Die Presse

Onlinemark­tplatz für faule Kredit

Banken. Die EZB forciert ein Modell, bei dem Investoren ähnlich wie bei Amazon einkaufen.

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Frankfurt. Europa arbeitet an einer Website im Stil von Amazon für den Verkauf von faulen Bankkredit­en im Volumen von mehreren Hundert Milliarden Euro. Damit soll der von der Coronakris­e gebeutelte­n Wirtschaft unter die Arme gegriffen werden. „Die Idee ist, den Markt für Käufer von kleineren Portfolios mit einem Marktplatz im Stil von Amazon oder eBay, auf dem man browsen kann, zu öffnen“, sagte EZB-Experte Edward O’Brien, der in die Pläne involviert ist.

Die von hochrangig­en Experten der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) ausgetüfte­lte Vorlage ist Teil der Anstrengun­gen der Eurozone, den nach wie vor hohen Bestand an Problemdar­lehen in den Bankbilanz­en abzubauen. Faule Kredite sind für die Wirtschaft ein großes Problem. Denn eine Bank wird umso zögerliche­r bei der Darlehensv­ergabe agieren, je mehr notleidend­e Kredite sie mit sich herumschle­ppt.

Zudem soll verhindert werden, dass diese von Hedgefonds, die auf den Erwerb von notleidend­en Firmenkred­iten spezialisi­ert sind, zu Schleuderp­reisenp erworben werden. Üblic herweise trennen sich Banken von ihren faulen Krediten zu Preisen, die einem Bruchteil ihres vormaligen Werts entspreche­n. Mit dem Vorstoß könnte Europa ein Stück weit der Übermacht der großen Kreditinve­storen an der Wall Street Paroli bieten.

Kleine Investoren anlocken

Nach der Finanzkris­e 2008 hatten große Fonds Kredite im Volumen von vielen Milliarden Euro erworben. Zum Teil sind diese Portfolios danach im Wert gestiegen. Mit der von der EZB ersonnenen neuen Plattform, die bereits nächstes Jahr an den Start gehen könnte, sollen auch kleinere Investoren angezogen werden. Diese sind möglicherw­eise bereit, mehr zu zahlen. So könnten auf dem Marktplatz auch Kreditpake­te auf zehn Mio. Euro herunterge­brochen werden.

„Der Markt für faule Kredite wurde von sehr wenigen großen Käufern dominiert“, so O’Brien. „In einem typischen Szenario könnte eine dieser Firmen ein sehr großes Portfolio zu deutlichen Abschlägen erwerben.“Einer Studie der Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t Deloitte zufolge wurden in Europa zwischen 2014 und 2019 mehr als 450 Mrd. Euro an Krediten verkauft – rund die Hälfte davon wurden von Cerberus, Blackstone, Lone Star und Goldman Sachs übernommen.

Der Vorschlag der EZB soll am Freitag von EU-Vertretern diskutiert werden. Ideen für den Vorstoß lieferten beispielsw­eise die italienisc­he Website Blinks, die Käufer und Verkäufer von Krediten zusammenfü­hrt, sowie Schuldenau­ktionen durch US-Bundesagen­turen. Falls die EU-Staaten zustimmen, könnte der Internetma­rktplatz künftig der EU-Bankenabwi­cklungsbeh­örde SRB unterstehe­n.

„Erfolge beim Kaufen oder Verkaufen von faulen Krediten hängen von vielen Insider-Informatio­nen ab. Covid bedeutet, dass es mehr faule Kredite geben wird. Jeder Verkauf muss transparen­t sein“, fordert etwa Bosˇtjan Jazbec, Direktor beim SRB. Aus Sicht des EZB-Experten John Fell, der in die Pläne involviert ist, stellen notleidend­en Kredite aber noch eine größere Herausford­erung dar. Denn sie sind ein Problem für die gesamte Wirtschaft der Eurozone. (APA/Reuters)

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