Antigen-Massentests: 15 Minuten, die Hoffnung bergen
Europa-Premiere. In Wien wird erstmals ein Schnelltest an Studenten getestet. Ein System, das Freiheit bringen könnte.
Wien. Seit Pandemie ist, weiß man, der Tag wird für (so gut wie) jeden kommen. Der, an dem man vor einem (in dem Fall) Mann steht, in einem dieser weiß-hellblauen Overalls samt Kapuze mit chinesischen Schriftzeichen, dazu FFP-Maske und Schutzbrille. „Angst?“, fragt er. „Noch nicht.“Dann die Anweisung: Maske abnehmen, Mund auf, Zunge raus, Kopf nach hinten.
Dann kommt das Stäbchen und während man wartet, dass es richtig unangenehm wird, ist es schon vorbei. Das PlastikWattestäbchen kommt in ein Röhrchen mit einer Flüssigkeit, einer Pufferlösung, das ganze bekommt man in die Hand. Samt Anweisung: Ein wenig rühren, das Stäbchen 15 Mal drehen und mit jedem Gong der über den Platz schallt darf man von einem der Kreuze, die am Asphalt in ein, zwei Metern Abstand markiert sind, um eines weiterschreiten.
Bis man bei der nächsten Station ist: Hier desinfiziert ein weiterer Mann den Tisch, legt eine kleine Testkassette vor, weist an, das Stäbchen aus der Flüssigkeit zu nehmen und wegzuwerfen, dann kommt ein Trichter auf das Röhrchen, man pipettiert damit zwei Tropfen auf ein Testfeld. Die Flüssigkeit steigt – man kennt das von anderen Reagenzstreifen, nicht ohne Grund werden Antigen-Tests mit Schwangerschaftstests verglichen – das Testfeld hinauf. Eine Linie färbt sich dunkelblau, alles OK. Wären es zwei Linien, wäre der Test positiv und ein Labortest wäre nötig.
Diese Prozedur dauert keine 15 Minuten – und sie ist einer der großen Hoffnungsträger, wenn es um ein Leben in den Zeiten der anhaltenden Pandemie geht. Antigen-Tests könnten vor Veranstaltungen, vor dem Besuch eines besonders gefährdeten Menschen, an der Tür von Altersheimen oder Spitälern, in Firmen oder vor privaten Feiern für Sicherheit und neue Freiheit sorgen.
Am Mittwoch wurde erstmals in Europa ein Antigen-Massentest durchgeführt. In einem Pilotprojekt im Austria Center (bzw. in elf parallel laufenden Teststraßen auf dem Vorplatz) werden in zwei Tagen 3000 Studierende der WU getestet, bevor sie unter trotzdem strengen Hygiene-Auflagen eine Einführungsvorlesung besuchen.
Diese Antigen-Tests gelten schon lange als Hoffnungsträger, wenn es um schnelles und günstiges Testen geht. Nun sind die ersten im Einsatz: Der Medizinproduktehändler Alpstar hat den „Nadal Covid-19-Schnelltest“des deutschen Unternehmens Nal von minden in Österreich auf den Markt gebracht. Die ersten 3500 in Österreich verfügbaren Tests werden hier nun getestet, sagt Thomas Lachmann, Geschäftsführer der Alpstar GmbH. Der Test ist CE-zertifiziert. Lachmann spricht von einer hohen Genauigkeit. „Wir erreichen sehr gute Ergebnisse bei Sensitivität und Spezifität. Negative Ergebnisse sind zu 99,9 Prozent negativ. Positive Ergebnisse zu 97,56 Prozent positiv.“Die Kosten liegen bei 14,99 Euro pro Test, der Hersteller könne 20 Millionen Tests im Monat liefern. Steigt die Kapazität könnte der Preis sinken. Für den Hausgebrauch sind die Test weder geeignet noch zugelassen, also kommen Kosten für Personal und Logistik dazu. In Zukunft sollen solche Massentests auch kommerziell angeboten werden. Dazu arbeitet Alpstar mit dem Samariterbund zusammen, der auch den Pilottest durchgeführt hat. „Wir werden das evaluieren, liegen positive Ergebnisse vor, können wir solche Tests in zwei, drei Wochen mitsamt der Logistik als Dienstleistung anbieten“, sagt Wolfgang Dihanits, Geschäftsführer des Samariterbundes. Einsatzmöglichkeiten sieht er überall, wo eine hohe Frequenz ist: Bei Kultur- oder Sportveranstaltungen, vor Messen oder Kongressen, in Firmen, in Altersheimen oder Spitälern. Diese Test-Logistik für Kleinveranstaltungen, private Feiern etwa, anzubieten sei vorerst kein Ziel. Hier sei der Aufwand zu groß, schließlich ist geschultes Personal nötig. Vor dem Austria Center führen die Tests Sanitäter durch, die auch Abstriche für PCR-Tests machen. Wie viel ein Test samt Personal- und Logistikkosten ausmacht, ist laut Dihanits noch offen. In jedem Fall wird es der Bruchteil eines PCR-Labortests sein, die mit 120 bis 140 Euro zu Buche schlagen. Längerfristig sei das Durchtesten vor privaten Feiern Thema, eine Hochzeitsgesellschaft mit 100 Gästen könne man in ein bis zwei Stunden testen.
Kein Verkauf an Private
Thomas Lachmann nennt auch Arztpraxen als Einsatzort, damit sich jeder rasch testen lassen kann. Privatgebrauch oder ein Verkauf an Privatkunden sei weder vorgesehen noch erlaubt. Ein falsch durchgeführter Rachenabstrich berge die Gefahr, ein falsches Ergebnis zu liefern. Und in jedem Fall sei der Antigen-Test nur eine Ergänzung zum Standard, dem PCR-Labortest. Der muss auf jeden positiven Test folgen. Wie im Fall jenes (einen) jungen Mannes, dessen erster Tag als Student rasch und unerfreulich endete: Mit zwei Strichen am Testfeld, einer Fahrt im Rettungswagen, einem PCR-Test – und Quarantäne, bis dessen Ergebnis vorliegt.
Diese Tests kann man einsetzen, wo es hohe Frequenz gibt: Altersheime, Spitäler, Events.
Wolfgang Dihanits Samariterbund