Soll man Google, Facebook & Co. zerschlagen?
Monopole. Die USA und die EU wollen sich gegen die globale Dominanz der großen Online-Plattformen mit neuen Gesetzen wehren, die im Ernstfall bis zu deren Aufspaltung gehen. Wie passt das mit Marktwirtschaft zusammen?
Donald Trumps Republikaner haben gestern ein Gesetz eingebracht, das Online-Plattformen wie Facebook oder Twitter an die Leine nehmen soll: Diese werden künftig für Inhalte auf ihren Plattformen verantwortlich sein und gleichzeitig bei der „böswilligen Zensurierung“von solchen Inhalten Grenzen gesetzt bekommen. Bisher können die Plattformen für die Aussagen ihrer Nutzer nämlich so gut wie nicht zur Verantwortung gezogen werden, haben auf der anderen Seite aber ziemlich freie Hand bei der Unterdrückung ihnen nicht genehmer Meinungen.
Das Ganze ist vordergründig ein bisschen durchsichtig, denn die kalifornischen Internetgiganten sind nicht unbedingt als Fans des White-House-Rambos bekannt und haben Trump in letzter Zeit häufig geärgert, indem sie sich weigerten, Löschungswünsche auszuführen – und gleichzeitig beispielsweise Tweets und Facebook-Einträge des Präsidenten mit Warnhinweisen bezüglich eventueller Fake News versehen haben.
Aber es hat einen ernsten Hintergrund: Nicht nur Facebook, sondern auch andere Internetkonzerne wie Google, Amazon, Microsoft oder Apple haben in ihren Bereichen Stellungen erreicht, die globalen Monopolen nahekommen. Entsprechend groß ist ihre wirtschaftliche Macht geworden. Und entsprechend wächst ihr politischer Einfluss.
Das hat nicht nur die amerikanische Regierung aufgeschreckt. Auch die EU ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht: Brüssel will bis Jahresende den Entwurf für einen Digital Services Act vorlegen, der die geltende, 20 Jahre alte E-CommerceRichtlinie der Gemeinschaft ersetzen soll. Was, ganz nebenbei, die Reaktionsgeschwindigkeit der Politik auf innovative Entwicklungen sehr schön demonstriert: 20 Jahre sind in der digitalen Welt eine Zeitspanne von wahrhaft erdgeschichtlichem Ausmaß. Zur Jahrtausendwende sah die OnlineWelt völlig anders aus als heute.
Wie auch immer: Auch die EU will die Konzerne stärker für Inhalte verantwortlich machen (wenn auch nicht so radikal wie die Amerikaner). Aber sie will noch weitergehen: Geplant ist, wie die „Financial Times“neulich berichtete, ein Frontalangriff auf die Monopolstellung der Internetgiganten: Für den Fall, dass deren Macht zu groß wird, soll die Möglichkeit geschaffen werden, diese Macht zu brechen. Durch Aufteilung der Konzerne (etwa durch den Verkauf europäischer Töchter) und, im Extremfall, durch Ausschluss vom Binnenmarkt.
Auch da treffen sich die Europäer übrigens mit den Amerikanern: In Kreisen der dortigen Demokraten wird die Zerschlagung der Monopole seit Längerem verlangt, neuerdings schwenken auch die Republikaner immer stärker auf die Zerschlagungsvariante um.
Vertragen sich solche staatlichen Eingriffe eigentlich mit den Prinzipien der Marktwirtschaft, der sich beide Wirtschaftsräume verpflichtet fühlen? Dazu müssen wir ein bisschen ins Grundsätzliche gehen und uns ein Grunddilemma dieses Wirtschaftssystems anschauen: Erfolg gegenüber der Konkurrenz führt in letzter Konsequenz zu Monopolbildung. Und Monopolbildung zur Ausschaltung der Konkurrenz. Es gibt also nichts marktwirtschaftsfeindlicheres als ein Monopol.
Besonders krass kommt diese Logik in der digitalen Plattformwirtschaft zum Tragen. Dort stehen sehr hohen Fixkosten bei der Entwicklung extrem niedrige Grenzkosten im laufenden Betrieb gegenüber. Dass eine solche Konstellation nach dem „The winner takes it all“-Prinzip Monopolbildung extrem begünstigt, gehörte schon in Vor-Internet-Zeiten zu den Basiserkenntnissen der Volkswirtschaft.
Tja, und jetzt haben wir Monopole. Und zwar globale, die Regierungen vor sich hertreiben, Steuern zahlen, wo und wie viel sie gerade wollen, und sich, siehe USA, sogar steuernd in Präsidentschaftswahlkämpfe einmischen.
Weil es nichts marktwirtschaftsfeindlicheres gibt als eine Ausschaltung der Konkurrenz per Monopol, gehören Antitrustgesetze, die Monopolbildung verhindern, sozusagen zum Basisbaukasten westlicher Demokratien. Und sie sind früher durchaus auch angewandt worden. Rockefellers Standard Oil Company beispielsweise war zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Ölgeschäft, dessen damalige Bedeutung durchaus der des heutigen Datengeschäfts entsprach, dominant geworden und wurde 1911 auf Basis eines Urteils des Obersten US-Gerichts in 34 Einzelunternehmen zerschlagen. AT&T, der älteste und damals größte Telefonkonzern der Welt, wurde wegen seiner Marktdominanz in den USA gezwungen, sich von Datenverarbeitung fern zu halten und spaltete 1981 nach einem längeren Gerichtsverfahren 22 regionale Tochtergesellschaften ab, um einem entsprechenden Urteil zuvorzukommen.
Aber seither haben die Antikartellgesetze in den westlichen Industriegesellschaften offenbar ihre Zähne verloren. Vor allem: Der Monopolisierung der Plattformökonomie, zu deren innerer Logik wie gesagt die Monopolbildung gehört, stehen die Regierungen bisher völlig hilflos gegenüber. Man muss sich nur die jämmerlichen Versuche anschauen, weltweit tätige Konzerne per nationalen Digitalsteuerlösungen einzufangen.
Und es gibt natürlich noch ein anderes Problem: Die Onlineriesen mit ihren riesigen Einnahmen sind zumindest bisher auch Innovationstreiber. Aber sie machen auf der anderen Seite auf Dauer regionale Wirtschaften kaputt. Man muss sich nur die immer stärkere Dominanz von Google bei den weltweiten Werbeeinnahmen anschauen, um zu sehen, wohin der Hase läuft.
Die großen Wirtschaftsblöcke tun also gut daran, sich dieses Problems anzunehmen, solang es noch geht. Wenn notwendig, auch mit Brachialmaßnahmen. Denn Monopole sind, wenn sie sich einmal verfestigt haben, Gift für die Wirtschaft. Das ändert sich auch in der Digitalisierung nicht.