtigen Impuls, wie Co-Gründer Kurt Praszl sagt: „Das Projekt hat auch dazu geführt, dass es in Kürze eine Kinderarztpraxis in Bad Pirawarth geben wird. Ein wunderbarer Nebeneffekt mit großer Wirkung für die Gemeinde.“
Immer mehr Projekte
Und Praszl plant bereits die nächsten Schritte, nicht von ungefähr: Privates Kapital für ImmobilienProjekte im Internet einzusammeln war noch nie so einfach wie heute. Der Markt für Immo-Crowdinvesting (siehe Kasten) legte im Halbjahr 2020 um zehn Prozent zu, und es gibt laufend neue Initiativen: Immobilienentwickler und Bauträger erkennen im Crowd-Kapital großes Potenzial, um ihre Planungssicherheit zu erhöhen. Denn das digital lukrierte Mezzanine-Kapital wird von Banken in der Risikobewertung als Eigenkapital eingestuft und ermöglicht daher Anschlussfinanzierungen. Umgekehrt können Privatanleger an Investments partizipieren, die früher nur Stiftungen und Fonds zugänglich waren.
Dass mit den meist kleinen und lokalen Projekten Gemeinden unterstützt werden und aktiv Stadtentwicklung betrieben wird, zeugt vom Start-up-Geist. Nicht nur für die meist aus der Generation Y kommenden Anleger ein wichtiger Punkt: „Wir legen großen Wert darauf, nur nachvollziehbare Projekte von gut prüfbaren
Bauträgern anzunehmen“, sagt Andreas Zederbauer, Gründer und CEO Dagobertinvest. Das Crowdkapital sei zweckgebunden und komme unmittelbar in der Realwirtschaft an. „Wir wissen von unseren Bauträgern, dass sie dank der Crowd um 25 Prozent mehr bauen können“, sagt der Experte. Damit wird nicht nur schneller dringend benötigter Wohnraum geschaffen, auch andere Unternehmen profitieren von den Aufträgen, woran wiederum Arbeitsplätze hängen.
Chancen und Risken
Ob Fachmarktzentrum, Ordination oder leistbares Wohnen: Die Projekte kommen bei der Crowd allesamt gut an. Denn in Zeiten von Niedrigzinsen und turbulenten Aktienmärkten seien viele auf der Suche nach sicheren Alternativen, sagt Daniel Horak, Co-Gründer und CEO von Conda. „ImmobilienProjekte sind oft die gefühlte Antwort, sie sind in der Regel in der Wahrnehmung oftmals niedrigeren Risken ausgesetzt als etwa eine Start-up-Finanzierung. Auch sind die tendenziell kürzeren Laufzeiten sowie die Regelmäßigkeit der Auszahlungen nicht zu vernachlässigende Faktoren.“Dass der Einstieg von der Couch aus mit vollem „Social Distancing“erfolgt, ist heuer zum weiteren Top-Argument für viele Investoren geworden. Anders als der Kauf von Aktien oder Fonds ist das Investment zudem frei von Kaufnebenkosten und Management-Fees.
Risken gibt es trotzdem: Beim Schwarmkapital handelt es sich stets um ein Investment in ein Nachrangdarlehen eines Unternehmens – ob dieses Holzhüllen für Smartphones, neuartige Zahnbürsten oder Wohnbauprojekte entwickelt, ist im Falle einer Insolvenz unerheblich. Anders als schwarmfinanzierte Start-ups aus den vorhin genannten Bereichen wie Woodero und Amabrush sind Immobilien-Entwickler in Österreich nicht pleitegegangen und selbst in Deutschland, wo der Markt um das Zehnfache größer ist, gab es bei Hunderten Projekten lediglich einen Ausfall. Dennoch warnen Anlegerschützer davor, zu viel Kapital in diesen Bereich zu betonieren. Zederbauer hält es ebenfalls für sinnvoll, das verfügbare Anlagekapital stets auf mehrere Projekte aufzuteilen. „Weil Vertrauen das Grundprinzip bei Geldgeschäften ist, weisen wir alle Anleger ausdrücklich auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen eines Nachrangdarlehens hin“, betont auch Dominik Peherstorfer, Gründer, Geschäftsführer und Finanzchef der Plattform Avoris. Denn genauso wie er und seine drei Co-Gründer, die ihr privates Geld angelegt haben, tragen auch die Anleger im Fall einer Insolvenz das Risiko, dass es im schlimmsten Fall zu einem Verlust des eingesetzten Kapitals kommen kann.
Hohe Renditen
Läuft es wie geplant, macht sich das Investment aber bezahlt: „Anhand der bisher umgesetzten Projekte ist von einem durchschnittlichen Zinssatz von rund sieben Prozent pro Jahr auszugehen, da oder dort kann es aber sogar in Richtung acht oder neun Prozent gehen“, sagt Zederbauer. Wobei allerdings die Regel gilt: Je höher die Zinsen, desto größer ist in der Regel das Risiko eines Ausfalls.
Gerade hat die Europäische Zentralbank angekündigt, die Zinsen für längere Zeit auf dem Nullpunkt zu belassen – für die Crowdinvesting-Plattformen sind damit weitere Jahre mit Zuwächsen im zweistelligen Prozentbereich so gut wie programmiert.