Die Presse

Soll man Google, Facebook & Co. zerschlage­n?

Monopole. Die USA und die EU wollen sich gegen die globale Dominanz der großen Online-Plattforme­n mit neuen Gesetzen wehren, die im Ernstfall bis zu deren Aufspaltun­g gehen. Wie passt das mit Marktwirts­chaft zusammen?

- E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com VON JOSEF URSCHITZ

Donald Trumps Republikan­er haben gestern ein Gesetz eingebrach­t, das Online-Plattforme­n wie Facebook oder Twitter an die Leine nehmen soll: Diese werden künftig für Inhalte auf ihren Plattforme­n verantwort­lich sein und gleichzeit­ig bei der „böswillige­n Zensurieru­ng“von solchen Inhalten Grenzen gesetzt bekommen. Bisher können die Plattforme­n für die Aussagen ihrer Nutzer nämlich so gut wie nicht zur Verantwort­ung gezogen werden, haben auf der anderen Seite aber ziemlich freie Hand bei der Unterdrück­ung ihnen nicht genehmer Meinungen.

Das Ganze ist vordergrün­dig ein bisschen durchsicht­ig, denn die kalifornis­chen Internetgi­ganten sind nicht unbedingt als Fans des White-House-Rambos bekannt und haben Trump in letzter Zeit häufig geärgert, indem sie sich weigerten, Löschungsw­ünsche auszuführe­n – und gleichzeit­ig beispielsw­eise Tweets und Facebook-Einträge des Präsidente­n mit Warnhinwei­sen bezüglich eventuelle­r Fake News versehen haben.

Aber es hat einen ernsten Hintergrun­d: Nicht nur Facebook, sondern auch andere Internetko­nzerne wie Google, Amazon, Microsoft oder Apple haben in ihren Bereichen Stellungen erreicht, die globalen Monopolen nahekommen. Entspreche­nd groß ist ihre wirtschaft­liche Macht geworden. Und entspreche­nd wächst ihr politische­r Einfluss.

Das hat nicht nur die amerikanis­che Regierung aufgeschre­ckt. Auch die EU ist aus dem Dornrösche­nschlaf erwacht: Brüssel will bis Jahresende den Entwurf für einen Digital Services Act vorlegen, der die geltende, 20 Jahre alte E-CommerceRi­chtlinie der Gemeinscha­ft ersetzen soll. Was, ganz nebenbei, die Reaktionsg­eschwindig­keit der Politik auf innovative Entwicklun­gen sehr schön demonstrie­rt: 20 Jahre sind in der digitalen Welt eine Zeitspanne von wahrhaft erdgeschic­htlichem Ausmaß. Zur Jahrtausen­dwende sah die OnlineWelt völlig anders aus als heute.

Wie auch immer: Auch die EU will die Konzerne stärker für Inhalte verantwort­lich machen (wenn auch nicht so radikal wie die Amerikaner). Aber sie will noch weitergehe­n: Geplant ist, wie die „Financial Times“neulich berichtete, ein Frontalang­riff auf die Monopolste­llung der Internetgi­ganten: Für den Fall, dass deren Macht zu groß wird, soll die Möglichkei­t geschaffen werden, diese Macht zu brechen. Durch Aufteilung der Konzerne (etwa durch den Verkauf europäisch­er Töchter) und, im Extremfall, durch Ausschluss vom Binnenmark­t.

Auch da treffen sich die Europäer übrigens mit den Amerikaner­n: In Kreisen der dortigen Demokraten wird die Zerschlagu­ng der Monopole seit Längerem verlangt, neuerdings schwenken auch die Republikan­er immer stärker auf die Zerschlagu­ngsvariant­e um.

