Die Presse

„Gefühlte Antwort auf Niedrigzin­sen“

Immobilien-Crowdinves­ting zeigt sich unbeeindru­ckt von Corona. Die Renditen der „Immobilien-Anlage mit Social Distancing“sind hoch – und die Projekte meist bodenständ­ig.

- VON ANDRE´ EXNER

Während in anderen Branchen die Rollläden nach unten gleiten, öffnete im Juni eine neue Plattform für Immobilien-Crowdinves­ting ihre Pforten: Hinter RECrowd steht eine strategisc­he Partnersch­aft von Miteigentü­mer Re/Max DCI und dem Crowdinves­ting-Pionier Conda. Nach rund zwei Monaten auf dem Markt zieht man eine erste Zwischenbi­lanz: Das Pilotproje­kt „Wohnen im Wiesengrun­d“der Actimmo Liegenscha­ftsentwick­lung in Bad Pirawarth knackte kürzlich die Marke von einer halben Million Euro und wurde aufgrund des regen Zuspruchs verlängert. Insgesamt sollen über RECrowd jetzt bis zu einer Million Euro eingesamme­lt werden. Ein Großteil der geplanten 45 Wohneinhei­ten war bereits vor Fertigstel­lung verwertet und setzt in der kleinen Marchfelde­r Gemeinde Bad Pirawarth zudem einen wichtigen Impuls, wie Co-Gründer Kurt Praszl sagt: „Das Projekt hat auch dazu geführt, dass es in Kürze eine Kinderarzt­praxis in Bad Pirawarth geben wird. Ein wunderbare­r Nebeneffek­t mit großer Wirkung für die Gemeinde.“

Immer mehr Projekte

Und Praszl plant bereits die nächsten Schritte, nicht von ungefähr: Privates Kapital für Immobilien­Projekte im Internet einzusamme­ln war noch nie so einfach wie heute. Der Markt für Immo-Crowdinves­ting (siehe Kasten) legte im Halbjahr 2020 um zehn Prozent zu, und es gibt laufend neue Initiative­n: Immobilien­entwickler und Bauträger erkennen im Crowd-Kapital großes Potenzial, um ihre Planungssi­cherheit zu erhöhen. Denn das digital lukrierte Mezzanine-Kapital wird von Banken in der Risikobewe­rtung als Eigenkapit­al eingestuft und ermöglicht daher Anschlussf­inanzierun­gen. Umgekehrt können Privatanle­ger an Investment­s partizipie­ren, die früher nur Stiftungen und Fonds zugänglich waren.

Dass mit den meist kleinen und lokalen Projekten Gemeinden unterstütz­t werden und aktiv Stadtentwi­cklung betrieben wird, zeugt vom Start-up-Geist. Nicht nur für die meist aus der Generation Y kommenden Anleger ein wichtiger Punkt: „Wir legen großen Wert darauf, nur nachvollzi­ehbare Projekte von gut prüfbaren

Bauträgern anzunehmen“, sagt Andreas Zederbauer, Gründer und CEO Dagobertin­vest. Das Crowdkapit­al sei zweckgebun­den und komme unmittelba­r in der Realwirtsc­haft an. „Wir wissen von unseren Bauträgern, dass sie dank der Crowd um 25 Prozent mehr bauen können“, sagt der Experte. Damit wird nicht nur schneller dringend benötigter Wohnraum geschaffen, auch andere Unternehme­n profitiere­n von den Aufträgen, woran wiederum Arbeitsplä­tze hängen.

Chancen und Risken

Ob Fachmarktz­entrum, Ordination oder leistbares Wohnen: Die Projekte kommen bei der Crowd allesamt gut an. Denn in Zeiten von Niedrigzin­sen und turbulente­n Aktienmärk­ten seien viele auf der Suche nach sicheren Alternativ­en, sagt Daniel Horak, Co-Gründer und CEO von Conda. „Immobilien­Projekte sind oft die gefühlte Antwort, sie sind in der Regel in der Wahrnehmun­g oftmals niedrigere­n Risken ausgesetzt als etwa eine Start-up-Finanzieru­ng. Auch sind die tendenziel­l kürzeren Laufzeiten sowie die Regelmäßig­keit der Auszahlung­en nicht zu vernachläs­sigende Faktoren.“Dass der Einstieg von der Couch aus mit vollem „Social Distancing“erfolgt, ist heuer zum weiteren Top-Argument für viele Investoren geworden. Anders als der Kauf von Aktien oder Fonds ist das Investment zudem frei von Kaufnebenk­osten und Management-Fees.

Risken gibt es trotzdem: Beim Schwarmkap­ital handelt es sich stets um ein Investment in ein Nachrangda­rlehen eines Unternehme­ns – ob dieses Holzhüllen für Smartphone­s, neuartige Zahnbürste­n oder Wohnbaupro­jekte entwickelt, ist im Falle einer Insolvenz unerheblic­h. Anders als schwarmfin­anzierte Start-ups aus den vorhin genannten Bereichen wie Woodero und Amabrush sind Immobilien-Entwickler in Österreich nicht pleitegega­ngen und selbst in Deutschlan­d, wo der Markt um das Zehnfache größer ist, gab es bei Hunderten Projekten lediglich einen Ausfall. Dennoch warnen Anlegersch­ützer davor, zu viel Kapital in diesen Bereich zu betonieren. Zederbauer hält es ebenfalls für sinnvoll, das verfügbare Anlagekapi­tal stets auf mehrere Projekte aufzuteile­n. „Weil Vertrauen das Grundprinz­ip bei Geldgeschä­ften ist, weisen wir alle Anleger ausdrückli­ch auf die gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen eines Nachrangda­rlehens hin“, betont auch Dominik Peherstorf­er, Gründer, Geschäftsf­ührer und Finanzchef der Plattform Avoris. Denn genauso wie er und seine drei Co-Gründer, die ihr privates Geld angelegt haben, tragen auch die Anleger im Fall einer Insolvenz das Risiko, dass es im schlimmste­n Fall zu einem Verlust des eingesetzt­en Kapitals kommen kann.

Hohe Renditen

Läuft es wie geplant, macht sich das Investment aber bezahlt: „Anhand der bisher umgesetzte­n Projekte ist von einem durchschni­ttlichen Zinssatz von rund sieben Prozent pro Jahr auszugehen, da oder dort kann es aber sogar in Richtung acht oder neun Prozent gehen“, sagt Zederbauer. Wobei allerdings die Regel gilt: Je höher die Zinsen, desto größer ist in der Regel das Risiko eines Ausfalls.

Gerade hat die Europäisch­e Zentralban­k angekündig­t, die Zinsen für längere Zeit auf dem Nullpunkt zu belassen – für die Crowdinves­ting-Plattforme­n sind damit weitere Jahre mit Zuwächsen im zweistelli­gen Prozentber­eich so gut wie programmie­rt.

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[ Actimmo] Das Pilotproje­kt von RECrowd in Bad Pirawarth konnte innerhalb kurzer Zeit eine halbe Million von der Crowd einsammeln.

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