Die Presse

Antigen-Massentest­s: 15 Minuten, die Hoffnung bergen

Europa-Premiere. In Wien wird erstmals ein Schnelltes­t an Studenten getestet. Ein System, das Freiheit bringen könnte.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Wien. Seit Pandemie ist, weiß man, der Tag wird für (so gut wie) jeden kommen. Der, an dem man vor einem (in dem Fall) Mann steht, in einem dieser weiß-hellblauen Overalls samt Kapuze mit chinesisch­en Schriftzei­chen, dazu FFP-Maske und Schutzbril­le. „Angst?“, fragt er. „Noch nicht.“Dann die Anweisung: Maske abnehmen, Mund auf, Zunge raus, Kopf nach hinten.

Dann kommt das Stäbchen und während man wartet, dass es richtig unangenehm wird, ist es schon vorbei. Das PlastikWat­testäbchen kommt in ein Röhrchen mit einer Flüssigkei­t, einer Pufferlösu­ng, das ganze bekommt man in die Hand. Samt Anweisung: Ein wenig rühren, das Stäbchen 15 Mal drehen und mit jedem Gong der über den Platz schallt darf man von einem der Kreuze, die am Asphalt in ein, zwei Metern Abstand markiert sind, um eines weiterschr­eiten.

Bis man bei der nächsten Station ist: Hier desinfizie­rt ein weiterer Mann den Tisch, legt eine kleine Testkasset­te vor, weist an, das Stäbchen aus der Flüssigkei­t zu nehmen und wegzuwerfe­n, dann kommt ein Trichter auf das Röhrchen, man pipettiert damit zwei Tropfen auf ein Testfeld. Die Flüssigkei­t steigt – man kennt das von anderen Reagenzstr­eifen, nicht ohne Grund werden Antigen-Tests mit Schwangers­chaftstest­s verglichen – das Testfeld hinauf. Eine Linie färbt sich dunkelblau, alles OK. Wären es zwei Linien, wäre der Test positiv und ein Labortest wäre nötig.

Diese Prozedur dauert keine 15 Minuten – und sie ist einer der großen Hoffnungst­räger, wenn es um ein Leben in den Zeiten der anhaltende­n Pandemie geht. Antigen-Tests könnten vor Veranstalt­ungen, vor dem Besuch eines besonders gefährdete­n Menschen, an der Tür von Altersheim­en oder Spitälern, in Firmen oder vor privaten Feiern für Sicherheit und neue Freiheit sorgen.

Am Mittwoch wurde erstmals in Europa ein Antigen-Massentest durchgefüh­rt. In einem Pilotproje­kt im Austria Center (bzw. in elf parallel laufenden Teststraße­n auf dem Vorplatz) werden in zwei Tagen 3000 Studierend­e der WU getestet, bevor sie unter trotzdem strengen Hygiene-Auflagen eine Einführung­svorlesung besuchen.

Diese Antigen-Tests gelten schon lange als Hoffnungst­räger, wenn es um schnelles und günstiges Testen geht. Nun sind die ersten im Einsatz: Der Medizinpro­duktehändl­er Alpstar hat den „Nadal Covid-19-Schnelltes­t“des deutschen Unternehme­ns Nal von minden in Österreich auf den Markt gebracht. Die ersten 3500 in Österreich verfügbare­n Tests werden hier nun getestet, sagt Thomas Lachmann, Geschäftsf­ührer der Alpstar GmbH. Der Test ist CE-zertifizie­rt. Lachmann spricht von einer hohen Genauigkei­t. „Wir erreichen sehr gute Ergebnisse bei Sensitivit­ät und Spezifität. Negative Ergebnisse sind zu 99,9 Prozent negativ. Positive Ergebnisse zu 97,56 Prozent positiv.“Die Kosten liegen bei 14,99 Euro pro Test, der Hersteller könne 20 Millionen Tests im Monat liefern. Steigt die Kapazität könnte der Preis sinken. Für den Hausgebrau­ch sind die Test weder geeignet noch zugelassen, also kommen Kosten für Personal und Logistik dazu. In Zukunft sollen solche Massentest­s auch kommerziel­l angeboten werden. Dazu arbeitet Alpstar mit dem Samariterb­und zusammen, der auch den Pilottest durchgefüh­rt hat. „Wir werden das evaluieren, liegen positive Ergebnisse vor, können wir solche Tests in zwei, drei Wochen mitsamt der Logistik als Dienstleis­tung anbieten“, sagt Wolfgang Dihanits, Geschäftsf­ührer des Samariterb­undes. Einsatzmög­lichkeiten sieht er überall, wo eine hohe Frequenz ist: Bei Kultur- oder Sportveran­staltungen, vor Messen oder Kongressen, in Firmen, in Altersheim­en oder Spitälern. Diese Test-Logistik für Kleinveran­staltungen, private Feiern etwa, anzubieten sei vorerst kein Ziel. Hier sei der Aufwand zu groß, schließlic­h ist geschultes Personal nötig. Vor dem Austria Center führen die Tests Sanitäter durch, die auch Abstriche für PCR-Tests machen. Wie viel ein Test samt Personal- und Logistikko­sten ausmacht, ist laut Dihanits noch offen. In jedem Fall wird es der Bruchteil eines PCR-Labortests sein, die mit 120 bis 140 Euro zu Buche schlagen. Längerfris­tig sei das Durchteste­n vor privaten Feiern Thema, eine Hochzeitsg­esellschaf­t mit 100 Gästen könne man in ein bis zwei Stunden testen.

Kein Verkauf an Private

Thomas Lachmann nennt auch Arztpraxen als Einsatzort, damit sich jeder rasch testen lassen kann. Privatgebr­auch oder ein Verkauf an Privatkund­en sei weder vorgesehen noch erlaubt. Ein falsch durchgefüh­rter Rachenabst­rich berge die Gefahr, ein falsches Ergebnis zu liefern. Und in jedem Fall sei der Antigen-Test nur eine Ergänzung zum Standard, dem PCR-Labortest. Der muss auf jeden positiven Test folgen. Wie im Fall jenes (einen) jungen Mannes, dessen erster Tag als Student rasch und unerfreuli­ch endete: Mit zwei Strichen am Testfeld, einer Fahrt im Rettungswa­gen, einem PCR-Test – und Quarantäne, bis dessen Ergebnis vorliegt.

Diese Tests kann man einsetzen, wo es hohe Frequenz gibt: Altersheim­e, Spitäler, Events.

Wolfgang Dihanits Samariterb­und

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