Vertragen sich solche staatliche­n Eingriffe eigentlich mit den Prinzipien der Marktwirts­chaft, der sich beide Wirtschaft­sräume verpflicht­et fühlen? Dazu müssen wir ein bisschen ins Grundsätzl­iche gehen und uns ein Grunddilem­ma dieses Wirtschaft­ssystems anschauen: Erfolg gegenüber der Konkurrenz führt in letzter Konsequenz zu Monopolbil­dung. Und Monopolbil­dung zur Ausschaltu­ng der Konkurrenz. Es gibt also nichts marktwirts­chaftsfein­dlicheres als ein Monopol.

Besonders krass kommt diese Logik in der digitalen Plattformw­irtschaft zum Tragen. Dort stehen sehr hohen Fixkosten bei der Entwicklun­g extrem niedrige Grenzkoste­n im laufenden Betrieb gegenüber. Dass eine solche Konstellat­ion nach dem „The winner takes it all“-Prinzip Monopolbil­dung extrem begünstigt, gehörte schon in Vor-Internet-Zeiten zu den Basiserken­ntnissen der Volkswirts­chaft.

Tja, und jetzt haben wir Monopole. Und zwar globale, die Regierunge­n vor sich hertreiben, Steuern zahlen, wo und wie viel sie gerade wollen, und sich, siehe USA, sogar steuernd in Präsidents­chaftswahl­kämpfe einmischen.

Weil es nichts marktwirts­chaftsfein­dlicheres gibt als eine Ausschaltu­ng der Konkurrenz per Monopol, gehören Antitrustg­esetze, die Monopolbil­dung verhindern, sozusagen zum Basisbauka­sten westlicher Demokratie­n. Und sie sind früher durchaus auch angewandt worden. Rockefelle­rs Standard Oil Company beispielsw­eise war zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts im Ölgeschäft, dessen damalige Bedeutung durchaus der des heutigen Datengesch­äfts entsprach, dominant geworden und wurde 1911 auf Basis eines Urteils des Obersten US-Gerichts in 34 Einzelunte­rnehmen zerschlage­n. AT&T, der älteste und damals größte Telefonkon­zern der Welt, wurde wegen seiner Marktdomin­anz in den USA gezwungen, sich von Datenverar­beitung fern zu halten und spaltete 1981 nach einem längeren Gerichtsve­rfahren 22 regionale Tochterges­ellschafte­n ab, um einem entspreche­nden Urteil zuvorzukom­men.

Aber seither haben die Antikartel­lgesetze in den westlichen Industrieg­esellschaf­ten offenbar ihre Zähne verloren. Vor allem: Der Monopolisi­erung der Plattformö­konomie, zu deren innerer Logik wie gesagt die Monopolbil­dung gehört, stehen die Regierunge­n bisher völlig hilflos gegenüber. Man muss sich nur die jämmerlich­en Versuche anschauen, weltweit tätige Konzerne per nationalen Digitalste­uerlösunge­n einzufange­n.

Und es gibt natürlich noch ein anderes Problem: Die Onlineries­en mit ihren riesigen Einnahmen sind zumindest bisher auch Innovation­streiber. Aber sie machen auf der anderen Seite auf Dauer regionale Wirtschaft­en kaputt. Man muss sich nur die immer stärkere Dominanz von Google bei den weltweiten Werbeeinna­hmen anschauen, um zu sehen, wohin der Hase läuft.

Die großen Wirtschaft­sblöcke tun also gut daran, sich dieses Problems anzunehmen, solang es noch geht. Wenn notwendig, auch mit Brachialma­ßnahmen. Denn Monopole sind, wenn sie sich einmal verfestigt haben, Gift für die Wirtschaft. Das ändert sich auch in der Digitalisi­erung nicht.

 ?? [ Reuters ] ?? Die globalen Monopole, die durch die digitale Plattformö­konomie entstehen, machen die Regierunge­n zunehmend nervös.
[ Reuters ] Die globalen Monopole, die durch die digitale Plattformö­konomie entstehen, machen die Regierunge­n zunehmend nervös.
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