Kürzeste Lohnrunde mit gutem Abschluss
Metaller. Statt vieler Wochen verhandelten die Metaller heuer nur wenige Stunden bis zu einer Einigung. Die kann sich aber durchaus sehen lassen.
Wien. Der Geruch nach Schweinsbraten überall: Fleisch und Krautsalat warteten am Donnerstag zu Mittag vor dem Saal, in dem Gewerkschafter und Unternehmervertreter in der Wirtschaftskammer ihre Positionen austauschten. In normalen Zeiten folgen auf diesen Auftakt drastische Worte, Drohungen und manchmal Streiks. Aber heuer fällt all das aus. Denn der stärkste Wirtschaftseinbruch in der Zweiten Republik ruft die Gewerkschaft zur Räson. „Corona hat uns durcheinandergebeutelt“, sagte Arbeitnehmer-Chefverhandler Rainer Wimmer von der Produktionsgewerkschaft Pro-Ge. Und so verkündete die Gewerkschaft am Donnerstag schon nach wenigen Stunden eine Einigung für die mehr als 130.000 Beschäftigten in der metalltechnischen Industrie. Die Löhne und Gehälter (Kollektivvertrag und Überzahlungen) steigen ab November um 1,45 Prozent – den Beschäftigten wird also die Inflation abgegolten. Zusätzlich empfehlen die Arbeitgebervertreter jenen Mitgliedsbetrieben, denen es gut geht, ihren Mitarbeitern eine steuerfreie Coronaprämie von 150 Euro zu zahlen. Außerdem können Beschäftigte künftig mehr Minusstunden machen – so sollen Jobs erhalten werden. Dass heuer nicht mehr drin war, sahen Arbeitgeber und Gewerkschaft ausnahmsweise gleichermaßen. Es sei wichtig, in Zeiten wie diesen die große Verantwortung wahrzunehmen, sagte Wimmer. „Das haben wir als Gewerkschaft heute vollzogen.“
Arbeitgeber mit gemischten Gefühlen
Verstecken müssen sich die Gewerkschafter für das Ergebnis nicht. Die österreichische Wirtschaft wird heuer laut der aktuellen Wifo-Prognose um sieben Prozent schrumpfen, so stark wie noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Im Jahr 2009, dem bisher schlechtesten Jahr, betrug das Minus lediglich 3,9 Prozent. Für 2021 prognostiziert das Wifo zwar ein Wachstum von gut vier Prozent und das Institut für Höhere Studien erwartet sogar gar knapp sechs Prozent – doch das reicht ganz offensichtlich nicht, um den heurigen Einbruch wettzumachen. Voriges Jahr einigte man sich auf ein Lohnplus von durchschnittlich 2,7 Prozent. Zurückgelegen war ein relativ gutes Jahr, der Ausblick hatte sich aber schon eingetrübt.
Die Arbeitgeber stehen dem Abschluss mit gemischten Gefühlen gegenüber. Sie hätten die Lohnrunde heuer am liebsten ausfallen lassen, doch dafür war die Gewerkschaft nicht zu haben. „Es war uns wichtig, keine zusätzliche Unruhe in die Unternehmen reinzubringen“, sagte Arbeitgeber-Sprecher Christian Knill – daher der schnelle Abschluss. Die Erhöhung ist für ihn eine „klare Anerkennung für die Mitarbeiter“. 85 Prozent der Unternehmen in der Branche sind Familienbetriebe. „Gerade in schwierigen Zeiten muss man zusammenstehen“, sagte Knill. Trotzdem hätten die Unternehmervertreter lieber eine Einmalzahlung gehabt als eine prozentuelle Lohnerhöhung. 550 Euro habe man geboten, das hätte die Kaufkraft mehr gestärkt als der jetzige Abschluss, sagte Knill. Doch die Gewerkschaft pocht auf Prozente, weil das in allen künftigen Lohnrunden nachwirkt.
In der gesamten Metallindustrie arbeiten rund 190.000 Beschäftigte, der größte Fachverband ist die metalltechnische Industrie mit rund 134.000 Beschäftigten. Die Branche erwartet heuer ein Fünftel weniger Umsatz, den man auch nicht so schnell wieder aufholen werde, sagte Knill. 27 Prozent der Unternehmen planen, in den kommenden Monaten Mitarbeiter abzubauen. 30 Prozent der Beschäftigten arbeiten kurz. „Jede Lohnerhöhung sichert zwar die Einkommen, aber nicht die Arbeitsplätze“, gab sich Arbeitgebersprecher Knill düster.
Experten loben raschen Abschluss
Experten sehen es positiv, dass so rasch eine Einigung erzielt wurde. „Die Verhandler haben ihre Bereitschaft zur Lösungsfindung signalisiert“, sagt Thomas Leoni, Ökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. Nun, da das Thema Löhne gelöst wurde, könnten sie sich darauf konzentrieren, Maßnahmen gegen die Krise zu finden. Es sei auch ein positives Signal, dass die Kaufkraft erhalten bleibe. Auch Helmut Hofer, Ökonom am Institut für Höhere Studien, lobt den raschen Abschluss. Er räumt aber ein, dass man, wenn man die Produktivität betrachtet, streng genommen negativ hätte abschließen müssen. „Der Abschluss zeigt, dass die Sozialpartnerschaft schnell zu Lösungen führt. Aber es ist sicher kein Abschluss, der die internationale Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie stärkt.“
Jedenfalls sei das die kürzeste Lohnverhandlung gewesen, die in Österreich je stattgefunden habe, hieß es aus der Gewerkschaft – an eine vergleichbar kurze konnte sich am Donnerstag niemand erinnern.